Das Dan-Brown-Syndrom: Freimaurerei und Verschwörungstheorien
Warum sind die Bücher von Dan Brown so erfolgreich? Welche Rolle spielten Freimaurer bei der Gründung des Schweizer Bundesstaates? Steckt dahinter eine freimaurerische Verschwörung? Warum werden Freimaurer so oft mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht? Welche Rolle spielen dabei die Medien?
Das waren die Themen einer Podiumsdiskussion im Bernischen Historischen Museum, an der ich am Donnerstag, 6. Juli, auf Einladung des Museums teilgenommen habe. Mit mir diskutierten Dr. Dieter Sträuli von InfoSekta, der Zürcher Soziologe Prof. Dr. Peter-Ulrich Merz-Benz und Dr. Lukas Weber von der Berner Freimaurerloge zur Hoffnung. Moderiert hat Dr. Pierre Walther.
Meine Diskussionsbeiträge drehten sich im Wesentlichen um folgende Themen:
Das Dan Brown-Syndrom: Vermutlich sind die Bücher von Dan Brown so erfolgreich, weil sie mit dem Geheimnis im Bekannten spielen. Die Mona Lisa kennt jeder – aber niemand konnte bis jetzt das Geheimnis ihres Lächelns ergründen. Das Capitol in Washington kennt (zumindest aus den Fernsehnachrichten) jeder. Viele wissen auch, dass George Washington ein Freimaurer war. Am Gebäude finden sich viele freimaurerische Symbole. Das muss doch einen tieferen, einen geheimnisvollen Sinn haben. Dan Brown spielt mit unserem Bedürfnis, den Sinn in der Welt zu finden.
Das Geheimnis: Die Bedeutung nur für einen kleinen Personenkreis bestimmtes Wissen, Unerklärbares, Undeutbares hat das Wort erst etwa seit dem 19. Jahrhundert. geheim bedeutete ursprünglich zum Haus, zum Heim gehörig, vertraut. Der Geheimrat (zum Beispiel Goethe) war nicht ein Teil des Geheimdienstes und es war auch kein Geheimis, dass er Rat war, der Geheimrat war der vertraute Rat – wobei vertraut eben auch bedeutet, dass dem Rat Geheimnisse des Staates anvertraut werden können. Das Geheimnis ist also etwas, was zum Heim gehört, was die zugehörigen teilen und was sie von denen, die nicht dazugehören, unterscheiden. Denen, die nicht dazugehören, ist dieses Geheime oft unheimlich, weil sie es nicht verstehen. Von Aussen gesehen sind den meisten Menschen die Riten und Bräuche der Freimaurer unheimlich. Sie sind ein Geheimnis, Aussenstehende verstehen sie nicht. Eigentlich ist das aber nicht eine Aussage über die Riten, sondern über die Gefühle der Aussenstehenden. Genauso erging es wohl den Römern, die mit den ersten Christen zu tun hatten. Die tranken das Blut ihres Gottes und verehrten Bilder eines Menschen, der gefoltert wird – seltsame Sache.
Geheimnis hat weniger mit Wissen als mit Dazugehören zu tun. Es gibt Dinge, die ich weiss (von denen ich Kenntnis habe), die ich aber nicht verstehe (zum Beispiel die Relativitätstheorie) und es gibt Dinge, die ich verstehe, die ich aber nicht weiss (von denen ich nicht weiss, ob sie zutreffen), zum Beispiel die Liebe.
Der aufgeklärten Gesellschaft sind Geheimnisse ein Gereul. Sie versucht, sie mit dem Licht der Information auszuleuchten. Es gibt aber Geheimnisse, die ich ausleuchten kann, wie ich will, sie bleiben Geheimnisse. Etwa die Mutterliebe. Der Lebensfunke. Das Lächeln einer schönen Frau (zum Beispiel der Mona Lisa). Der Erfolg von Dan Brown ist Ausdruck der Sehnsucht nach Wissen über Geheimnisse.
Die Freimaurer: Bevor ich die Ausstellung im Bernischen Historischen Museum besuchte, wusste ich zwar einiges über die Freimaurer und kannte wohl wichtige Freimaurer wie Goethe und Mozart, Churchill und Friedrich II., ich hatte aber noch nie einen Freimaurer-Tempel von innen gesehen. Genau das ist in der Berner Ausstellung möglich. In der Ausstellung ist der Tempel der Berner Loge zur Hoffnung originalgetreu nachgebaut. Die Erkenntnis: Ein schöner, fremder Raum mit bizarren Gegenständen und Symbolen. Freimaurer Lukas Weber erklärte während der Diskussion: Das Geheimnis der Freimaurer beziehe sich nicht auf Gegenstände, Symbole und Riten, sondern darauf, was im Menschen dabei passiere. Das sei privat, ein inneres Erlebnis und deshalb ein Geheimnis. Bei Lichte besehen ist das nichts Anderes als das mysterium fidei, das Geheimnis des Glaubens, das Mysterium bleiben muss, weil die empfundene Gegenwart einer Gottheit tiefer und höher reicht, als Worte reichen können.
Die Verschwörungstheorien: Warum haben Verschwörungstheorien im Zeitalter von Internet und Datentransparenz Aufwind? Vielleicht gerade deshalb. Wir leben im Zeitalter der Transparenz, wir kennen unseren Herzschlag beim Schlafen und die Zahl der verbrauchten Kalorien, unser Verhalten wird digital durchleuchtet, jeder politische Entscheid und jedes Protokoll sind transparent offengelegt. Und doch können wir uns die Welt manchmal nicht erklären. Es gibt ganz offensichtlich einen Unterschied zwischen Wissen und Verstehen. Wir haben viele Daten – das heisst aber nicht, dass wir aus den Daten ein verständliches Bild zeichnen können. Das macht uns paradoxerweise gerade im Zeitalter der Datentransparenz anfällig auf Verschwörungstheorien, auf Erklärungsversuche, die mit Geheimnissen arbeiten und der Welt auf diese Weise ein wenig von ihrem Zauber zurückgeben.
Die Ausstellung im Bernischen Historischen Museum ist noch bis am 3. September zu sehen. Weitere Informationen finden Sie hier.