SRG: Der Bundesrat zäumt das Pferd vom Schwanz auf

Publiziert am 10. November 2023 von Matthias Zehnder

Der Bundesrat will die Radio- und Fernsehabgabe für Haushalte von 335 auf 300 Franken senken und einen grossen Teil der Unternehmen in der Schweiz von der Abgabe befreien. Er übernimmt damit die Perspektive der Initianten der «Halbierungsinitiative» und betrachtet den medialen Service Public in der Schweiz lediglich aus der Sicht der einzelnen Konsumenten und der Gebühren, die für sie anfallen. Sinn der Medienabgabe ist es aber, jenseits vom individuellen Konsum eine mediale Grundversorgung für alle Landesteile sicherzustellen. Im Vordergrund sollten deshalb die Interessen des Landes und der Sprachregionen stehen. Wir müssen also über den Bedarf des Landes und die dafür anfallenden Kosten reden, bevor wir uns über die Finanzierung und die Höhe der Gebühren unterhalten können. In meinem  Wochenkommentar zeige ich Ihnen mit handfesten Zahlen, warum es wichtig ist, beim medialen Service public zuerst die Sicht des Landes anzunehmen und erst dann zu fragen, ob und wie die Medienkonsumenten zur Kasse gebeten werden.

«200 Franken sind genug», findet ein Komitee rund um SVP-Nationalrat Thomas Matter und hat die «Halbierungsinitiative» eingereicht: Privathaushalte sollen künftig nur noch eine Radio- und Fernsehabgabe von 200 Franken im Jahr bezahlen, Firmen sollen ganz von der Gebühr befreit werden. Die Begründung der Initianten: Obwohl die «Qualität bei der SRG oft zu wünschen übrig» lasse, bezahle die Schweizer Bevölkerung weltweit  mit die höchsten «Zwangsgebühren». 200 Franken seien «immer noch genug!». Die Initiative will auf diese Weise eine «ungerechte Doppelbesteuerung» von Arbeitgebern und Gewerblern abschaffen und Junge entlasten, die sowieso «fast kein TV» schauen und trotzdem zahlen müssen «für ein Angebot, das sie nicht konsumieren». Das sei «unfair».

Sie merken, was in dieser Argumentation passiert: Dass die «Qualität bei der SRG oft zu wünschen übrig» lasse, wird als Prämisse einfach mal hingenommen, weil sich die ganze Diskussion auf die Höhe der Gebühren fokussiert. Und wer ist schon für Gebühren, Zwangsgebühren zumal. Doppelbesteuerung? Geht gar nicht! Junge müssen für etwas bezahlen, das sie gar nicht nutzen? Unfair! Höchste Gebühren der Welt? Sauerei! Deshalb sagt die Initiative: «200 Franken sind genug».

Der Bundesrat findet, 300 Franken sind genug

Der Bundesrat scheint diese Sicht zu teilen und kommt den Initianten jetzt entgegen: Er hat diese Woche als Gegenvorschlag auf Verordnungsebene eine Senkung der Radio- und Fernsehgebühren in Aussicht gestellt und sagt: «300 Franken sind genug». Dieses Spiel lässt sich beliebig weiterführen. Weder die Initianten noch der Bundesrat begründen aus der Sache, warum 300 oder 200 Franken genug sein sollen. Es könnte also auch 150 oder 100 Franken sein. Denn aus der Sicht des Konsumenten ist jede Gebühr eine zu viel. Vor allem, wenn nicht klar ist, was der Sinn der Gebühr ist.

Symptomatisch sind diese beiden Leserkommentare in der «bzBasel», die gestern am meisten Empfehlungen erhalten haben: «Ärgere mich. In vielen Schweizer Medien steht, das die Zwangsgebühren-Pflicht für SRG&Co. bald ‹NUR› noch 300 Fr betragen soll… Störe mich am Wort ‹NUR›…» schreibt der erste Leser. Der zweite Leser schreibt: «Wir haben mit die teuersten TV-Gebühren der Welt. Und was bekommen wir? Einen linken Staatssender. Nein danke. Man sollte nur dann was bezahlen müssen, wenn man da auch konsumiert.»

Die ganze Misere der SRG-Diskussion

Sehen wir einmal davon ab, dass auch hier in der Prämisse die Verunglimpfung der SRG als «linker Staatssender» einfach stehen bleibt. Konzentrieren wir uns auf die Gebühren. In diesen beiden Kommentaren steckt die ganze Misere der SRG-Diskussion. Der erste Punkt betrifft die Höhe der Gebühr. Ob eine Gebühr von 300 Franken hoch oder tief ist, bemisst sich nicht am Betrag, sondern am Verhältnis von Preis und Leistung. Wer immer nur über den Preis redet, aber nie über die Leistung, muss sich nicht wundern, wenn das auch die Bürgerinnen und Bürger tun und sich über den Preis beschweren. Sie werden sich auch dann über den Preis beschweren, wenn die Gebühr 200 Franken oder 100 Franken beträgt. Eine Gebühr, deren Sinn man nicht einsieht, ist immer zu hoch, ganz egal, wie hoch der Betrag ist.

Das gilt auch für den Vergleich mit dem Rest der Welt. Es ist gleich aus zwei Gründen kein Zufall, dass die Mediengebühren in der Schweiz hoch sind. Zum einen ist die Schweiz eines der teuersten Länder der Welt, das zeigen nicht nur alle Vergleiche von Lebenskosten und Preisen, sondern auch der Big Mac Index des «Economist». Der zweite Grund, warum die Gebühren hoch sind, führt aber zum Kern des Problems: Die Schweiz ist nicht nur klein, sie ist auch vielsprachig. Wir haben nicht nur einen öffentlichen Rundfunk, wir haben Angebote in allen Sprachregionen.

Die Solidaritätsabgabe der Deutschschweizer

Schon die Schweiz als Ganzes wäre als Medienregion sehr klein, die Sprachregionen sind geradezu winzige Medienmärkte. Weil sich in diesen kleinen Märkten über Werbung nie und nimmer ein vollwertiges Angebot finanzieren lässt, braucht es eine Mediengebühr, die faktisch eine Art Solidaritätsabgabe ist, die Deutschschweizer für die anderen Landesteile entrichten. Wenn der Leser schreibt: «Man sollte nur dann was bezahlen müssen, wenn man da auch konsumiert.», dann beweist das vor allem, dass die Schweizerinnen und Schweizer keine Ahnung davon haben, wie hoch diese Solidaritätsabgabe ist.

