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Müller und die Schützenmatte

Publiziert am 15. April 2021 von Matthias Zehnder

Ich gebe Ihnen jede Woche einen Lesetipp: ein Buch das ebenso intelligent wie unterhaltend ist.

Diese Woche: «Müller und die Schützenmatte» von Raphael Zehnder.

Hier gibt es die ausführliche Fassung dieses Buchtipps auf Youtube:

Die Geschichte klingt uns Baslern nur zu vertraut: Sie dreht sich um eine Basler Fussballmannschaft, die nach einigen Erfolgen viele Fussballspiele verloren hat und in der Tabelle abgerutscht ist. Die Fans reagieren wütend und machen ihren Gefühlen in wüsten Sprayereien Luft. Als der Trainer der Mannschaft plötzlich verschwindet, fürchtet der Club deshalb, dass die Fans es nicht bei Zeichnungen belassen haben und schaltet die Polizei ein.

Das ist das Setting von «Müller und die Schützenmatte», dem neuen Kriminalroman von Raphael Zehnder. Er ist mit mir übrigens weder verbrüdert noch verschwägert: wir sind nicht verwandt.

Benedikt Müller ermittelt seit drei Kriminalromanen bei der Basler Kantonspolizei. Ihm wird der Fall von höchster Stelle und mit Nachdruck auf den Schreibtisch gelegt. Beim Fussballclub handelt es sich übrigens nicht um den FC Basel, auch wenn jede Ähnlichkeit sicher kein Zufall ist. Im Buch von Raphael Zehnder spielt in Basel ein zweiter Club in der höchsten Liga: der SC Basel, also der Sportclub Basel. Trainiert wird der Club von Torben Andersen, einem Deutschen aus der Nähe von Flensburg. Mit katastrophalem Resultat. 

Entsprechend sauer sind die Fans. Haben sie den deutschen Trainer aus dem Verkehr gezogen? Oder hat er sich selbst verabsentiert? Warum hat nie jemand seine Frau zu Gesicht bekommen?

Der bekannteste Basler Krimi-Kommissär ist Peter Hunkeler von Hansjörg Schneider. Wer in Basel schreibend einen Kommissär ermitteln lässt, schreibt immer in Schneiders Schatten.

Raphael Zehnder hat damit keine Probleme. Zum einen ist sein Kommissär Müller erst vor drei Krimis nach Basel gezügelt. Vorher hat er in Zürich ermittelt. Zehnder konnte also seine Figur in einer Hunkeler-freien Zone etablieren.

Dazu kommt: Raphael Zehnder pflegt einen ganz anderen Stil als Hansjörg Schneider. Die Romane rund um Müller Benedikt haben einen starken, auktorialen Erzähler, der sich, quasi aus dem Off, manchmal in die Geschichte einmischt und das Geschehen kommentiert oder stichwortartig erklärt. Der Krimi von Raphael Zehnder ist deshalb nicht nur eine Geschichte, die man wie einen Pudding reinschlüpfen kann, sie birgt sprachlich und erzählerisch Widerstände voller Wortspiele und Assotiationen, die wie ein knusperndes Topping den Pudding garnieren und ihn interessant machen. Ich habe deshalb Raphael Zehnder gefragt, wie er zu seinem Stil gefunden hat. Das ganze Interview mit Raphael Zehnder finden Sie hier.

Rund um die eigentliche Geschichte herum erfährt man ganz schön viel von der Polizeiarbeit in der Stadt, vom Einsatz wegen häuslicher Gewalt über die Ermittlungstechnik bis zu Eigenheiten der Stadt selbst. Ähnlich wie die Romane von Hansjörg Schneider (bloss ganz anders) erschliessen die Krimis von Raphael Zehnder der Leserin und dem Leser auf ihre Weise die Geographie der Stadt Basel und die Gewohnheiten ihrer Menschen. Das macht den Krimi über die eigentliche Geschichte hinaus lesenswert.

Man kann aber «Müller und die Schützenmatte» auch einfach als spannenden Krimi lesen und sich amüsieren über die gewollten oder auch zufälligen Prallelen zwischen dem erfolglosen, fiktiven SC Basel und dem in der Realität erfolglosen FC Basel. Man erfährt nebenbei viel über den Fussball in der Schweiz, das manchmal erbarmungslose Geschäft mit den Spielern und den Ernst des Spiels auf dem Rasen. Kurz: Das Buch bietet beste Unterhaltung auf mehreren Ebenen. 

Raphael Zehnder: Müller und die Schützenmatte. Kriminalroman. Emons Verlag. 272 Seiten, 18.50 Franken; ISBN 978-3-7408-1156-3

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783740811563

Weitere Buchtipps gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/video-buchtipp/

Basel, 15. April 2021, Matthias Zehnder

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