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Schweigendes Les Baux

Publiziert am 14. Juli 2021 von Matthias Zehnder

Ich gebe Ihnen jede Woche einen Lesetipp: ein Buch das ebenso intelligent wie unterhaltend ist.

Diese Woche:

«Schweigendes Les Baux» von Cay Rademacher.

Hier gibt es die ausführliche Fassung dieses Buchtipps auf Youtube:

Es ist Sommer – naja, wenigstens dem Kalender nach. Wir alle haben dringend Ferien nötig, Reisen aber ist nach wie vor nicht ganz einfach. Ich entführe Sie deshalb diesen Sommer mit einer Reihe von Buchtipps an Sehnsuchtsorte: Machen Sie mit mir wenigstens im Kopf Ferien mit Krimis, die in besonders schönen Gegenden spielen. Heute geht die Reise nach Les Baux-de-Provence.

Spektakulär: Les Baux-de-Provence liegt auf einem schroffen Kalkfelsen. © Boris Stroujko – stock.adobe.com

Les Baux-de-Provence liegt am Südhang der Alpilles, ziemlich genau in der Mitte des Dreiecks, das durch die drei Orte Avignon, Arles und Salon-de-Provence gebildet wird. Les Baux heisst nicht so, weil es besonders schön, also beau, wäre. Baux kommt vom provenzalischen Wort Baou und das heisst «schroffe Felsen». Und diese Felsen, das ist ein Berg aus Kalkstein, auf dem Les-Baux thront. 

Früher wurde dieser Kalkstein abgebaut: Wie in einem Bergwerk schnitten Arbeiter riesige Höhlen in den Kalkstein und filettierten den Fels. Heute befinden sich im ehemaligen Kalkbergwerk von Les Baux-de-Provence die Carrières de Lumières. Das ist eine Multimedia-Show im Berg: Zu passender Musk werden riesige Bilder auf die kalkweissen Wände projiziert. Gemälde, Portraits, Bilder von Künstlern wie van Gogh. 

Während einer solchen Show ist einer der Besucher umgebracht worden. Jemand muss von hinten an den Mann herangetreten sein und ihm den Hals aufgeschlitzt haben. Was heisst aufgeschlitzt – fast geköpft wurde der Mann. Capitaine Roger Blanc und seine Leute, die zum Mordopfer gerufen werden, sind entsetzt über die Brutalität des Mordes. 

Das ist die Ausgangslage im neuen Provence-Krimi rund um Capitaine Roger Blanc von Cay Rademacher. Der deutsche Journalist versteht es wie kein Zweiter, Wissenswertes und Spannendes miteinander zu verbinden. Capitaine Roger Blanc hat ursprünglich in Paris als Korruptionsermittler gearbeitet und wurde in die Provence strafversetzt. Er sieht die Region also, wie wir, mit den Augen eines Aussenseiters, eines Fremden, und muss sich viel erklären lassen. Davon profitieren wir Leser und erfahren viel über Land und Leute und Leben in der Provence. Und ganz nebenbei erzählt uns Cay Rademacher auch die spannende Geschichte eines Mordes, hinter dem mehr steckt, als die provenzalischen Flics auf den ersten Blick meinen.

Der Tote in den Carrières de Lumières ist fast ein Kollege der ermittelnden Polizisten: Es ist Patrick Ripert, ein Privatdetektiv aus Paris, der sich auf Ermittlungen rund um Kunstdiebstähle und Gemälde spezialisiert hat. Engagiert hat den Kunstermittler Charles Féraud, ein ehemaliger Werber aus Paris, der sich in der Provence niedergelassen hat und jetzt da Mandeln anbaut. Nebenbei erklärt er Capitaine Roger Blanc alles über den Mandelmarkt. Charles Féraud ist ein Bild der provenzalischen Malerin Adry Novoli  gestohlen worden. Die Künstlerin hat vor allem provenzalische Landschaften gemalt. Beim gestohlenen Bild handelt es sich aber um eines der wenigen Portraits, die Adry Novoli  gemalt hat. Es ist ein Bild, das Charles Féraud besonders gern gehabt hat. Deshalb hat er den Kunstermittler aus Paris engagiert.

Stellt sich die Frage, warum einem renommierten Kunstdetektiv aus Paris in der Provence die Kehle durchgeschnitten wird. Kann es sein, dass es dabei um ein Portraitbild einer Malerin ging, das höchstens ein paar Tausend Euro wert ist? Oder geht es um mehr? Capitaine Roger Blanc und sein Team stossen bald auf einen schrecklichen Mordfall, mit dem ihr Kunstdetektiv zu tun haben könnte: Sieben Jahre vorher hat Philippe Loubet de Bayle in Montmorillon seine Frau und seine drei Kinder ermordet und ist danach spurlos verschwunden. Der ermordete Kunstdetektiv stammt ursprünglich aus Montmorillon. Und die Frau von Philippe Loubet de Bayle hiess ledig mit Nachnamen gleich wie der Ermordete aus den Carrières de Lumières: Ripert. Das kann kein Zufall sein. 

Cay Rademacher mischt in seinem Roman über den Mord in der Provence gekonnt Fakten und Fiktion. Die Malerin Adry Novoli gibt es wirklich. Sie hat ganz in der Nähe von Rademacher gelebt. Auch den Familienmörder gibt es. Er heisst in Wirklichkeit Xavier Dupont de Ligonnès und hat 2011 seine ganze Familie ermordet. Das Verbrechen war präzise geplant, danach verschwand er. Wie im Roman führen seine letzten Spuren in die Provence.

Und auch die Mandelbäume gibt es in der Wirklichkeit. Bruno Féraud, der Sohn des Bestohlenen, erklärt im Buch Capitaine Roger Blanc, was es damit auf sich hat: 

«Sehen sie: nach dem Niedergang der Mandelproduktion in der Provence wurde Kalifornien zum grössten Herstellerland der Welt, Achtzig Prozent der globalen Ernte stammen aus diesem Staat. Aber dort verbrauchen manche Täler mit Mandelbäumen mehr Wasser als die Stadt Los Angeles insgesamt! Und seit 2010 wird Kalifornien von Trockenheit geplagt und von diesen schrecklichen Bränden… Das ist unsere Chance! Nein Vater hat das früh erkannt. Allerdings ist er nicht der einzige Punkt der ehemalige Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg hat zum Beispiel 2018 die Compagnie des Amandes gegründet. Wer will auf 2000 Hektar Mandeln anpflanzen Punkt dafür investiert er 50 Millionen Euro.» (S. 63)

Und sicher haben Sie es schon erraten: Auch Arnaud Montebourg existiert  – und er hat wirklich in Mandelbäume investiert. Cay Rademacher verknüpft so auf vergnügliche Weise Fakten, reale Orte, Personen und Ereignisse mit seiner spannenden und verzwickten Geschichte und ermöglicht damit wirklich eine Reise im Kopf in die Provence. Was will man mehr in diesem Sommer.

Cay Rademacher: Schweigendes Les Baux. Ein Provence-Krimi mit Capitaine Roger Blanc. DuMont Buchverlag, 416 Seiten, 23.90 Franken; ISBN 978-3-8321-8128-4

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783832181284

Weitere Buchtipps gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/video-buchtipp/

Basel, 14. Juli 2021, Matthias Zehnder

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