Schauen wir uns einmal konkret auf der Ebene der SRG an, was mit den Gebührengeldern in der Schweiz passiert. 2022 haben Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer 895 Millionen Franken in den Gebührentopf der SRG einbezahlt. In der Westschweiz waren es 285 Millionen Franken, in der italienischsprachigen Schweiz 45 Millionen Franken und in der Svizra Rumantscha fünf Millionen Franken.

Jetzt schauen wir uns in einem zweiten Schritt an, wie viel Geld der SRG in den einzelnen Sprachregionen zur Verfügung stand. In der Deutschschweiz waren das 535 Millionen Franken, in der Romandie 400 Millionen Franken, in der italienischsprachigen Schweiz 270 Millionen Franken und in der Svizra Rumantscha 25 Millionen Franken.

In der Deutschschweiz fallen zwar 73 Prozent der Mediengebühren an, der Deutschschweiz stehen aber nur 43 Prozent der Gebührengelder zur Verfügung. Die Romandie nimmt 23 Prozent der Gebührengelder ein, RTS stehen aber satte 33 Prozent der Gelder zur Verfügung. Noch krasser im Tessin: Da fallen nur 4 Prozent der Gebührengelder an, RSI stehen aber 22 Prozent der Gelder zur Verfügung. Und die rätoromanische Schweiz nimmt nur gerade ein halbes Prozent der Gebührengelder ein, hat aber zwei Prozent der Gelder zur Verfügung.

Es findet also eine gigantische Umverteilung der Gebührengelder statt: Die Deutschschweizer subventionieren das italienischsprachige Radio und Fernsehen mit 225 Millionen Franken im Jahr, das französischsprachige Angebot mit 115 Millionen Franken im Jahr und das rätoromanische Angebot mit 20 Millionen Franken im Jahr. Von den 895 Millionen Franken Medienempfangsgebühren der Deutschschweiz gehen 360 Millionen Franken in die anderen Sprachregionen. Das sind etwa 40 Prozent der Gebührengelder. Wenn wir das Motto unseres Lesers nehmen würden: «Man sollte nur dann was bezahlen müssen, wenn man da auch konsumiert.», dann wäre die Medienempfangsgebühr in der Deutschschweiz also 40 Prozent tiefer und würde – oh Wunder – 200 Franken im Jahr betragen.

Zusammenhalt des Landes auf dem Spiel

Das zeigt, dass die Perspektive des Einzelkonsumenten und das simple Prinzip «ich zahle, was ich konsumiere» in Bezug auf die Medienempfangsgebühr nicht nur keinen Sinn macht, sondern den Zusammenhalt des Landes aufs Spiel setzt. Würde jede Sprachregion für sich schauen, gäbe es keine rätoromanischen Angebote mehr, im Tessin würde kaum etwas vom Tessiner Radio und Fernsehen übrig bleiben und das Medienangebot in der Romandie müsste auf ein Rumpfangebot eingedampft werden. Das wäre der SVP in der Deutschschweiz wahrscheinlich egal, es würde aber den Gepflogenheiten der Schweiz massiv widersprechen. Die Schweiz zeichnet sich dadurch aus, dass Minderheiten eingebunden und von den Mehrheiten mitgetragen werden.

Und es geht nicht nur um Gepflogenheiten oder eine nostalgische Solidarität mit anderen Landesteilen. Fragen wir uns doch einmal, was passieren würde, wenn die Romandie und das Tessin kein eigenes Radio und Fernsehen mehr hätten. Schauen wir uns dafür eine Karte der Sprachen in Europa an. Auf einer solchen Karte sind nicht Länder, sondern Sprachregionen eingezeichnet. Portugal und Spanien, Italien und Frankreich, Deutschland und England sind deutlich auf der Karte zu erkennen. Die Schweiz aber ist verschwunden. Sie befindet sich an den Schnittlinien von Deutsch, Französisch und Italienisch im Zentrum der Karte.

Der kulturelle Sog der Nachbarländer

Die Schweizer Landesteile grenzen an gleichsprachige Länder, die um ein vielfaches grösser sind. Deutschland und Österreich haben zusammen etwa 16 mal mehr Einwohner als die Deutschschweiz, Frankreich hat etwa 35 mal mehr Einwohner als die Romandie und Italien hat gar 84 mal mehr Einwohner als die Schweiz italienischsprechende Einwohner hat. Entsprechend gross und mächtig ist der kulturelle und sprachliche Einfluss der Nachbarländer und ihrer Sprachgemeinschaften. Anders gesagt: Es gibt einen kulturellen, medialen Sog der Nachbarländer auf unsere Landesteile. Oder aus der Sicht der Schweiz formuliert: Es gibt starke Fliehkräfte, die auf unsere Sprachregionen wirken.

Das lässt sich auch am Medienkonsum ablesen. An einem durchschnittlichen Schweizer Kiosk stammt die überwiegende Mehrzahl der Printprodukte aus dem Ausland. In Deutschland, Frankreich und Italien wäre das nicht vorstellbar. Oder die Einschaltquoten der Fernsehsender: Wenn wir das Dutzend Fernsehkanäle mit den höchsten Einschaltquoten in der Deutschschweiz anschauen, dann stellen wir fest, dass acht von diesen zwölf Sendern aus dem Ausland in die Schweiz einstrahlen. In der Romandie und im Tessin ist der Anteil der Schweizer Sender noch kleiner. Immerhin haben SRF1, RTS1 und RSI La 1 die mit Abstand höchsten Quoten. Das würde sich aber ganz schnell ändern, wenn die Sender weniger Geld zur Verfügung hätten. Wäre das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender weniger attraktiv, würden nicht die Lokalfernsehsender der privaten Verleger die Lücken füllen, sondern die ausländischen Fernsehsender, die heute schon SRF, RTS und RSI dicht auf den Fersen sind. In der Deutschschweiz sind das ARD und ZDF, in der Westschweiz TF1 und M6 und im Tessin sind es Canale 5 und Rai 1. Und das wiederum würde die Zentrifugalkräfte in der Schweiz verstärken, also jene Kräfte, die die einzelnen Landesteile zu den grossen Sprachräumen hinziehen.

