Der Bundesrat auf dem Medien-Ballenberg

Publiziert am 30. August 2019 von Matthias Zehnder

Der Bundesrat hat sich für rasch umsetzbare Massnahmen zur Unterstützung von Online-Medien und Zeitungen ausgesprochen. Das klingt auf den ersten Blick gut. Der Bundesrat hat sich dabei aber vor den Karren der Verleger spannen lassen: Die Massnahmen sind rückwärts gerichtet und zementieren einen Medien-Ballenberg. Den Onlinemedien werden sie nicht nützen und den Zerfall der Zeitungen werden sie höchstens etwas verzögern. Eine Analyse.

In der Medienwelt gibt es zwei ganz grosse Widersprüche: Noch nie wurden so viele Medien genutzt – dennoch ging es den Medienunternehmen wirtschaftlich noch nie so schlecht. Und: Noch nie waren so viele zuverlässige Informationen verfügbar – dennoch waren noch nie so viele Fake News im Umlauf. Ursache für diese widersprüchliche Lage der Medien ist letztlich die Digitalisierung der Medien durch das Internet: Seit den 1990er Jahren ist es zu einer medialen Angebotsexplosion gekommen. Bis in die 90er Jahre waren traditionelle Medien wie gedruckte Tageszeitungen, Radio und Fernsehen die einzigen Möglichkeiten, eine Botschaft in die Gesellschaft zu tragen. Entsprechend gross war ihre Rolle, sowohl im politischen Informationsprozess wie auch als Transporteure kommerzieller Werbung.[1]

Zwei Ereignisse haben die Rolle dieser traditionellen Medien dramatisch verändert: Am 30. April 1993 gab das Kernforschungszentrum CERN das World Wide Web kostenlos für die Öffentlichkeit frei. Es kam zu einer medialen Angebotsexplosion, die nicht zu Unrecht mit der Medienrevolution verglichen wird, die Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert durch die Erfindung des Buchdrucks ausgelöst hat. In der Schweiz kam Ende der 90er Jahre ein weiteres Ereignis dazu: norwegische Verlage gründeten in der Schweiz Pendlerzeitungen. 1999 erschien in Zürich zum ersten Mal «20 Minuten», herausgegeben vom norwegischen Schibsted-Verlag. 2005 übernahm Tamedia «20 Minuten» und gründete die französischsprachige Ausgabe «20 minutes».

Information auf Knopfdruck

Mit dem World Wide Web (oder, etwas vereinfachend: mit dem Internet) haben Benutzerinnen und Benutzer aktuelle Informationen «at your fingertips», wie es Bill Gates formulierte, also auf Knopfdruck, rund um die Uhr zur Verfügung.[2] Das ist für uns heute so selbstverständlich, dass uns das Revolutionäre daran gar nicht mehr bewusst ist. Ich erinnere mich noch an den 7. März 1996, als die Basler Pharmafirmen Ciba und Sandoz ihre Fusionsabsicht zu Novartis bekannt gaben. Die «Basler Zeitung» produzierte damals ein Extrablatt und verteilte die Zeitung am Abend des gleichen Tages. So ein Extrablatt war damals die einzige Möglichkeit, die Bevölkerung zu informieren. Heute geht das viel einfacher mit ständig aktualisierten Angeboten im Internet und Pushmeldungen auf das Handy. Das Internet hat die Menschen gelehrt: Aktualität ist eine Frage von Minuten, ja von Sekunden.

«20 Minuten» hat die Medienkonsumenten eine zweite Lektion gelehrt: Medien können gratis sein. Noch bevor sich die Werbung im Internet breit gemacht hatte, finanzierte sich «20 Minuten» ausschliesslich über Werbung. Die Leserinnen und Leser mussten (und müssen) für die Zeitung kein Geld bezahlen, sie «bezahlen» mit ihrer Aufmerksamkeit. Geld fliesst einzig von den Werbetreibenden. Jahrelang war das extrem erfolgreich – und hat vielen anderen Zeitungen, auch der Tamedia-Schwesterzeitung «Tages-Anzeiger», das Wasser abgegraben. Pendlerzeitungen (und nicht in erster Linie das Internet) haben die Schweizerinnen und Schweizer also dazu erzogen, dass man für Medien nicht bezahlen muss.

