Zara Zatti: «Fernsehen schaue ich nur noch in Hotels»

Publiziert am 31. Januar 2024 von Matthias Zehnder

Das 266. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Zara Zatti, Redaktorin bei der Tageszeitung «bzBasel». Sie sagt, sie sei «erst seit fünf Jahren im Beruf, und schon in dieser kurzen Zeit nehme ich eine Verschärfung der Situation wahr.» Aktuell lese man ja «gefühlt jede Woche von einer neuen Kündigungswelle» in einem Medienhaus. Das sei «frustrierend». Sie findet, Medienhäuser müssten «offen sein für neue Ideen» und «nicht an alten Formaten festhalten, nur weil wir es schon immer so gemacht haben.» Online lassen sich die Inhalte flexibler gestalten, «etwa bei der Länge eines Textes, bei der man sich online ganz danach richten kann, was inhaltlich Sinn macht, während man sich im Print immer auch am vorhandenen Platz orientieren muss.» Allerdings wird sie nicht mit allen digitalen Formaten warm: «Ich schlafe häufig ein bei Podcasts. Sehr gerne höre ich aber «Servus, Grüezi, Hallo» von «Zeit Online». Da schaffe ich es meist über die Hälfte.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Es gibt auch Frühstücke, die ich komplett ohne Medium verbringe, oft jene in meinen Ferien. Während einer Arbeitswoche gehören die «bz» und die «BaZ» zum Pflichtprogramm, beim Zähneputzen höre ich das «Regionaljournal Basel» von SRF. Am Sonntag wähle ich meist zwischen der «Sonntagszeitung» und der «NZZ am Sonntag», welche es wird, entscheiden in der Regel die Themen auf der Front.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram, YouTube, TikTok und BeReal?

Ich bin bei allen Plattformen eine passive Nutzerin. Ich bin also durchaus online anzutreffen, poste aber sehr selten selbst etwas. Instagram und YouTube nutze ich dabei privat, Twitter und Facebook eher im beruflichen Kontext. Was BeReal ist habe ich vor einem Jahr von einer jüngeren Arbeitskollegin erfahren.

Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?

Vor meinem ersten Praktikum habe ich die Zeitung sehr fokussiert auf jene Themen, die mich persönlich interessierten, gelesen. Ich hatte nicht den Anspruch, einen umfassenden Überblick über die aktuelle Newslage zu haben. Das hat sich mit dem Berufseinstieg geändert. Weil ich bisher nur auf lokalen Redaktionen gearbeitet habe, hat sich der Fokus zudem von internationalen und nationalen zu regionalen Themen verschoben. Während ich mich früher eher für einen Artikel über die Migrationspolitik in Europa entschieden hätte, lese ich heute zuerst einen Beitrag über das neue Freizeitgartengesetz in Basel.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Wenn ich mich bei älteren Redaktorinnen und Redaktoren umhöre, klingt es leider schon so als wäre früher alles besser gewesen – zumindest, was die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende und die Zukunftsperspektive der Branche angeht. Ich bin erst seit fünf Jahren im Beruf, und schon in dieser kurzen Zeit nehme ich eine Verschärfung der Situation wahr. Aktuell liest man ja gefühlt jede Woche von einer neuen Kündigungswelle in irgendeinem Medienhaus. Das ist frustrierend.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Da bin ich ziemlich sicher. Vielleicht einfach nicht mehr auf Papier.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Romane. Zum Beispiel alles von Max Frisch und Albert Camus oder Leila Slimani.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich lege sie weg. Ich komme sowieso viel zu selten dazu, ein Buch zu lesen, da will ich meine Zeit nicht mit einem schlechten vergeuden.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Oft bei der Arbeit. Ich musste mal an die erste Fahrt eines Oldtimer-Trams, das in Basel wieder in Betrieb genommen wurde. Ich dachte, ich würde mich zu Tode langweilen, jetzt schaue ich jeweils nach, um welches Modell es sich handelt, wenn ich ein altes Tram in der Stadt sehe.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen noch 15 Jahre.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Ich glaube zwar, dass die Rolle der Medien in Zeiten, in denen Fake-News im Internet Hochkonjunktur haben, wichtiger wird. Das kann eine Chance sein. Fake-News streuen aber auch immer Zweifel an den klassischen Medien. Insgesamt sehe ich die Gefahr grösser als die Chance.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Radio höre ich nur noch im Auto und lineares Fernsehen schaue ich nur noch in Hotels.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich schlafe häufig ein bei Podcasts. Sehr gerne höre ich aber «Servus, Grüezi, Hallo» von Zeit Online. Da schaffe ich es meist über die Hälfte.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?

Für die Medien, dass wir uns um jeden Preis darum bemühen müssen, zumindest nicht noch mehr von ihnen zu verlieren. Das bedeutet auch, offen für neue Ideen zu sein und nicht an alten Formaten festzuhalten, nur weil wir es schon immer so gemacht haben.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Nicht komplett. Eine Reportage braucht Menschen vor Ort. Genauso wenig kann ein Roboter gewisse Dinge kritisch hinterfragen. Und wer will schon einen Meinungsartikel über eine Zehn-Millionen-Schweiz von einem Roboter lesen. Das sind Fragen, die menschlich verhandelt werden müssen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Die Digitalisierung ist eine Teilursache für die Medienkrise, ich glaube aber nicht, dass sie zum Tod der Medien führt. Online schreiben bietet zudem viel mehr Möglichkeiten als eine gedruckte Zeitung. Etwa bei der Länge eines Textes, bei der man sich online ganz danach richten kann, was inhaltlich Sinn macht, während man sich im Print immer auch am vorhandenen Platz orientieren muss.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Es wäre mir lieber, es bräuchte sie nicht. Doch wenn ich die aktuellen Entwicklungen anschaue, glaube ich, wir brauchen sie.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja. Manchmal noch an Pressekonferenzen oder bei Reportagen. Danach kann ich meine Notizen oft nicht lesen.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Schlecht. Die Skepsis gegenüber den klassischen Medien hat zugenommen. Das zeigte sich eindrücklich während der Corona-Pandemie. Da ist jemand, der permanent «Fake-News» schreit, pures Gift.

Wem glaubst Du?

Absolut immer eigentlich niemandem.

Dein letztes Wort?

Wer es bis hierhin geschafft hat: Danke für Lesen.


Zara Zatti
Zara Zatti (32) arbeitet seit zwei Jahren als Redaktorin bei der «bz» in Basel. Sie hat in Zürich Germanistik und Geschichte der Neuzeit studiert. Nach einem Praktikum bei der P.S.-Zeitung in Zürich machte sie die Stage bei CH Media und absolvierte die Diplomausbildung Journalismus am MAZ in Luzern.
https://www.bzbasel.ch/


Basel, 31. Januar 2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Seit Ende 2018 sind über 260 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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