Im Sinne einer medialen Landesverteidigung

Unserem Leser in Basel, der nur zahlen will, was er konsumiert, mag das alles schnurz sein. Doch der Bundesrat sollte sich um die kulturelle Eigenständigkeit des Landes kümmern und der Bevölkerung die Bedeutung einer medialen Landesversorgung erklären. Wenn klar ist, was das Land braucht, lässt sich berechnen, was es kostet. Und dann, erst dann, können wir über die Finanzierung reden. Dann lässt sich auch ohne ständigen Streit über Folgen für die SRG und die Privatfernsehstationen darüber diskutieren, wie hoch eine Medienempfangsgebühr sein soll und ob die Leistung der SRG wirklich nur daraus finanziert werden muss. Denkbar wäre ja auch, dass der Bund oder die Kantone die Empfangsgebühren im Sinne einer medialen Landesverteidigung bezuschussen und Menschen mit tiefen Einkommen entlasten.

Sicher ist: Es macht keinen Sinn, nur über Gebühren zu reden, so lange Herrn und Frau Schweizer nicht klar ist, um was es dabei geht und was sie damit finanzieren. Es sei denn, man wolle die Schweiz schwächen. Aber dem Bundesrat möchte ich das nicht unterstellen.

Basel, 10. November 2023, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: KEYSTONE/Anthony Anex

Bundesrat Albert Rösti erklärt an der Medienkonferenz über die Volksinitiative «200 Franken sind genug!», warum er die Medienempfangsgebühr ebenfalls senken will. Mittwoch, 8. November 2023,  Medienzentrum Bundeshaus in Bern.

Benini, Francesco (2023): Bundesrat will SRG-Gebühr auf 300 Franken senken – der Gewerbeverband spricht von «reiner Kosmetik». In: bzBasel. [https://www.bzbasel.ch/schweiz/haushaltabgabe-bundesrat-will-srg-gebuehr-auf-300-franken-senken-der-gewerbeverband-spricht-von-reiner-kosmetik-ld.2539095; 10.11.2023].

Benz, Matthias und Aschwanden, Erich (2023): «Die Medienlandschaft wird geschwächt»: CH Media streicht 150 Vollzeitstellen. In: Neue Zürcher Zeitung. [https://www.nzz.ch/schweiz/150-vollzeitstellen-gestrichen-das-medienhaus-ch-media-kuendigt-stellenabbau-an-ld.1764685?mktcid=smsh; 9.11.2023].

Birrer, Raphaela (2023): Kommentar zur Halbierungsinitiative: Rösti muss der SRG zuerst Grenzen setzen – und dann sparen. In: Basler Zeitung. [https://www.bazonline.ch/halbierungsinitiative-roesti-muss-der-srg-grenzen-setzen-kommentar-580612577713; 9.11.2023].

Blick (2023): Bundesrat will Serafe-Gebühr auf 300 Franken senken: «Klar ist, dass Hunderte Stellen verloren gehen». In: Blick. [https://www.blick.ch/politik/bundesrat-informiert-um-15-uhr-senkt-roesti-die-serafe-gebuehr-id19123660.html?utm_source=campaign; 9.11.2023].

Büchi, Jacqueline (2023): Gegenvorschlag zur Halbierungsinitiative: So funktioniert Röstis Plan für tiefere SRG-Gebühren. In: Basler Zeitung. [https://www.bazonline.ch/fragen-und-antworten-zur-halbierungsinitiative-so-funktioniert-roestis-plan-fuer-tiefere-srg-gebuehren-935068662902; 8.11.2023].

Bundesamt für Kommunikation (2023): Bundesrat lehnt «SRG-Initiative» ab, Radio- und Fernsehabgabe soll aber sinken. In: Admin.ch. [https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-98495.html; 10.11.2023].

Fontana, Katharina (2023): Halbierungsinitiative: Bundesrat Will SRG-Gebühren Auf 300 Franken Senken. In: Neue Zürcher Zeitung. [https://www.nzz.ch/schweiz/roesti-und-die-srg-gebuehren-ld.1764647; 8.11.2023].

Lüthi, Nick (2023): SRG: «Jetzt ist es keine Halbierungsinitiative mehr». In: Persoenlich.com. [https://www.persoenlich.com/medien/jetzt-ist-es-keine-halbierungsinitiative-mehr; 10.11.2023].

nil (2023): SRG: Für Den Bundesrat Sind 300 Franken Genug. In: Persoenlich.com. [https://www.persoenlich.com/medien/fur-den-bundesrat-sind-300-franken-genug; 8.11.2023].

obe Massiver Stellenabbau: Das Medienhaus CH Media Streicht 150 Vollzeitstellen. In: Neue Zürcher Zeitung. [https://www.nzz.ch/schweiz/150-vollzeitstellen-gestrichen-das-medienhaus-ch-media-kuendigt-stellenabbau-an-ld.1764685; 8.11.2023].

SRG (2023): Finanzausgleich. In: SRG. [https://www.srgssr.ch/de/wer-wir-sind/mittel/finanzausgleich; 10.11.2023].

wid (2023): SRG: Was Befürworter und Gegner zum Entscheid sagen. In: Persoenlich.com. [https://www.persoenlich.com/medien/was-befurworter-und-gegner-zum-entscheid-sagen; 8.11.2023].