Das Lesen von Zeitungen verlernt

Heute ist das Internet in allen Altersgruppen das mit Abstand am meisten genutzte Medium in der Schweiz: Laut dem Media Use Index Schweiz nutzen heute 94% der so genannten «Digital Natives» (14–29 Jahre) das Internet, aber auch 92% der «Digital Immigrants» (30–54 Jahre) und der «Silver Surfer» (55–69 Jahre).[3] Ganz anders sieht das Bild aus, wenn wir die klassische Tageszeitung betrachten: Zwar nutzen 47% der «Silver Surfer» die Tageszeitung und 30% der «Digital Immigrants» – bei den «Digital Natives» taucht die Tageszeitung unter den fünf am meisten genutzten Medien aber nicht mehr auf. Dass das keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Generation ist, zeigt ein Blick in frühere Studien: Vor zehn Jahren nutzten auch 63% der 14–29Jährigen noch eine herkömmliche Tageszeitung.

Die jungen Menschen haben das Lesen von Papierzeitungen verlernt. Das gilt auch für die gedruckte Ausgabe von «20 Minuten»: Wenn Sie vor zehn Jahren am Morgen hinten in einem Tram standen und nach vorne blickten, haben Sie in 50 offene «20 Minuten»-Ausgaben geblickt. Die Zeitungsboxen an den Haltestellen mussten mehrfach am Tag nachgefüllt werden. Heute sieht man nur noch vereinzelt Pendlerzeitungen im Tram. Die Menschen schauen nicht mehr in eine Zeitung, sondern auf ihren Handybildschirm. An manchen Orten bleiben bis am Abend Gratiszeitungen in den Zeitungsboxen liegen – die Menschen möchten eine gedruckte Zeitung nicht einmal mehr geschenkt erhalten.

Digitale Angebotsexplosion

Die Werbung folgt der Aufmerksamkeit und verabschiedet sich immer rascher aus dem Print. Jedes Jahr verlieren die gedruckten Zeitungen zwischen 10% und 15% Werbeumsatz – und das seit Jahren. Heute machen gedruckte Zeitungen in der Schweiz noch knapp eine Milliarde Franken Umsatz mit Werbung. Gleichzeitig explodieren die Werbeumsätze im Internet. 2018 waren es etwa zweieinhalb Milliarden Franken allein in der Schweiz. Alles prima, könnte man meinen, dann nehmen die Verleger das Geld halt nicht mehr über die gedruckte Ausgabe ein, sondern über die Onlineausgabe. Schön wärs. Das Internet hat zu einer digitalen Angebotsexplosion geführt: Nicht mehr nur die Verlage erreichen die Menschen und können auf ihren Kanälen Werbung schalten, sondern auch viele andere Angebote im Internet: Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Videoplattformen. Das Geld, das Werber im Internet ausgeben, kommt also nicht mehr Schweizer Medienanbietern zugute, es fliesst in die Taschen internationaler, ja globaler Onlinekonzerne wie Google (dazu gehört auch Youtube) und Facebook (dazu gehört auch Instagram). Das Geld fehlt deshalb in der Schweiz, es steht den Medienanbietern nicht mehr zur Verfügung.

Diese Entwicklung ist gerade für die Schweiz ein Problem, weil die direkte Demokratie auf allen Ebenen auf eine kritische Auseinandersetzung angewiesen ist. Das Onlinemagazin «Republik» hat es in seinem Manifest auf den Punkt gebracht: «Ohne Journalismus keine Demokratie. Und ohne Demokratie keine Freiheit. Wenn der Journalismus stirbt, stirbt auch die offene Gesellschaft, das freie Wort, der Wettbewerb der besten Argumente.»[4] Das sieht auch die Politik so und macht sich schon länger Gedanken darüber, wie der Staat die Medienvielfalt in der Schweiz fördern könnte. Das Problem dabei: «die Medien» gibt es nicht. Es gibt unterschiedliche Player mit sehr unterschiedlichen Interessen.

Massnahmenpaket zur Förderung der Medien

Fassen wir die Entwicklung in fünf Punkten zusammen

  • Die Medien stecken mitten in einer massiven, digitalen Transformation.
  • Der Werbemarkt ist nicht mehr lokal, sondern durch die Digitalisierung global, Werbung und Angebot haben sich entkoppelt.
  • Es fliesst zwar immer mehr Geld in Onlinewerbung, dieses Geld fliesst aber weitgehend aus der Schweiz ab.
  • Benutzerinnen und Benutzer haben sich daran gewöhnt, dass Information nichts kostet. Im Internet ist das Angebot an kostenlosen Informationen riesig, denn durch die Digitalisierung wird jedes Unternehmen auch zu einem Medienunternehmen.
  • Digitale Märkte basieren stark auf Skaleneffekten; in der kleinteiligen Schweiz kommen diese Effekte aber fast nicht zum Zug.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat diese Woche ein «Massnahmenpaket zur Förderung der Medien» vorgeschlagen. Sinnvoll wäre es, wenn der Bundesrat

  • die digitale Transformation der Medien fördern würde,
  • wenn er das Abfliessen von Werbegeld aus der Schweiz durch geeignete Massnahmen etwas kompensieren könnte und
  • wenn er regionale Angebote, die nicht von Skaleneffekten profitieren können, unterstützen würde.

