Tamara Wernli: «Die Verlagerung der Medien ins Internet ist eine enorme Chance»

Publiziert am 10. April 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit der Basler Youtuberin und Kolumnistin Tamara Wernli über ihren persönlichen Mediengebrauch, ihren Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Sie sagt, dass das Internet zur Medienvielfalt beiträgt, weil man «nicht mehr auf die klassischen ‹Mainstreammedien› angewiesen» sei. Zeitungen auf Papier würden «gerade ältere Menschen schätzen», wenn sie «zum Lesen das Zeitungspapier in den Händen zu halten» könnten. Sie selbst setzt vor allem auf Youtube. Da hat sie sogar gelernt, wie sie sich selbst die Haare schneiden kann.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Während dem ersten Kaffee befasse ich mich nicht mit Medien, sondern geniesse den gemächlichen Start in den Tag. Später im Büro überfliege ich die Online-Ausgaben von «20 Minuten», «Blick», «Basler Zeitung», «NZZ» und «Welt». Am Wochenende lese ich die «Weltwoche».

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich bin auf allen Plattformen aktiv, wobei Twitter für mich der wichtigste Ort ist, um Informationen zu sammeln und auch, um meinen Senf bei bestimmten Themen hinzuzufügen.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Anhand unterschiedlicher Online-Quellen, Artikel und Videos.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Das kann ich nicht beurteilen, ich habe die Schweizer Medien zu wenig verfolgt. Grundsätzlich betrachte ich die Verlagerung der Medien ins Internet als enorme Chance, denn mit dem breiten Angebot an Informationen trägt es zur Medienvielfalt bei: Man ist nicht mehr auf die klassischen «Mainstreammedien» angewiesen, sondern kann sich relevante Informationen und Auskünfte aus diversen alternativen Portalen zusammensuchen, um sich ein umfassenderes Bild zu machen.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja, selbstverständlich. Auch wenn der Konsum von Videos konstant wächst, sind Worte und bewegte Bilder doch zwei Welten, die verschiedene Bedürfnisse befriedigen. Und eine Nachfrage nach qualitativ guten Zeitungsartikeln und Büchern wird es immer geben.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

«Der Chinese» von Henning Mankell ist eines der spannendsten Bücher, die ich je gelesen habe. Im bildenden Sektor würde ich «Der Zauberberg» von Thomas Mann empfehlen. Der Wucht der Sprache, der Geschichte und dem Humor des Herrn Castorp kann man sich nicht entziehen.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich kann sie weglegen, wobei ich das bis jetzt erst einmal tat mit «Hundert Jahre Einsamkeit» von Gabriel García Márquez. Ich blieb im ersten Viertel stecken, vielleicht weil ich zu hohe Erwartungen an die Geschichte hatte und sie bis dahin nicht erfüllt wurden? Keine Ahnung. Ich werde irgendwann einen neuen Versuch starten.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Bei Twitter und Youtube.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange jemand bereit ist, Geld dafür zu investieren. Ich hoffe, dass das noch lange der Fall ist, denn gerade ältere Menschen schätzen es enorm, zum Lesen das Zeitungspapier in den Händen zu halten.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Weder noch. Falsche Geschichten wird es immer geben – und Medien, die dann richtigstellen oder aufklären auch.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich konsumiere beides praktisch nicht. Statt Radio spiele ich meine eigenen Playlists mit den Songs, die ich in dem Moment hören möchte – was ja nach Tageszeit oder Stimmung variiert. Statt Fernsehen sehe ich Youtube-Videos oder streame Filme. Von einem auf meine konkreten Bedürfnisse zusammengestellten Unterhaltungs-Programm profitiere ich viel mehr als vom Mainstreamangebot.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Nein, dafür habe ich leider keiner Zeit.

Und wie steht es mit Youtube? Hast Du als Youtuberin Channels, die Du besonders gerne schaust oder die Dir ein Vorbild sind?

Ich habe kein Vorbild, ich flaniere durch viele unterschiedlichsten Kanäle – das können solche mit politischen Kommentaren sein oder Talkshows wie jene von Bill Maher. Am liebsten sehe ich mir bei Youtube Shows von Stand up Comedians an. Auch Schminkvideos finde ich eindrücklich, und wie man sich selbst die Haare schneidet, habe ich auch auf Youtube gelernt. 😊

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Dass sie ihr Angebot anpassen müssen, wenn sie diese Gruppe ansprechen wollen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Nein, denn Recherche, Sprachkunst, Ironie, Witz und persönlicher, wiedererkennbarer Schreibstil können Roboter ja nicht ersetzen. Aber um Nachrichten der DPA abzutippen, braucht es tatsächlich keine Redaktoren.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja, natürlich. Jemand muss ja berichten, was auf der Welt los ist.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Eher selten. Sogar Notizen oder die Einkaufsliste tippe ich heute ins Smartphone ein. Eigentlich schade, aber es ist halt praktisch, weil man da alles beisammen hat.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Gut, so gehen ihnen die Themen nicht aus.

Wem glaubst Du?

Bedingungslos: Meiner Familie und meinen engen Freunden.

Dein letztes Wort?

Schaut doch mal auf meinem Youtube-Kanal vorbei!


Tamara Wernli

Tamara Wernli ist Kolumnistin und eine der wenigen, professionellen Video-Bloggerinnen der Schweiz. Tamara Wernli stammt aus Basel. Sie absolvierte in Los Angeles eine Schauspielschule und machte eine Marketingausbildung an der UCLA. Später bildete sie sich am SPRI zur PR-Fachfrau weiter. Beim TV-Sender Telebasel war sie fast 20 Jahre als Newsmoderatorin tätig und als Gastgeberin und Produzentin eigener Talkshows. Bevor sie anfangs Jahr zur Weltwoche wechselte, schrieb sie als Kolumnistin für die Basler Zeitung. Sie kommentiert Gesellschaftstrends auf ihrem Youtube-Kanal. Viele ihrer Abonnenten stammen mittlerweile aus Deutschland, wo ihre Kolumne auch auf Tichys Welt abrufbar ist.
http://www.tamarawernli.ch/


Basel, 10. April 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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