24 Kommentare zu "SRG: Der Bundesrat zäumt das Pferd vom Schwanz auf"

  1. Hier zeigt sich wieder einmal, dass es von allem zwei Ansichten mit guten Gründen gibt. Ich bin bei allen obgenannten Argumenten gegenteiliger Ansicht. Die beredten Verteidiger des «SRF-Schlaraffenlandes» sind in heller Auffuhr, weil der (gesamt) Bundesrat via BR Albert Rösti letzte Woche verlauten liess, die SRG-Medien-Zwangsgebühren von 335.- auf 300.- zu senken. Für Privathaushalte (egal, ob darin 4 Personen wohnen oder wie bei meinem Sohn nur eine Person in der Dachkammer….). Bei Firmen, welche auch Gebührengelder abliefern müssen (obwohl ohne SRF-Gebrauch, da ich Dachdecker bei siedender Sonne oder bitterkalten Minusgraden noch nie den «Kulturplatz» sehen sah) siehts natürlich nochmals wesentlich anders (höher) aus. 35 Fr. weniger (aber erst ab 2027) sind pro Haushalt ein kleiner Betrag, aber wenigstens überhaupt eine (wenn auch kleine) Entlastung fürs Haushaltsbudget, jetzt wo alles andere, aber wirklich alles spürbar teuer wird.
    Am lautesten klönt die SRG darüber, wie einschneidend das sei. Verschwiegen wird aber die stetige Zunahme unserer Wohnbevölkerung und dadurch das Vorhandensein immer mehr Haushalte. Auch die der Deutschen Sprache nicht mächtigen Flüchtenden zahlen ab dem 1. Tag SERAFE-Gebühr (natürlich nicht aus dem eigenen Sack, die Steuerzahler übernehmen dies), obwohl diese natürlich alles andere zu tun haben nach der Grenzüberquerung wie die Sichtung des «Literaturclubs», welcher sich tiefenpsychologisch mit den neuesten deutschsprachigen Büchern auseinandersetzt. Dies alles lässt die Zwangsgebühren-Honigtopf-Quelle immer kräftiger sprudeln aber trotzdem den so unstillbaren Hunger des SRG-Molochs noch immer nicht bändigen.
    Die SRG bekam 2022 rund 1,231 Milliarden Franken Gebührengelder. Mit den Werbeeinnahmen verfügt sie über ein Budget von über 1,5 Milliarden Franken. Es fällt schwer zu glauben, dass jeder dieser 1,5 Milliarden Franken unverzichtbar ist. Und noch schwerer wird es sein, dies dem Angestellten, Arbeiter, aber auch den KMU weise zu machen.
    Die «Halbierungs-Initiative» (der Medien-Zwangsgebühren), welche zustande kam und 2026 vors Stimmvolk kommt ist somit keine «Halbierungs-Initiative» mehr (denn die Hälfte von 300.- wären 150.-), sondern segelt mit dem griffigen Untertitel «200 Fr sind genug» auf der Erfolgswelle weiter. Ein Rückzug, so finde ich, wäre ein Fehler, denn nicht 300.-, sondern eben 200 Fr. sind (mehr) als genug – empfinde ich. Ich sowie die Initianten dieser «Normalisierungs-Initiative» sind für den Service public. Aber was die SRG heute alles macht, hat nichts mehr damit zu tun, da sie zuviel macht, was nicht zum Service public gehört.
    Auch dass durch eine kleine Schmälerung der Gebührengelder (die eindrücklichen Zahlen dazu = siehe oben) Stellen gefährdet seien, stimmt nicht. Langfristig hat nur eine schlankere SRG Erfolg und sichert somit ihre Arbeitsplätze. UND auch Tamedia und CH Media müssten weniger Personal entlassen, wenn die SRG nicht so dominant wäre. Die Medienvielfalt und deren vielen Arbeitsplätze in den Kantonen draussen ist bedroht durch die SRG und ihre ausgedehnten Aktivitäten in jeglichen Medien-Disziplinen (Online, Linear, Internet-Seiten, You-Tube, Social-Media und und und). Das Gegenteil ist also der Fall, denn wenn man mit Vertretern von privaten Medien redet, dann hört man immer wieder, dass ihnen vor allem die ausufernden Online-Aktivitäten ein Dorn im Auge sind. Das hat nichts mehr mit Service public zu tun. Die SRG kann das ruhig machen, soll es aber selbst finanzieren.
    Die Gebührensenkung des Bundesrates (und natürlich auch die «200 Fr sind genug»-Initiative) haben noch etwas weiteres Gutes. Endlich wird wohl eine Debatte über den Service public geführt. Auf der Strasse und auch im Parlament. Die hatte uns Doris Leuthard 2015 versprochen. Bis heute ist aber nichts geschehen. Nun kommt Wind ins Getriebe, nun wäre der richtige Moment dafür.
    Sparpotential ist vorhanden: Dass der SRG-General Gilles Marchand auf 534000 Franken Jahreslohn kommt, ist bekannt. (Ja, es ist mehr als ein Bundesrat erhält!) Nathalie Wappler, die Direktorin des Deutschschweizer Radios und Fernsehens, macht es für 450000 Franken. Und sogar bei Pascal Crittin, dem Leiter des kleinen Westschweizer Kanals, sind es 400000 Franken Jahreslohn.
    Lohnmässig geht es weiter: Gemäss Angaben auf der HP hat SRF knapp 7000 Beschäftigte. Auf der Jahresrechnung 2022 werden dafür 810’034’000.- Franken Lohnkosten ausgewiesen (+27’025’000.- gegenüber 2021). Das entspricht ca. CHF 115’720.- durchschnittlichem Jahreslohn.
    Aber halt: weiter unten in der Jahresrechnung erfährt man: total entspricht das 5’518 Vollzeitstellen – demnach wird eine 100% Stelle mit 146’798.50 vergütet. Baron-Löhne. So lässt es sich auch bei Teilzeit-Beschäftigung noch «fürstlich» leben; was so sich bei SRF natürlich auch viele machen und leisten (können)…..
    Ganz hellhörig werde ich beim Satz: «Wir halten die Schweiz zusammen». Dieser Spruch masste sich bei jeder Wahl die «DieMitte/CVP» Partei an. Welche Anmassung! Im Gegenzug müsste ja dann vermelden: Ohne «DieMitte/CVP»-Partei fiele die CH auseinander, die Tessiner gingen wohl auf die Deutschschweizer los und die Jurassier errichteten im Birstal neue Panzersperren…. Arme Schweiz, wenn dies alles an der CVP hinge….
    So ist es gottlob nicht – und auch ohne SRG würde die CH nicht untergehen. Auch da wäre das Gegenteil der Fall.
    (Nur noch) Die Anhänger von SRF sehen darin eine Stütze der Vielfalt und der Demokratie. Das Schaffen von SRF ist alles andere als «Zusammenhaltend», es spaltet die Gesellschaft immer wie mehr. Z.B. mit dem demokratischen Wahlsieg der SVP am 22. Oktober hatte Moderator Sandro Brotz seine liebe Mühe. Dafür bekam Wahlverlierer Balthasar Glättli (Grüne) eine umso grössere Bühne.
    So geht halt nicht zusammenführender, ehrlicher, demokratischer Journalismus. Im Sommer machte «SRF Meteo» klimapropagadistische Hitzewarnungen, in dem «SRF» die Temperaturen ausländischer Messstationen systematisch zu hoch angab (Kalküle SRF-Klima-Wahl-Hysterie-Propaganda). Einem gesunden Zusammenhalt/Demokratie abträglich ist auch die selektive Einladungspolitik der SRG, wenn etwa ein Andreas Glarner in einem «Club» über den Genderhype fehlt, zu dem er überhaupt erst den Anlass lieferte.
    Wenn über einen Weltwoche-Artikel im «Club» diskutiert wird, aber dessen Verfasser (Kurt W. Zimmermann) ausgeladen wurde. Wenn in einer «Arena» Roger Köppel quasi «Auftrittsverbot hat»….. demokratisch-zusammenhaltender geht es wohl nicht mehr…
    In einem SRF-Livestream rappen zwei Musiker: «Fuck uf d Esther Friedli» vor ihrer Wahl um den St. Galler Ständeratssitz. Ihre SP-Konkurentin Barbara Gysin jedoch wurde von SRF gehätschelt. So geht es natürlich nicht. SRF-Entschuldigung? Fehlanzeige: Man zeigt sich gelassen und verweist auf die «künstlerische Freiheit».
    In einem Jahresrückblick vergleicht Moderator Patrick Karpiczenko ein SVP-Umzug mit einer «Nazi-Parade». Entschuldigung gegenüber der wählerstärksten Partei und deren Wähler (Zwangs-Gebühren-Zahlende)? Nein – man verweist bei SRF auf die «satirische Freiheit».
    In einem der «gefühlten 666 SRF-You-Tube-Formate», dem «Studio 404» will man dem Rechtsrutsch im Schweizer Parlament nachgehen. Deshalb schickte man die Crew des Comedy- und Reportageformates von SRF ans Ländlerfest in Appenzell. Dort sollen die SRF-Mitarbeitenden nichtsahnende Leute mit Fragen überrumpeln, die Klischees bestätigen sollen. Der Reporter rast durch den Ort Appenzell, sucht traditionell gekleidete Einwohner und konfrontierte sie mit Themen wie Gender, Frauenstimmrecht in der Hoffnung, möglichst beschränkte Antworten zu erhalten.
    Die Schlüsselszene: Eine Dame findet, die Einführung des Frauenstimmrechtes sei sehr gut gewesen, das beweise ja die Entwicklung von Appenzell Innerrhoden. Solche Antworten will der SRF-Mann natürlich nicht hören, sie müssen ja «beschränkt» sein; und die Dame fügt dem sichtlich keine-Ahnung-habenden SRF-Mann noch hinzu: dies sehe man ja, wie sich Appenzell vom Arme-Leute-Kanton zum Wirtschaftsbooster entwickelte. Man muss eben keine Ahnung haben oder sich gar nicht vorbereiten, wenn es nur darum geht, Vorurteile zu bestätigen wollen.
    Einfach nur fies. SRF-fies.
    Mit solchen Formaten punktet die SRG im ländlichen Raum kaum. Aber vielleicht fand es ein versiffter Stadt-Hipster im Zürcher Kreis 4 ja lustig, dass die Landbevölkerung auf SRF präsentiert wir wie ein Zoo mit exotischen Tieren.
    Hoffe, meine Zeilen zeigten die andere Sicht in/um/rund/über den exzessiven Medien-Konzern SRF auf und trugen informativ viel Zusätzliches zur allgemeinen Meinungsbildung über diesen Themenbereich bei.