Doch weit gefehlt. Der Bundesrat schlägt im Wesentlichen zwei Massnahmen vor:[5]

  • Ein Ausbau der so genannten «indirekten Presseförderung», das ist eine Ermässigungen für die Postzustellung von Zeitungen.
  • Unterstützung von Onlinemedien, die ihre digitalen Angebote kostenpflichtig zur Verfügung stellen.

Schauen wir uns die beiden Massnahmen etwas genauer an. Die Ermässigung der Postzustellung von Zeitungen klingt auf den ersten Blick gut: Das entlastet regionale Tageszeitungen, das ist doch prima. Doch die Entlastung betrifft nur die Postzustellung, Tageszeitungen werden jedoch nicht vom Pöstler mit der Briefpost, sondern per Frühzustellung verteilt. Dazu kommt: Der Bundesrat fördert mit den gedruckten Zeitungen ein Medienmodell, das es so (mindestens im Bereich der Tagesaktualität) nicht mehr lange geben wird. Nachrichten auf Papier zu drucken und dann von Hand zu verteilen, ist im digitalen Zeitalter nicht mehr sinnvoll. Statt die Kutscher dabei zu unterstützen, in den Führerstand von Lokomotiven zu wechseln, subventioniert der Bundesrat den Hafer für die Pferde. Das ist absurd – und es ist kontraproduktiv, weil es den fälligen Wandel nicht stützt, sondern aufhält.

Noch absurder ist die geplante Förderung der Onlinemedien ausgefallen. Der Bundesrat schreibt, die Bereitschaft, für digitale Medienangebote zu bezahlen, sei weiterhin gering; eine Finanzierung über Abonnemente und Werbung schwierig. «Deshalb will der Bundesrat die Unterstützung der Online-Medien am Umsatz digitaler Bezahlangebote anknüpfen: Unterstützt wird, wer digitale Medieninhalte verkauft und auf diesem Weg eine längerfristige Finanzierbarkeit der journalistischen Leistungen im Onlinebereich anvisiert.» Das ist in sich schon absurd. Der Bundesrat stellt selbst fest, dass die Bereitschaft, für digitale Medienangebote zu bezahlen, nicht gegeben ist – warum knüpft er dann seine Förderung daran?

Paywalls funktionieren nicht

Anbieter sprechen von einer «Paywall», wenn Angebote nur zahlenden Nutzern zur Verfügung gestellt werden. In der Praxis stehen solche Paywalls an sehr unterschiedlichen Orten. Bei «The Market»,[6] dem neuen Finanzportal von Mark Dittli, steht die Paywall ganz vorne: Ohne Bezahlung gibt es, ausser Titel und Lead, nichts zu sehen. Bei «Tages-Anzeiger» und «BaZ» steht die Paywall, wie bei den meisten Regionalzeitungen, deutlich weiter hinten: Ein Teil der Artikel steht kostenlos zur Verfügung, ein Teil ist nur Abonnenten zugänglich. Noch offensiver verfährt die «bzBasel»: Da ist so ziemlich alles online gratis verfügbar. Dieses Bild ist typisch: Wirklich Geld verlangen kann online nur, wer Inhalte anbietet, die exklusiv sind und einen hohen Nutzwert für die Leserinnen und Leser haben («The Market»). Im regionalen Medienmarkt ist das nicht möglich. Selbst Marktführer wie BaZ und Tagi müssen Inhalte frei zugänglich halten, wenn sie online stattfinden wollen. Newcomer wie die «bzBasel» müssen im regionalen Markt frei zugänglich sein, weil sie sonst nicht genutzt würden. [7]

