Das nächste iPhone kommt nicht von Apple

Publiziert am 10. Januar 2017 von Matthias Zehnder

Eine disruptive Entwicklung ist eine Erfindung, die eine zerstörerisches Potenzial hat und im Extremfall ganze Branchen zerlegen kann. Der iMac war eine solche disruptive Innovation, der iPod und, vor zehn Jahren, das iPhone. Apples Mobiltelefon hat dabei weniger die Mobiltelefonie als solche umgekrempelt, als etwa den Markt für digitale Kameras oder die Art und Weise, wie wir das Internet benutzen.

Und heute? Welche Entwicklungen haben disruptives Potenzial, bergen also diese Mischung aus kreativer und zerstörerischer Energie, die es braucht, um einen Weltausschnitt auf dramatische Art und Weise zu verändern? Der nächste grosse Wurf scheint nicht aus dem Hause Apple zu kommen.

Die Apple-Watch war interessant, ist im Alltag durchaus nützlich (ich verpasse seither kaum mehr einen Anruf oder eine WhatsApp-Nachricht), aber umgekrempelt hat die Apple-Watch höchstens mein Nachttisch, weil da jetzt noch ein Ladegerät steht. Auch der Apple-TV ist bestenfalls nett. Als nicht-TV-Besitzer nutze ich den Apple-TV an einem Beamer um Filme zu schauen – that’s it. Den grössten Impact auf mein Leben hatte das iPad Pro: Das grosse iPad ersetzt mir weitgehend Papierzeitungen, weil es E-Paper wirklich lesbar macht.

Apple ist definitiv zu brav

Davon abgesehen ist Apple doch eher brav unterwegs. Am meisten Schlagzeilen hat in letzter Zeit die Abschaffung von Steckern gemacht: Beim neuen iPhone verzichtet Apple auf den Kopfhörerstecker, beim neuen Macbook auf alle Schnittstellen ausser USB-C. Schon diese kleinen Anpassungen scheinen gewisse Nutzer aus der Komfort-Zone geholt zu haben – und das zeigt auch das Dilemma, in dem Apple steckt: Den nächsten grossen Schritt gibt’s nur mit grossen Veränderungen, in der satten Apple-Gemeinde führen aber schon kleine Anpassungen zum grossen Aufstand.

Aber wer, wenn nicht Apple, könnte die nächste grosse Innovation bringen? Und was könnte es sein? Mir fallen im Moment zwei Firmen und ein Gerätetyp ein. Die beiden Firmen sind Google und Amazon und das Gerät heisst im Falle von Google Google home und im Falle von Amazon Alexa bzw. Amazon Echo. In beiden Fällen handelt es sich um einen digitalen Assistenten, der auf Sprachbefehle des Benutzers reagiert.

Amazon echo (links) und Google home (rechts) erinnern nicht zufällig auch in der Bildsprache an die Welt von Apple.

Abgesehen von einem kleinen Tischgerät, das bei Amazon Echo heisst und bei Google home, ist die Technik unsichtbar und erinnert damit an die Allgegenwart des Computers auf dem Raumschiff Enterprise von Sar Trek – The New Generation. Wenn Liutenant Riker, der erste Offizier, etwas über den Verbleib seines Captains wissen wollte, sagte er an einem beliebigen Ort im Raumschiff einfach: «Computer? Wo ist Captain Piccard?» und der Computer antwortete nervtötend ruhig: «Captain Piccard ist nicht an Bord dieses Schiffes.»

Die noch-Strategie genügt nicht

Genau so funktionieren Google home und Amazon Alexa: Man stellt ihnen im Raum eine Frage, der Google Assistant bzw. Amazon Alexa sucht im Hintergrund die Antwort. Die Geräte bringen also den Computer zum Verschwinden. Apple hätte mit Siri schon länger eine entsprechende Technik im Angebot, beschränkte Siri aber lange auf das iPhone. Jetzt gibt’s Siri auch auf dem Mac und dem Apple TV – aber eigentlich gehört Siri wie Google home und Amazon Alexa auf die Küchenablage oder den Esstisch. Schade, beschränkt sich Apple auf eine reine noch-Strategie: das iPhone noch dünner zu machen, dem iPad eine noch bessere Auflösung zu geben, das Macbook mit noch weniger Steckern herzustellen. Bloss: mit noch mehr oder noch weniger kann Apple die Welt vielleicht noch schöner machen, aber sicher nicht grundlegend verändern. Schade.

 

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