  2. Tut mir leid, Herr Zweidler, es geht wirklich nur andersherum: Erst über die Anforderungen an und die Rolle der SRG nachdenken und diskutieren. Also über SRF, RTS, RSI und RTR und ihre jeweiligen Aufgaben. Es gibt überall verschiedene Bedürfnisse und Ansprüche, natürlich auch innerhalb der Deutschschweiz. Und danach, wirklich erst danach kann über Ihre – in meinen Augen schon recht merkwürdigen – „Berechnungen“ diskutiert werden. Lieber Matthias, vielen Dank für diesen Elementarkurs in – ja, ganz einfach: Staatsbürgerkunde!

  3. Vielen Dank für den Kommentar und die Darstellung von Fakten betreffend der starken Umverteilung von Einnahmen. Die SRG/SRF/Radion DRS, TSI sind ein wichtiger Bestandteil der Schweiz – keine Frage. Aber auch keine heiligen Kühe. Nach welchen Kriterien man die Höhe der Gebühren festlegt ist keine einfache Sache und aktuell stark politisiert.

    Wenn man das Ganze in den Kontext der fundamentalen Umwälzung der Medienlandschaft stellt, dann darf man die Frage nach der Zahlungsbereitschaft von Konsumenten und des Bundesrates nicht ignorieren.

    Herr Wanner baut knapp 10% einer Belegschaft ab (CH-Media), weil die Einnahmen zurückgehen. Er stellt sich somit dem Markt und trifft Massnahmen, um als Unternehmen langfristig erfolgreich zu sein und zu überleben. Diesem Markt darf sich dir SRG nicht entziehen.

    Wie kann die Führungsriege von SRG/SRF/Radio sich diesen Markgegebenheiten stärker stellen. Wie kann der oberste Chef, Herr Cina, seiner Verantwortung besser nachkommen und die Produkte noch besser auf die Bedürfnissen der Konsumenten ausrichten?

    Die Frage nach der Höhe der Gebühren ist wichtig. Eine Senkung um rund 10% sollte man verkraften können. Das Fazit des Kommentars von M. Zehnder muss man ernst nehmen. Die Diskussion über Inhalte, d.h. wofür man zahlt ist wichtig. Dass die Schweiz eine eigenständige Medienlandschaft, inkl. SRG, SRF, DRS, TSI, etc. hat, ist wichtig. Die Schweiz ist ein multikulturelles Land mit vier Landessprachen. Dass wir in Frieden zusammen leben hat Vorbildcharakter. Die Medien tragen einen wichtigen Beitrag dazu bei. Und das darf auch etwas kosten. Ob ich nun 335 CHF oder 300 CHF zahle ist sekundär. Auf die Inhalte kommt es an.

