Winfried Kösters: «Für die Medien ist Donald Trump ein Gewinn»

Publiziert am 11. Dezember 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Winfried Kösters, Chefredaktor der sda, über seinen persönlichen Mediengebrauch, seinen Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Er sagt, die ökonomische Situation der Medien sei aktuell «dramatisch schlechter als früher.» Früher hätten die Verlage «überdurchschnittlich gut verdient – die Journalist*innen auch.» Professioneller Journalismus sei in einer direkten Demokratie unverzichtbar. «Das weiss im Grunde genommen jede(r). Ich hoffe, die Öffentlichkeit erkennt dies.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Die «NZZ» und Radio SRF 1, «Heute morgen».

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Bin überall dabei, aber vor allem als passiver Nutzer.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Auf allen verfügbaren Kanälen im Inland (Nachrichtenportale, Sondersendungen Fernsehen SRF) und im Ausland (CNN, «New York Times», BBC und die Medien des betroffenen Landes).

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Die ökonomische Situation der Medien ist aktuell sicher dramatisch schlechter als früher. Früher haben die Verlage  überdurchschnittlich gut verdient – die Journalist*innen auch.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Unbedingt, auch wenn die Zahl der Printtitel weiter abnehmen wird. Ein kleiner Rest mit exzellenter Qualität wird bleiben.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Die Bücher des katalanischen Autors Carlos Ruiz Zafón (am besten gleich in Spanisch).

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich kann schlechte Bücher schon nach wenigen Seiten Lektüre rasch weglegen – und neue entdecken.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In der Tageszeitung. In den elektronischen Medien (inklusive Social Media). Meistens dreht sich dabei alles um News.

Merkst Du Dir interessante Artikel, Sendungen oder Texte für später? Bist Du ein Zeitungsseiten-Herausreisser oder ein Digital-Clipper?

Ich lege sehr häufig Artikel, Sendungen und Texte beiseite – elektronisch und auf Papier. Zeitungsseiten herauszureissen ist meine Sache nicht.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Bis mindestens 3019 – also noch 1000 Jahre. Weiter kann ich es nicht überblicken. 🙂

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Sie sind beides. Bei der täglichen Arbeit gilt es, Fake News zu entdecken und zu entlarven. Für die Medien bieten Fake News aber auch eine Chance, sich mit gutem Journalismus zu profilieren.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich nutze Radio und Fernsehen linear wie auch zeitversetzt.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Eher selten. Keine Präferenz.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Das ist ein Armutszeugnis und im Rückblick hoffentlich nur ein kurzfristiger negativer Ausreisser in der Mediengeschichte. Die Jugendlichen interessieren sich für News, wie alle Jahrgänge zuvor. Vielleicht liefern die traditionellen Medien nicht jene Formate, die die Jugendlichen nachfragen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Teilweise Ja, nämlich überall dort, wo strukturierte Daten vorliegen (Statistiken, Wahl- und Abstimmungsergebnisse, Sport). Damit sind aber zugleich auch die Grenzen des Roboter-Journalismus aufgezeigt.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Unbedingt. Professioneller Journalismus ist in einer (direkten) Demokratie unverzichtbar. Das weiss im Grunde genommen jede(r). Ich hoffe, die Öffentlichkeit erkennt dies – und das Pendel schwingt in der Werbebranche ebenfalls zurück.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Briefe, Glückwunschkarten, Einkaufszettel – aber sonst viel läuft doch über PC/Tablet/Handy.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Für die Medien ist Donald Trump ein Gewinn. Die Medien suchen stets das Aussergewöhnliche. Das liefert Trump praktisch täglich. Schlecht ist der Versuch von Donald Trump, die Medien mit Fake News zu manipulieren. Er ist damit jedoch bei weitem nicht allein.

Wem glaubst Du?

Mir selbst, meiner Familie, meinen Freunden und meinen Arbeitskolleg*innen – und am wenigsten den Statistiken, mit denen sich alles und nichts beweisen und widerlegen lässt

Dein letztes Wort?

Lang lebe der Journalismus!


Winfried Kösters
Winfried Kösters ist Chefredaktor der deutschsprachigen Redaktion der Schweizerischen Depeschenagentur sda. Er hat an der Universität Münster (Westfalen) Volkswirtschaft studiert. Er ist also, was man in Deutschland «Diplombetriebswirt» nennt. Nach einem Stage bei der sda hat er zunächst vier Jahre als Wirtschaftsredaktor für die «Berner Zeitung» gearbeitet und dann als Chefredaktor und stv. Geschäftsleiter zur Nachrichtenagentur AWP gewechselt. Seit 2003 arbeitet Kösters für die sda, heute als deren Chefredaktor. Ende Jahr gibt er dieses Amt ab und wechselt als Redaktor mit Verantwortung für den deutschsprachigen Nachrichtendienst nach Sydney.
@Winnikoe


Basel, 11. Dezember 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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