Vanessa Buff: «Es ist einfach der beste Beruf.»
Das 286. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Vanessa Buff, noch Redaktionsleiterin von «bref», bald selbstständige Journalistin. Sie sagt, sie stelle «gerade bei jüngeren Leuten fest, dass sie teilweise wieder zu traditionelleren Werten und Lebensweisen zurückkehren.» Auch wenn sie das nicht uneingeschränkt positiv finde, hofft sie, dass «die Medien und die gedruckten Zeitungen im Speziellen davon profitieren» können. Der Wert von Qualitätsjournalismus sei gestiegen. Sie fürchtet, dass «viele Menschen – teilweise auch Profis – nicht die Kompetenz haben, um Fake News von Fakten zu unterscheiden.» Das sei ein Problem, «das sich mit KI noch verschärfen» werde. Sie ist deshalb auch zuversichtlich, dass es immer gute Medien geben wird. «Aber die Digitalisierung zwingt sie, schnell umzudenken und innovativ zu sein. Nicht alle Medien werden damit Schritt halten können.» Sorgen machen ihr «der Braindrain auf den Redaktionen, Zeitdruck und Stress, schwierige Vereinbarkeit für Menschen mit Kindern.» Sie selbst werde trotzdem wohl immer im Journalismus bleiben: «Es ist einfach der beste Beruf.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Ich habe zwei kleine Kinder – Medienkonsum während des Frühstücks ist für mich nicht mehr als eine schon leicht verstaubte Erinnerung.
Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram, LinkedIn, YouTube, TikTok und BeReal?
Mein Instagram-Feed ist eine Mischung aus Garten-Content, Koch-Videos und schönen Interior-Bildern. Ich habe zwar auch Kanäle wie die «New York Times» oder die «Zeit» abonniert, aber insgesamt geht es bei mir auf Insta eher seicht zu – ich brauche diesen Eskapismus, um mental gesund zu bleiben. Twitter war lange Zeit meine wichtigste Informationsquelle, aber mittlerweile halte ich es dort kaum mehr aus. Ich nutze meinen Twitter-Account ebenso wie den auf Facebook vor allem noch zum Recherchieren oder um Leute zu kontaktieren. LinkedIn wurde mir als Ersatz für Twitter angepriesen, ich bin aber noch daran, warm zu werden mit der Plattform.
Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?
Ich weiss nicht, ob ich überhaupt von Alltag sprechen kann in Bezug auf meinen Beruf. Der wird ja gerade dadurch definiert, dass jeder Tag anders ist – was ich mitunter so daran mag. Ich habe ausserdem schon in ganz unterschiedlichen Kontexten gearbeitet, für das Inland-Ressort einer Lokal-Zeitung, für eine Online-Plattform, für ein Magazin, als Redakteurin, Blattmacherin, Redaktionsleiterin. Ab Sommer werde ich zum ersten Mal meine eigene Chefin sein und mehr Zeit haben für eigene Ideen und Projekte. Ich bin sehr gespannt, wie sich das anfühlen wird.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Hey, so alt bin ich imfall noch nicht! Aber im Ernst, ich mag keine Entweder-oder-Fragen. Meistens liegt die Antwort irgendwo dazwischen.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Ich gehöre zwar zur Generation Y, bin aber Boomerin at heart: Ich glaube nicht nur, dass das geschriebene Wort Zukunft hat, sondern darüber hinaus auch das gedruckte Wort.
Was soll man heute unbedingt lesen?
Ich bin Fan von Nischenmedien – nicht nur weil ich selber für eines arbeite. Ich habe auch mehrere Garten-Magazine abonniert, aus denen ich viel über Natur, Stadtplanung oder Klima-Wandel lerne. Magazine wie «fluter» der Bundeszentrale für politische Bildung bereiten Themen auf ungewöhnliche und überraschende Weise auf. Als Buch kann ich «Unsichtbare Frauen» von Caroline Criado Perez empfehlen – ein absoluter Augenöffner. Und für alle, die etwas abtauchen wollen: «Noto» von Adriano Sack, eine wunderbare queere Liebesgeschichte, die auf Sizilien spielt. Popliteratur kombiniert mit dolce vita – super.
Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Tendenziell geht es sehr lange, bis ich ein Buch weglege. Ich denke immer an den oder die Autor:in gerichtet «Komm, das schaffst du, du kriegst die Kurve noch!» Und ärgere mich dann, wenn es nicht gelingt. So eine verpasste Chance.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Wo nicht?
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Länger als wir denken. Ich stelle gerade bei jüngeren Leuten fest, dass sie teilweise wieder zu traditionelleren Werten und Lebensweisen zurückkehren (was ich nicht uneingeschränkt positiv finde). Vielleicht können die Medien und die gedruckten Zeitungen im Speziellen davon profitieren.
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Natürlich könnte man antworten, dass durch Fake News der Wert von Qualitätsjournalismus gestiegen ist. Ich fürchte aber, das ist Augenwischerei. Tatsache ist doch, dass viele Menschen – teilweise auch Profis – nicht die Kompetenz haben, um Fake News von Fakten zu unterscheiden. Das ist ein Problem, das sich mit KI noch verschärfen wird.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Ich nutze praktisch kein Radio oder Fernsehen – hauptsächlich aus Zeitgründen. Dafür bin ich Vielleserin: Ich lese meistens mehrere Magazine und Bücher gleichzeitig. Fernsehen schaue ich linear bei Sportanlässen wie Skirennen oder Fussballspielen sowie bei krassen Breaking News.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Zahlreiche, ich höre sie vor allem beim Pendeln. Das beginnt beim «Polit-Büro» des «Tages-Anzeigers», geht über «Verbrechen der Vergangenheit» von «Geo Epoche» bis hin zu «HerStory», einem Podcast über Frauen, die von der offiziellen Geschichtsschreibung ignoriert wurden. Besonders gerne mag ich abgeschlossene Serien, etwa die Guantanamo-Folgen von «Serial». Empfehlen kann ich auch «Next Year In Moscow» von «The Economist» über Putins Russland – da hatte ich mehr als einmal einen Frosch im Hals.
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?
Dass wir als Medienschaffende nicht aufhören dürfen, kreativ zu sein und nach neuen Möglichkeiten zu suchen, die Menschen zu erreichen. Dass wir mit unseren Kindern über Mediennutzung sprechen und ihnen die Funktionsweise von Social Media erklären müssen. Zudem gehört das Thema Medien und Medienkompetenz meines Erachtens auch stärker in die Schule.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Es gibt schon gewisse Dinge, die sich automatisieren lassen. Und vielleicht wäre das gar nicht so schlimm, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Dann nämlich, wenn durch den Einsatz von KI die Journalist:innen freigespielt würden für investigative Recherchen, vertiefte Hintergründe und Analysen. Vielleicht ist das aber auch naiv – so wie die Entwicklung der Medienbranche derzeit verläuft, würden die Menschen wohl eher zugunsten der KI weggespart. Was eine Katastrophe wäre.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Uff, schon wieder eine Entweder-oder-Frage. Auch hier liegt die Antwort irgendwo dazwischen: Ich denke, Medien werden niemals komplett aussterben. Aber die Digitalisierung zwingt sie, schnell umzudenken und innovativ zu sein. Nicht alle Medien werden damit Schritt halten können.
Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Wenn die Medien weiterhin als vierte Gewalt funktionieren sollen, auch im Lokalen, dann kommen wir meines Erachtens nicht darum herum.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Seit Kurzem wieder mehr. Ich mache manchmal Automatisches Schreiben mit der Hand, um den Kopf zu leeren, ausserdem natürlich Recherche-Notizen und kleinere Texthäppchen, die ich primär für mich selbst sammle, ohne zu wissen, ob und wie ich sie einmal verwenden werde.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Trump ist nur ein Symptom von etwas, das die Mediensysteme und die Demokratien weltweit ohnehin durchmachen.
Wem glaubst Du?
Meinem Bauchgefühl.
Dein letztes Wort?
Ich mache mir durchaus Sorgen, wenn ich auf gewisse Entwicklungen in der Medienbranche schaue – Braindrain auf den Redaktionen, Zeitdruck und Stress, schwierige Vereinbarkeit für Menschen mit Kindern. Trotzdem werde ich wohl immer #TeamJournalismus bleiben. Es ist einfach der beste Beruf.