    1. Für Sie mag es ja unwichtig sein, ob diese unsoziale Abgabe nun 200, 300 oder 335 CHF per annum kostet. Für viele Armutsbetroffene und Selbstständige aber, die von weniger als einem 1000er pro Monat leben, ist das ein grosser Kostenpunkt, wenn sie staatserzwungen fast einen Franken pro Tag für „Information“ abdrücken müssen. Das ist Systemprofiteuren wie Zehnder natürlich schnuppe.

      1. Wie ich in meinem Wochenkommentar geschrieben habe: Ich fände es sinnvoll, dass zum Beispiel die Gebühr der unteren 30 Einkommensprozent der Bevölkerung bezuschusst werden. Dafür müssen wir aber zuerst wissen, was das Land braucht. Wir streiten über die Finanzierung durch den Einzelnen, ohne vorher die Leistung und ihre Kosten zu definieren.
        Und ganz bei Gelegenheit sagen Sie mir dann gelegentlich, was ein «Systemprofiteur» ist.

        1. Brauchen wir wirklich noch so ein sinnbefreites System wie die Kranke-Kassen-Prämienverbilligung? Stattdessen schafft man besser die ganze Serafe-Bürokratie ab. Es gibt ja schon eine bereits installierte Inkassoinfrastruktur: die Steuerverwaltungen der Kantone. Da ist alles erfasst. — Für diese Änderung bräuchte es keine Diskussion über Leistungen, schon gar nicht wenn es sich um faktische Staatsmedien handelt, was allein schon daran ersichtlich ist, wie die Drehtüreffekte Richtung Verwaltungen perfekt funktionieren. Wer staatstreuen „Journalismus“ betreibt, der wird auch zum „Systemprofiteur“. Wer den Mächtigen nicht in den Kram passt, dem wird diese Gunst natürlich versagt. Ungenügende Systemkonformität = keine Aufträge mehr und erst recht keinen Arbeitsvertrag bei Bund oder Kantonen. So einfach ist das.

  4. Alle Medienhäuser sollten sich von Geldern der Abhängigkeiten total befreien. Dann würden sie ihre Beiträge in echten Wahrheiten nach mehren Perspektiven von der Sache her und nicht ideologisch mit Parteifarben gestalten. Damit könnten die dauernden Desinformationen bzw. Instrumentalisierungen vermieden und die Beurteilungen und Entscheide den Konsumenten (Leser und Hörer) überlassen werden.

    1. Im Nutzermarkt sind und bleiben die Medien immer von den Nutzern abhängig, im Werbemarkt immer von den Werbekunden – diese Abhängigkeiten bleiben. Auch das öffentlich-rechtliche Angebot ist im Nutzermarkt vom Erfolg abhängig. Würde es an den Nutzern vorbeisenden, hätte es sehr schnell Rechtfertigungsprobleme…

  5. Manchmal hilft Ironie beim Schreiben eines Kommentars. Wenn wir der Sichtweise zur medialen Landesverteidigung zustimmen, dann lässt sich die Finanzierung sehr viel einfacher regeln:

    (Ironie on):
    Schritt 1: Bundesrat und Parlament beschliessen über die Landesverteidigung (mediale) und Erstellen dazu das Budget zur Landesverteidigung (mediale).

    Schritt 2: Das Budget wird vom Parlament jährlich genehmigt. Bezahlt wird es aus der Bundeskasse und somit vom Steuerzahler. Wegen 1,x Mrd. so viel Aufhebens zu machen und sogar eine landesweite Inkasso-Firma zu beauftragen ist doch ineffizient.

    In Landesverteidigungsfragen sind wir geübt, denn wir machen es jährlich für das Rüstungsbudget zur Aufrechterhaltung der zukünftigen Landesverteidigung.

    Man könnte noch einen Schritt weiter gehen und mediale und militärische Landesverteidung zusammenlegen. Bundesrätin Viola Amherd (Die Mitte) könnte das sicher jonglieren. (Ironie off).

    Vergleiche dazu auch den Kommentar von Bettoli.

    1. Weitgehend einverstanden. Bloss dürfte die Politik nicht so direkt auf das Budget Einfluss nehmen. Erinnern Sie sich noch an den Skandal rund um den Künstler Thomas Hirschhorn in Paris? Weil die SVP sich beleidigt fühlte, hat sie 2004 der Pro Helvetia eine Million Franken aus dem Budget gestrichen. Es geht nicht um die Qualität der Kunstaktion, sondern um die direkte Reaktion darauf. Das Budget müsste so festgezurrt sein, dass es sich geglättet nach externen Faktoren richtet (Prozent des BIP wie bei den Militärausgaben in der Nato, Festbetrag aufgrund Einwohnerzahl mit Teuerungsausgleich, was weiss ich).

  6. In der Diskussion scheinen die Radiosender der SRG etwas in Vergessenheit zu geraten. So möchte ich auch als Radiohörer z.B. auf Sendungen wie das „Echo der Zeit“ nicht verzichten müssen und zahle gern weiterhin die 335 Franken.

    1. Da haben Sie recht, die Radioangebote, insbesondere die Informationsangebote, sind kaum bestritten. Mir ist dabei wichtig, dass wir uns von den persönlichen Nutzungsgewohnheiten und dem eigenen Geschmack lösen und die Perspektive des Landes als Ganzes einnehmen. Ich persönlich schaue nie TV, ich habe nicht einmal ein TV-Gerät, ich nutze SRF nur in der App und vor allem die Radioangebote als Podcasts. Es ist wie beio den Landwirtschaftssubventionen: Wenn ich nur von meinen Essensgewohnheiten ausgehen würde, bräuchte es kaum Subventionen. Für das Land sind sie (in welcher Form auch immer) aber wichtig, von der Landschaftspflege über die Ernährungssicherheit bis zum Umweltschutz. Wir sollten die Medienempfangsgebühr, wie die Landwirtschaftssubventionen, nicht mehr aus Konsumentensicht betrachten, sondern aus Landessicht.