Dass Onlinenutzer sich von einer Paywall abschrecken lassen, kann man beklagen, aber es ist nun mal so. Paywalls funktionieren nicht, bei regionalen Inhalten schon gar nicht. Aber es gibt andere Zahlungsmodelle, die in der digitalen Welt sehr wohl funktionieren. Das älteste Modell hiess früher «Shareware»: Erst ausprobieren und nutzen, dann zahlen. Digitale Angebote im Internet gehen noch weiter: Sie setzen nicht auf den Zwang zur Bezahlung, sondern auf Freiwilligkeit und damit auf Identifikation. Das heisst: Sie appellieren an die Nutzer, sie mit Spenden zu unterstützen, ganz so, wie das Chöre und Musiker in vielen Konzerten mit der Kollekte machen. So funktioniert zum Beispiel Wikipedia, das grosse Onlinelexikon – und auch der «Wochenkommentar» finanziert sich über Spenden. Zum Spendeformular geht es hier. Indem der Bundesrat die Förderung von Onlinemedien auf digitale Bezahlmedien einschränkt, schliesst er die allermeisten Onlineangebote aus. Wem nützt das? Nur den Verlegern. Die Klausel hält ihnen unliebsame Konkurrenz vom Leib. Es ist verständlich, dass sie sich dafür einsetzen – dass der Bundesrat darauf einsteigt, ist aber kurzsichtig. Er bremst damit die digitale Transformation der Medienschweiz und fördert letztlich einen Medien-Ballenberg.

Basel, 30. August 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen:

[1] Offenlegung von Interessenverbindungen: Ich bin Mitinitiant des regionalen Basler Onlineprojekts «Bajour». Der Kommentar basiert auf meiner Arbeit als Medienwissenschaftler.

[2] Bill Gates, Keynote-Vortrag an der Computermesse Comdex in Las Vegas 1995: «Information at Your Fingertips», siehe https://www.youtube.com/watch?v=KvSmqAQL5Ek

[3] Quelle: Media Use Index Schweiz, http://www.media-use-index.ch

[4] Manifest der «Republik», siehe https://www.republik.ch/manifest

[5] Zum Massnahmenpaket des Bundesrats siehe hier: https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/uvek/medien/medienmitteilungen.msg-id-76208.html

[6] Vgl. https://themarket.ch

[7] Eine Ausnahme ist «PrimeNews» von Christian Keller. Aber auch dieses Angebot ist frei verfügbar, wenn man sich vor der Lektüre einen Werbeclip anschaut. https://primenews.ch

5 Kommentare zu "Der Bundesrat auf dem Medien-Ballenberg"

  1. …“statt die Kutscher dabei zu unterstützen, in den Führerstand von Lokomotiven zu wechseln, subventioniert der Bundesrat den Hafer für die Pferde.“
    Das ist sehr, sehr gut formuliert.
    Ich bin eh gegen das „Unterstützen“ jeglicher Form von Medien, weil sie so nicht mehr kritisch berichten und den Oberen auf die Finger schauen (was dringend notwendig wäre). Denn, (um bei den Pferden/Kutscher/Hafer zu bleiben), welches Pferd wird nicht Handzahm jenem gegenüber, welches es füttert….
    Somit macht der Bundesrat sogar zwei Sachen „lätz“: Er subventioniert – und dann erst noch das Falsche.
    Dies ergibt genau das Bild, was der Bundesrat zur Zeit abgibt.
    Die CVP sichert sich zur Zeit noch auffallend viele „Pösteli“ gerade in diesem Medienbereich. Bei der SRG, dem Radio, dem Fernsehen, Kommissionen oder sei es, wie NR Schneider-Schneiter (BL) als „Beirätin“ z.B. der BZ-Basel. Einfluss und die Gewissheit, dass stets gut über einem berichtet wird, sind die kalkülen CVP-Treiber.
    Denn: Welcher „Journi“ getraut sich noch, an der Hand zu kratzen, die ihn füttert… (wobei wir wieder bei den Pferden und dem Hafer sind; überall das selbe.)
    Im Herbst sind Wahlen. Zeit, dass all die Missstände korrigiert werden.
    Und Zeit, dass die „Zauberformel“ nach den Wahlen gekackt wird.
    Vielleicht sind die Entscheide des Bundesrates danach angemessener und zweckmässiger.

