Tara Hill: «Zur Zeit der Parteienpresse war die Landschaft übersichtlicher»
Das 228. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit der Kulturjournalistin und Bloggerin Tara Hill. Sie sagt, vermutlich sei die Lage zur Zeit der Parteienpresse besser gewesen: «Die Landschaft war übersichtlicher, jeder hatte sein ‹Blättli›», betont aber auch: «Für mich wärs nichts gewesen, aus denselben Gründen.» Denn sie lasse sich «gerne von anderen Meinungen überraschen». Tara Hill empfiehlt deshalb, Blogs zu lesen, «und zwar von allen Seiten.» Um Falschinformation macht sie sich dabei keine Sorgen: «Der Leser wird zunehmend zum Detektiv, das schärft die Medienkompetenz.» Sie ist sicher, dass künftig die KI einen Teil der Schreibarbeit machen wird, denn «jedes Handwerk ist operationalisierbar.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Ich gestehe, ich lese meistens auf dem Weg zur Arbeit das «20 Minuten».
Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?
Facebook hat seit Login-Problemen Pause. Ein Digital Detox, quasi. Twitter wurde gelöscht. Insta ist aktiv, ich chatte gerne. Allerdings denke ich, das Web 2.0 wird vom Internet der Dinge abgelöst. Den Tod der sozialen Medien sehe ich mit der Killer App kommen.
Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?
Schlimm, ich war pleite und auf mich alleine gestellt. Dann noch krank, mehrfach Lungenentzündung plus Long-Covid. Doch dank meiner Home Office Erfahrung konnte ich auch vielfach profitieren: Strukturiertes Arbeiten zuhause bin ich mich gewohnt.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Besser vermutlich zur Zeit der Parteienpresse, die Landschaft war übersichtlicher, jeder hatte sein «Blättli». Für mich wärs nichts gewesen, aus denselben Gründen. Ich lasse mich gerne von anderen Meinungen überraschen.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Unbedingt. Aber vielleicht flüstert sie ja ein Bard einem ein.
Was soll man heute unbedingt lesen?
Blogs, und zwar von allen Seiten. Sowie die alternative Presse und die andere Seite. Tu ich immer gerne, sogar Conscious News Networks konsultiere ich oft, wie Democracy Now. Daneben natürlich die alten Damen, die «NZZ» und «Süddeutsche», oder die «Times».
Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Leg ich weg! Und zwar nach querlesen zum Ende.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Im Moment im Insta-Feed, sonst herkömmlich im Gespräch. Und auf Reisen!
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
So lange es Leser gibt. Die sterben allerdings wahrscheinlich aus. Magazine eher nein. Coffee Table ist gefragt.
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Beides. Fake ist falsch! Doch der Leser wird dabei zunehmend zum Detektiv, das schärft die Medienkompetenz.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Radio höre ich manchmal am Morgen im Bad, aber abends nur Streams (ich bin DJ).
TV schaue ich kaum. Der TV neben dem Bett ist fast immer aus.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Klimapodcasts, aber warum? Um mich zu zwingen, mich damit auseinanderzusetzen. Und Podcasts über Osteuropa, wo ich mir sonst eine Nachrichtensperre verordnet habe, um nichts Unbedachtes mehr zu sagen.
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?
Die bekommen die Nachrichten meistens aus Ihrer Familie und Filter Bubble. Man kann nicht nicht kommunizieren. Wo die herkömmlichen Medien Ihre Menschen abholen, sei dahingestellt. Auf Leser:innen muss man zugehen.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Sicher! Ich habe lange genug Formattexte geschrieben. Jedes Handwerk ist operationalisierbar. Die Qualität sei dahingestellt. Bausteine sind nicht grosse Kunst. Aber ich freue mich, keine «Endlich ist es soweit»-Werbetexte mehr schreiben zu müssen.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
On verra!
Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Jein. Ich wäre für mehr Geld, gerade für Kultur, aber lieber unabhängig vom Staat. Stiftungsbasiert gerne!
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Jeden Tag. Tagebuch und Notizen. Habe aber eine Sauklaue.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Gut: Er schärfte das Profil. Schlecht: Seine grauenhaft xenophoben Aussagen. Ich mag ihn nicht besonders, habe ihn aber auch nicht so schlimm in Erinnerung persönlich wie andere. Er ist sehr «divisive» und ein absoluter Megalomane. Lustig wars mal bei seiner TV-Sendung. Er wurde selber oft genug gefeuert, also weiss er, wovon er redet. Auch als Präsident, später, dann.
Wem glaubst Du?
Niemandem, nicht mal mir selbst. Ich weiss, dass ich nichts weiss. (Sokrates) Bin Platonikerin.
Dein letztes Wort?
Das ist nicht das Ende.