  7. Obwohl ich meine Information aus der Tageszeitung und ausgewählten Internetseiten wie dieser beziehe und kaum SRG Radio und Fernsehen konsumiere, bin ich gern bereit, die Gebühren zu bezahlen. Ich stimme mit Matthias Zehnder überein, dass Schweiz-spezifische Sendungen nicht nur aus staatsbürgerlicher Sicht wichtig sind, sondern eben auch das Gemeinsame der verschiedenen Kulturregionen der Schweiz vermitteln. Ebenso wichtig erscheint mir eine journalistisch hochstehende Berichterstattung. In Zeiten des Umbruchs der Medienlandschaft, und der ‚alternativen Realitäten‘ in sozialen Medien, ist sachliche Information von zentraler Bedeutung für eine funktionierende Demokratie. Vor allem rechtspopulistische Kreise stufen schnell als links ein, was nicht ihrer Sicht entspricht, also oft auch sachliche Berichterstattung. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die SRG sich um faktische Objektivität bemüht und nicht einer falschen Mitte zwischen Links und Rechts aufsitzt. Ich habe einen grossen Teil meines Lebens in den USA verbracht und weiss aus erster Hand, wie einseitig politische Medien die stärkste Demokratie an ihre Grenzen bringen können.

  8. Weil ich als Weltbürger, der in der Schweiz geboren ist und lebt, von einem gigantischen Reichtum profitiere, der auf Kosten von andern auf der Welt und unserer aller Umwelt geht, habe ich ein fundamental schlechtes Gewissen. Meine Versuche, andern Mitverantwortlichen diese bodenlose Ungerechtigkeit bewusst und für ihr Handeln relevant werden zu lassen, schlagen in der Regel kläglich fehl. Ob aus Dummheit, Gemeinheit, Gleichgültigkeit oder Schlauheit: Eine Mehrheit will offensichtlich schlicht und einfach nicht wissen, was sie nicht wissen will. Unter anderem wahrscheinlich deshalb nicht, um eine sogenannte kognitive Dissonanz zu vermeiden, die unabdingbar zu einem andern Handeln verpflichtet. Eine SRG, die eine solche verlogene Schweiz zusammenhalten soll, ist – koste es was es wolle – nicht mein Ding. Und dies auch dann nicht, wenn ich damit in einer 1-Prozent-Minderheit bin.

  9. Ich verstehe schon, dass man bei Gebühren mit deren Höhe argumentiert und mit der empfangenen Leistung vergleicht. Aber: Es handelt sich gar nicht um eine Gebühr (=Entgelt für eine staatliche Leistung), sondern um eine Steuer. Denn sie ist nun allgemein geschuldet, auch mit dem Nachweis, dass jemand gar kein Empfangsgerät besitzt. Es befremdet mich deshalb, dass der Bundesrat von Gebühr spricht – das ist juristisch schlicht falsch.
    Ich stimme Matthias Zehnder sehr zu, dass zuerst die Leistung definiert werden muss. Für m.W. fast alle Leistungen öffentlicher Unternehmen (wie Post, SBB, Spitäler etc.) werden auf demokratischem Weg Leistungsaufträge definiert und mit einem entsprechenden Entgelt versehen. Ich sehe sachlich keinen Grund, weshalb dieser Weg nicht auch für eine ausgewogene mediale Versorgung der Schweiz durch die SRG – und ebenso durch lokale Medien – beschritten wird. Dann könnte auf die „Gebühr“ und ihre ganze Administrationsmaschinerie verzichtet werden (Stichwort: sinnlose Tätigkeiten bei Fachkräftemangel?!?). Eine geringfügige Erhöhung der MWST würde ausreichen. Aber natürlich: Das Wort „Steuer“ ist „böse“ und muss unbedingt vermieden werden, wenn „man“ wieder gewählt werden will…

  10. Leider muss ich Ueli Keller weitgehend zustimmen in Bezug auf unser privilegiertes Leben auf Kosten anderer.
    In meinem Kommentar ging’s nicht so sehr um die inhaltliche Qualität der SRG Sendungen – da gibts sicher Luft nach oben – sondern um den Beitrag zum Zusammenhalt unseres multikulturellen Landes. Weltweit aufflammende ethnische, machtpolitische, religiös-weltanschauliche Konflikte machen bewusst, dass unser relativ friedliches Miteinander alles andere als selbstverständlich ist. Und um dieses zu erhalten, begrüsse ich jeden Beitrag dazu. Die SRG zu schrumpfen scheint mir nicht zielführend. Sie zu einem noch besseren Instrument fundierter Information und Verständigung zu machen ist nicht nur Sache der Politik, sondern auch des Publikums, das mit seinen Hör- und Sehgewohnheiten mitbestimmt, was gesendet wird.

    1. OK – lieber Herr Fischer. Können SIE dann meine Serafe-Gebühr übernehmen? Und die meines Sohnes in der Dachkammer? Und auch die meiner Mutter, die kaum noch hört auch? (Dann wären wir zusammen beim lockeren Sümmchen von 1005 Fr. – einfach mal so zwischendurch…)
      Und wenn wir schon dran sind: Jene der jungen alleinerziehenden Mutter doch auch grad, welche die Nächte durchmacht ob dem Schreien ihres Kleinkindes. Und dem Putzmann seine Gebühr, welcher in der Pratteler Industrie reinigt bis zum Umfallen und abends in des Shisha-Bar alles macht – nur nicht SRF gucken. Und die Gebühr der Moschee an der Basler Elsässerstrasse, wo in wehenden weisser Kleidung Männer mit Turban sich zum allabendlichen Gebet versammeln (ohne DRS…), der Kebap-Salon in Birsfelden, der so stolz ist und via Internet laute Klänge aus der Heimat erschallen lässt….
      Mein Gott – die Welt ändert sich – in allem – und wie – da muss man schon mal über die Bücher, auch wenn der SRG-Elfenbeinturm einen kleinen Kratzer erhält….

