Stefan Schmid: «Wir haben die besten Zeitungen, die es je gab»

Publiziert am 25. März 2020 von Matthias Zehnder

«Niemand nimmt es mit den Fakten so genau wie traditionelle Redaktionen.» Das sagt Stefan Schmid, Chefredaktor des «St. Galler Tagblatts». Er folgert daraus, gerade in der Corona-Krise, für sich und seine Zeitungskollegen: «Wir sind wichtiger denn je.» Im Fragebogeninterview gibt er Auskunft über seinen persönlichen Mediengebrauch, was er von sozialen Medien hält und wie er über die Zukunft des Journalismus in der Schweiz denkt.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Das St.Galler Tagblatt natürlich sowie Tagi und NZZ.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Bei Facebook und Twitter bin ich dabei. Instagram nicht. Dort steht die persönliche Inszenierung im Vordergrund. Das ist journalistisch nicht nötig.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Wir haben alle Ressorts nach Hause geschickt. Das funktioniert erstaunlich gut. Der Koordinationsaufwand hat allerdings zugenommen. Und: Es gibt nur noch ein Thema, das interessiert. Corona.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Wir haben die besten Zeitungen, die es je gab. Auch SRF macht einen guten Job. Hier kann ich weniger beurteilen, ob das früher besser oder schlechter war.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Selbstverständlich. Warum nicht?

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Ich lese gerade das Buch des Pariser Soziologen Bernard Rougier über die Ausbreitung des Islamismus in den französischen Vorstädten. Sehr interessant. Und Besorgnis erregend.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Nein, ich beende die Lektüre nach wenigen Seiten. Das kommt immer wieder mal vor.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Auf Twitter, auf Facebook auch, und in guten Buchhandlungen.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Als Wochenprodukt noch lange. Als Tagesprodukt nicht mehr so lange.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eher eine Chance. Das zeigt auch die jetzige Corona-Krise. Niemand nimmt es mit den Fakten so genau wie traditionelle Redaktionen. Wir sind wichtiger denn je.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Radio höre ich persönlich selten. TV schaue ich dann, wenn die Schweizer Fussballnationalmannschaft spielt. Wobei: In diesen Corona-Zeiten habe ich mir die tägliche Tagesschau um 19.30 Uhr wieder angewöhnt. Die habe ich vorher nicht mehr regelmässig konsumiert.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Nein, nur ausnahmsweise, wenn mir etwas zugespielt wird.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Dass wir alles unternehmen müssen, um die Jungen mit unseren Medien besser zu erreichen. Das bedeutet wohl auch, dass wir die Geschichten anders erzählen und aufbereiten müssen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Wir sind bei CH Media daran, dies zu testen. Es gibt sicher Bereiche, wo das funktionieren kann.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Es führt zu anderen Medien.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Natürlich. Mehr denn je.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Postkarten aus den Ferien, ja.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Gut. Artikel über ihn werden überall hervorragend gelesen. Und US-Qualitätsmedien konnten dank ihm die Auflagen steigern – Print wie online. Weil sie beweisen konnten, wie wichtig sie sind, wenn es um Fakten geht.

Wem glaubst Du?

Wer glaubt, er wisse, muss wissen, er glaubt.

Dein letztes Wort?

Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.


Stefan Schmid
Stefan Schmid (*1978) hat Geschichte und Politikwissenschaften in Bern und Paris studiert. Ab 2005 war er Inlandredaktor beim St. Galler Tagblatt, später Inlandchef und Blattmacher. 2012-2016 leiztete er die gemeinsame Bundeshausredaktion von «AZ» und «Südostschweiz» und moderierte Politsendungen bei TVO und Tele M1. Seit August 2016 ist er Chefredaktor des «St.Galler Tagblatts» und seiner Regionalausgaben sowie Moderator von Politsendungen bei TVO. Schmid ist Vater von zwei Kindern und Lebt in St. Gallen.
https://www.tagblatt.ch/


Basel, 25. März 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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