Vanessa Buff
Vanessa Buff arbeitet noch bis Ende Juni 2024 als Redaktionsleiterin von «bref», einem kleinen Magazin, das sich mit Religion, Gesellschaft und Kultur beschäftigt. Ab Juli wird sie selbstständig im Bereich Journalismus und Literatur tätig sein. In den Journalismus eingestiegen ist sie klassisch als freie Reporterin für die Lokalzeitung ihres Wohnortes. Es folgten verschiedene Praktika sowie Stationen als Inland-Redakteurin bei den «Schaffhauser Nachrichten» und Redaktionsleiterin des Newsportals «ref.ch». Vanessa Buff hat Publizistik, Politologie und Japanologie studiert und verfügt über einen Masterabschluss in Journalismus. Sie lebt mit ihrer Familie in der Region Schaffhausen.
https://vanessabuff.com/
Basel, 19. Juni 2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Seit Ende 2018 sind über 280 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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Ein Kommentar zu "Vanessa Buff: «Es ist einfach der beste Beruf.»"
Frau V. Buff stellt fest: „Ich stelle gerade bei jüngeren Leuten fest, dass sie teilweise wieder zu traditionelleren Werten und Lebensweisen zurückkehren“. Und hängt umgehend noch ihre Meinung dazu: „Was ich nicht uneingeschränkt positiv finde“.
Damit stellt sie einerseits klar, dass Sie dies als natürlich Modernaufgeschlossensozialernonkonformliebhaberin wohl mit Stirnrunzeln beobachtet; anderseits stellt Sie gleichzeitig ein Phänomen fest: Ja, die Jugend wählt in Deutschland AfD (besonders die 16-jährigen Wählenden, welche vor allem durch die „Grünen“ zu diesem Recht kamen und von dem sich die „Grünen“ natürlich zu ihren Gunsten viel erhofften); die „Jungen“ sind gegen ein 3. Geschlecht (obwohl „Nemo“ vordergründig am „ESC“ zwangsgebührstaatsmediengehypt wurde („ESC“= öffentlich-rechtliche-Gesangs, -Turn, -Nacktheit, -Verrücktheit, – Maskenball, -Licht+Rauch+Lärm – Veranstaltung) und „Nemo“ nun schon das zweite mal bundesrätlich bei Beat Jans Kaffee trank; noch schlimmer die Jungen träumen von einem „Hüsli“ – welches sie in der Bevölkerungszahl-Zunehmenden Schweiz nicht mehr erreichen können; sie träumen von „Trauung“ (Heirat), gar von Kindern; sogar das Militär gewinnt wieder an Zuneigung bei Jungs und Mädchen (sehen die RS und WK’s als „Challange“)….
Bei diesem „Phänomen“ kam mir in den Sinn: Obwoh die Jetzt-Generation Kindergärten und Schulen durchlief, welche in D die AfD als absolute Finsterheit und Düsternis lernte und es viele Beweise gibt, bei denen Aufsätze und Vorträge pro AfD schlechter bewertet wurden als Loblieder auf SPD und Linke (Running-Gag auf Migranten-Pausenhof: Du weisch scho – wie man gute Quali schreibt….), ist sie eher Rechts eingestellt; das Phäomen geht weiter beim 3. Geschlecht („Queer“ und „Schräg“ über alles an sämtlichen ZH-Schulen, sonst…./ alles bloss nicht „Normal“) oder an Schulausflügen wird wieder kreuzenden militärischen Fahrzeugen nachgeguckt (und gepostet) – wer hätte das gedacht bei all den GsoA-Lehrer/innen, Peace-Weeks, Peace-Days, Friedensmarsch-Aktivisten, Ostermarsch-Aktivisten-Lehrkräften (von denen nebenbei jetzt, wo es drauf ankäme, nichts als „Schweigen“ zu hören ist), selbst „Hochzeitsmessen“, und „Verlobungsringe“ (so was „Altmodisches“ sind wieder „en vouge“…..)
Diese von Frau V. Buff angesprochenen Phänomene beschäftigen mich auch – wobei selbst ich nicht alles „Alte“ besser fand – doch nach irgendeiner Werteskala wird wieder gesehnt, sonst ist alles „Nemo“?!?……