      1. Hallo Herr Zweidler, einmal mehr: Bitte keine Fehlinformationen verbreiten.
        1) Bezüger von Ergänzungsleistungen des Bundes zur AHV und IV sind von der Haushaltabgabe befreit.
        2) Haushalte ohne Geräte zum Empfang von Radio- oder Fernsehprogrammen werden auf Gesuch hin von der Abgabe befreit.
        3) Firmen zahlen die Gebühr, wenn sie MWSt.-pflichtig sind und mehr als 1/2 Mio Fr. Umsatz im Jahr machen.
        Heisst: Moschee zahlt nicht, Kebab-Stand vermutlich auch nicht, Sohn in Dachkammer zahlt nicht, so lange er zu Ihrem Haushalt gehört, Mutter zahlt je nach Einkommensverhältnissen und Geräteausstattung auch nicht.
        Und wenn Sie meinen Wochenkommentar gelesen und nicht einfach Ihre Anti-SRG-Prooaganda dazugestellt hätten, dann hätten Sie das gelesen: «Wenn klar ist, was das Land braucht, lässt sich berechnen, was es kostet. Und dann, erst dann, können wir über die Finanzierung reden. Dann lässt sich auch ohne ständigen Streit über Folgen für die SRG und die Privatfernsehstationen darüber diskutieren, wie hoch eine Medienempfangsgebühr sein soll und ob die Leistung der SRG wirklich nur daraus finanziert werden muss. Denkbar wäre ja auch, dass der Bund oder die Kantone die Empfangsgebühren im Sinne einer medialen Landesverteidigung bezuschussen und Menschen mit tiefen Einkommen entlasten.»

        1. Deswegen gibt es aber immer noch viele auf dem Existenzminimum Lebende, für die diese 335 CHF p.a. eine Belastung sind, die sie nicht (so wie Sie mutmasslich) aus dem Portokässeli zahlen. Dafür arbeite ich beispielsweise mehr als eine Woche. Und was die Haushaltsdefinition betrifft: Sobald man dummerweise zwei Küchen eingebaut betrachtet das BfS ein Haus als MFH, d.h. mit zwei Wohnungen. Hat man die Definitionshoheit darüber, wer zum Haushalt gehört oder nicht? Ich sage, nein hat man nicht, s. oben. Ist die Familie auf dem EWID der einen Wohnung gemeldet, dann kann die Dachkammer auch zur anderen gehören, d.h. Sohn zahlt. Wenn Sie das Gegenteil behaupten, Herr Zehnder, dann müssen Sie schon Judikatur beibringen, die Ihre Position beweist. — Recht gebe ich Ihnen beim Punkt, dass die ressourcenverschlingende Serafe-Bürokratie abgeschafft werden kann und man die geistige Landesverteidigung aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt werden sollte. Die Infrastruktur zur Erhebung gibt es ja. Das sollte dann aber mit einem hohen Vermögensfreibetrag versehen werden, weil sonst Kleinverdiener und Rentner in selbstbewohnter eigener Ìmmobilie über Gebühr zur Kasse gebeten werden.

    2. Geschätzter Rätus Fischer, Ihre Übereinstimmung, was die Schweiz als Profiteur betrifft, ist für mich eine leider immer noch seltene Erfahrung. Und wie Sie, sehe ich welt- und auch schweizweit einen dringenden Bedarf für Gemeinschaftsbildung. – Wir leben in turbulenten Zeiten. Was wir heute draussen in der Welt sehen, sind Systeme, die über Jahrhunderte Bestand hatten und jetzt am kaputt gehen sind. Dies verbunden mit Veränderungen, die Angst machen können und bewirken, dass viele Menschen sich innerlich zurückziehen und auf bessere Zeiten warten (siehe dazu „Es werde Licht!“: https://zeitpunkt.ch/index.php/es-werde-licht-0). Und es sind auch Veränderungen, die kommen mussten. Denn eines ist klar: weiter gehen wie bisher, kann es unmöglich. Dieses auf ständiges Wachstum angewiesene, auf Aggression und Ausbeutung aufgebaute System ist final am Ausbrennen. Eine solche Sichtweise, und welche extrem dringlichen Handlungsoptionen sich damit ergeben, nehme ich weder bei den Parteien von links über die Mitte bis rechts, noch bei den Massenmedien à la SRF wahr. Sie bestärken damit absichtlich oder fahrlässig eine Mehrheit im Glauben, dass sowohl in der grossen Welt als auch in der kleinen Schweiz im Prinzip alles so weiter gehen kann wie bisher.

  11. Lieber Herr Zweidler, auch ich bin nicht auf Rosen gebettet, aber die 300 oder so Franken liegen noch drin. Ich wünschte aber, dass die SRG-Gebühren (oder Steuer) den finanziellen Möglichkeiten der Haushalte angepasst werden. Das würde wahrscheinlich einen Systemwechsel von Gebühren zu Steuern erfordern. Dass ich als weitgehender SRG-Abstinent zu zahlen bereit bin, sehe ich als Beitrag zu unserem multikulturellen und direktdemokratischen Staat, und nicht als Bezahlung für meinen individuellen Medienkonsum.

  12. Glaubwürdigkeit leidet

    Ohne inhaltlich auf die «Halbierungs-Initiative» und namentlich auf diesen Kommentar einzugehen, möchte ich doch Folgendes zum Ausdruck bringen: Ob der Bundesrat das Pferd nun falsch aufzäumt oder nicht, ist nicht relevant. Tatsache ist, dass es die SRG seit der NoBillag-Abstimmung versäumt hat, eine landesweite Grundsatzdebatte über das gebührenbezahlte Medienunternehmen bzw. den medialen Service public anzustossen. Es scheint, dass das obere Kader SRG /SRF halt noch immer zu sehr mit sich selber beschäftigt ist. Doch was mich noch vielmehr stört ist, dass Kommentator Matthias Zehnder auf dem offiziellen Newsletter der SRG Region Basel Platz und Gelegenheit bekommt, für seine private «Hors Sol-Schreibstube» Spendengelder zu akquirieren. Gerade die SRG sollte von derartigen Aktionen Abstand nehmen, sonst leidet ihre Glaubwürdigkeit.

    Paul Dalcher, Pratteln

    1. Lieber Paul

      Vielen Dank für Deine kritische Rückmeldung. Schade, dass Du meinen Text nicht gelesen hast. Es geht darin genau darum, dass das Land eine Grundsatzdebatte über den medialen Service public braucht, bevor es den Preis dafür festlegen kann. Der guten Ordnung halber kann ich Dir noch versichern, dass ich keine Werbung auf dem SRG-Newletter geschaltet habe. Ich wurde gefragt, ob die SRG einen Link auf meinen Beitrag setzen darf. Freut mich natürlich. Als selbstständiger Publizist bin ich für jede Empfehlung dankbar.
      Grüsse aus der «Hors Sol-Schreibstube» …

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