    1. Da haben Sie aber ein seltsames Bild von Journalisten. Wenn sich Journalisten so nach dem Geldgeber richten, wie Sie das behaupten, dürfte es in der Schweiz keine kritischen Artikel über Migros, Coop, SBB, Swisscom, Apple, Mercedes, UBS, VW, Credit Suisse und BMW geben. Das sind nämlich derzeit laut Mediafocus die grössten Werbeauftraggeber in der Schweiz (siehe https://mediafocus.ch/). Gerade über die SBB wird aber derzeit sehr kritisch berichtet, ebenso über Coop, Migros und die Swisscom. Das Märchen, dass Journalisten angeblich die Hand nicht beissen, die sie füttert, können Sie also getrost vergessen. Es ist Mumpitz und es wäre auch Mumpitz, wenn der Bund bescheidene 50 Millionen Franken für Onlinemedien sprechen würde.

  2. Eine für die Stärkung der Demokratie wirksame Medienförderung ist Bildung: für Menschen, die aufgeklärt sind und es weiterhin bestmöglich sein wollen. Wenn es dabei nur nicht auch noch einen Ballenberg geben würde, wo gelernt wird um zu gewinnen, und nicht für die Bildung.

  3. Zwei Punkte fehlen für mich in dieser sehr treffenden Analyse:

    1) Als „silver surfer“ lese ich aus alter Gewohnheit auch noch täglich eine Zeitung auf Papier, aber das was ich heute als sogenannte „Zeitung“ im Briefkasten finde ist ja nur noch ein müder Abklatsch dessen was man dort früher fand – ein Resultat der jahrzehntelangen Sparbemühungen! Für mich ist es nur noch eine Frage der Trägheit, gelegentlich auch diesen Rest noch abzubestellen (zumal wir ja jetzt seit Neuestem auch noch hunderte Franken für ein Fernsehen bezahlen müssen was wir noch nie benutzt haben – aber das ist eine andere Geschichte…). Dass meine Kinder jemals eine Tageszeitung abonnieren könnten kann ich mir kaum vorstellen: Sie schauen auch in die hier herumliegenden Zeitungen so gut wie nie herein!

    2) Dass man für Online nicht bereit wäre zu bezahlen ist ein Gerücht! Worauf ich warte sind vernünftige Angebote. Bezahlschranken wollen mich zu einem Abo „erziehen“ – aber wieso soll ich den grossen Vorteil verschenken, den ich durch das Internet habe? Ich will mich auf keinen Fall wieder – wie in der „guten alten Zeit“ – an nur einen Anbieter binden! Lieber würde ich artikelweise bezahlen – aber da fehlt halt weit herum ein vernünftiges Verfahren: So etwas Praktisches wie „Bargeld“ könnte heute ja nicht mehr erfunden werden! Auch wenn beinahe täglich neue Bezahlmethoden erfunden werden verfolgen doch alle nur einen einzigen Zweck: dass jemand Drittes möglichst viel mitverdienen kann! Der dann möglichst auch noch in Amerika sitzt wo man keine Ahnung hat was da „unterwegs“ alles passiert. Jedenfalls fehlt mir da jegliches Vertrauen.

    Hinzu kommt natürlich bei der artikelweisen Bezahlung das Problem dass sich halt oft hinter einem „knackigen“ Titel dann nur eine öde Geschichte versteckt. Ok, kann mir mit Büchern natürlich auch passieren…

    1. «Dass man für Online nicht bereit wäre zu bezahlen ist ein Gerücht!» – Da haben Sie absolut recht. Die Reduktion der Bezahlmodelle auf die Paywall ist fantasielos. Pay per View, also das Zahlen von Einzelartikeln, funktioniert nur, wenn wirklich extrem hohe Qualität geboten wird. Ein Angebot, das so recht gut funktioniert, ist Blendle: https://blendle.com/home Das ist eine Art Kiosk für die besten Artikel aus einer breiten Palette von Zeitungen und Zeitschriften wie Stern, Süddeutsche, FaZ etc. Was ebenfalls funktioniert, ist Crowdfunding. Dabei bitten Publikationen ihre Leser (die Community) etwa um Geld, damit sie eine bestimmte Recherche realisieren können. Ich mache recht gute Erfahrungen mit Spenden, wobei das Wort eigentlich falsch ist. Es ist eher eine Kollekte wie in der Kultur, ein freiwilliges Bezahlen nach Bezug der Leistung. In den USA könnte ich davon leben, in der Schweiz ist der Markt dafür leider viel zu klein. Das ist bei allen Angeboten wohl das grösste Problem: Die Grundgesamtheit in der Schweiz ist so klein, dass (vor allem bei Regionalberichterstattung) einfach zu wenig Geld zusammenkommt. Deshalb braucht es wohl über kurz oder lang mindestens eine strukturelle Unterstützung für Onlinemedien.

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