Tara Hill
Tara Hill arbeitet seit über zwei Jahrzehnten als Kulturjournalistin und seit einem Jahrzehnt als Bloggerin im Bereich Kultur. Zu ihren Arbeitsadressen gehören die «BaZ», «bzBasel», «Tageswoche», «Annabelle» die «WOZ» und das Magazin «BaslerIN». Als Kulturmanagerin hat sie die ehemalige HEK-Zwischennutzung «MIR» sowie Partyreihen für Hinterhof und Lady Bar konzipiert und geleitet. Zurzeit arbeitet die studierte Soziologin fürs Dancecult Magazin international und die Akademie der Künste Berlin, an einem Buch über die Zukunft der Arbeit, an ihrer Doktorarbeit über Festivalkultur, fürs Bandspace im Kultur- und Gewerbehaus Elys sowie als freie Journalistin und gelegentlich fürs Musikbüro Basel.
https://lifemagicallyis.wordpress.com/
Basel, 10. Mai 2023, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Seit Ende 2018 sind über 200 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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3 Kommentare zu "Tara Hill: «Zur Zeit der Parteienpresse war die Landschaft übersichtlicher»"
……Versuche meine kritischen Empfindungen in sanften Wogen auszudrücken und mit einer kritischen Frage aller Fragen zu beenden:
Ich vernehme, dass Frau Tara Hill der HEK-Zwischennutzung «MIR» nachging sowie Partyreihen für Hinterhof und Lady Bar konzipierte. Zurzeit sei die Soziologin beim Dancecult Magazin international und die Akademie der Künste Berlin am einüben, sowie an ihrer Doktorarbeit über Festivalkultur, zudem Aneignungen fürs Bandspace im Kultur- und Gewerbehaus Elys. Auf ihrer Webseite liest man weiter, dass sie auch als DJ Lila Hart, DJ-Duo Pan*Tau, DJ-Duo PLUR, Danae, Victoria nachts bei
DJ-Auftritte an Festivals & Clubs (worldwide) rumjettet und beschallt wie das Nowhere Festival in Espagna, das Fusion Festival, Berlin, das Rhizom Festival Zürich, das Ibiza Global Radio, das Hearts Midburn in Israel, das Burning Man in Nevada USA, die Marokko-Tour August 2018, das Electron Festival Genf (plus offizieller Festival-Podcast) 2016, das Belles de Nuits Festival Zürich (plus offizieller Festival-Podcast) 2017, das Resident DJ Hinterhof Basel, das Lady Bar Basel, das Nebel Basel sowie „Gigs“ „gibt wie im Nordstern BS, Cabaret Zürich, Depot Zürich, Albulatross Zürich, Reitschule Bern, Frauenraum Bern, Waagenbau Hamburg, PAL Hamburg, Bermuda Festival Berlin, Kugl St. Gallen, Livingroom Lugano, Tresor Berlin, Berghain Berlin, Kosmonaut Berlin, Nachtiville
Leipzig) sowie div. Sets und Mixes worldwide.
……Den ÖKOlogischen Fussabdruck möchte ich (und vielleicht weitere Aircraft-Kritiker vom Leimental bis nach Allschwil) mal sehen, aber das ist eine andere Geschichte…. Mehr-mehr-mehr-bis-zur Extase oder geht-nicht-mehr?!?
Nun noch zu meiner angekündigten und durchaus konstruktiv-kritischen abschliessenden Frage:
Sie schreibt an „einem Buch über die Zukunft der Arbeit“!!! vernehme ich…..
Nun, was mir bei der obigen endlos-Auflistung dann doch im Zusammenhang mit ihrem „Buch über die Arbeit“ fehlt ist die (wenn man darüber schon ein Buch schreibt) praktische Anwendung derer. Entweder im Lebenslauf „vergessen“ oder noch nicht erlebt. Irgendwie stossend wie z.B. ein Buch über Schweinezucht im Weltall zu verfassen und dies noch nie durchgeführt zu haben. Irgendwie unglaubwürdig und unfassbar (im übertragenden und wörtlichen Sinne). Ein „Buch über Arbeit“ von Frau Theorie Hill oder eines von einem kaufm. Angestellten bei Gemp & Unold, einer Druckerin der Druckerei Kreis, einem Lehrer aus dem Klybeck, einem „Mech“ aus Zullwil, einer Hochspannungsmonteurin von Primeo Energie, einer Gärtnerin vom Ebenrain, einem Podologen aus der Weissen Gasse, einer Kochin aus dem Merian-Iselin, einem Kanalisationsmitarbeiter des Tiefbauamtes, einer Securitas-Frau an der „Art Basel“, einem Trämler aus Riehen, einem Vermesser der Bau- und Umweltschutzdirektion BL, einer Weibelin im Bundeshaus oder einer Bäuerin aus dem Wynetal = ich würde letztere Weisheiten zwischen zwei Buchdeckeln bevorzugen…..
Zuweit gegangen mit meiner Abwegung zwischen diesem „Kreissaal-Hörsaal-Tanzsaal-Zeilen-Buch“ oder Real-Life-Work-Handbuch? Grenzen überschritten in einer/dieser auch so grenzenlosen vordergründigen Scheinwerfer-Party-Kugel-Ultralaut-Nacht-Dance-Spass-Nebenschauplatz-Wohlfühl/Sorglos-Paket Welt…..
…..wo wir alle mit Problemen, Kindererziehung, mit Schulsorgen, schwierigen Elternabenden, mit Trauer um Gegangene, mit Schmerz im Körper, mit Problemen der Finanzen und und und wohl ultra-alt ausschauen. LOL; Gommemode; Smash Diggah du Lauch; Pustekuchen = Disco-Nebelmaschine anwerfen und alles ist unsichtbar. Ohne Schatten gibts nur Licht; so easy kann Leben sein…..
Schon war. Eigentlich geht es in ‚Wir nennen es Arbeit‘ um die Kunst, nicht zu arbeiten. Sondern das machen, das einen erfüllt. 6 Jahre Redaktion waren wohl zu wenig, neben 20 Jahren frei als Freelancer.
Ansonsten übernehmen Sie doch als Chrampfer!
Wahr. Es ist spät, der Tag begann um 4 und endet jetzt. Ganz ohne DJ Set.