Samantha Zaugg: «Früher war mehr Spass»

Publiziert am 7. April 2021 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Samantha Zaugg, freie Journalistin und Co-Redaktionsleiterin beim Magazin «Schweizer Journalist:in». Sie sagt, Facebook sei fremd geworden, Kleinanzeigen seien unterbewertet und mit diesem von Paulo Coelho gebe es nur Hass und Ärger. Sie erklärt, es lasse sich zwar nicht alles automatisieren im Journalismus, aber «bei gewissen Sachen wäre ich also froh, wenn die endlich mal automatisiert würden.» Auf die Frage, ob sie für professionellen Journalismus noch eine Zukunft sehe, antwortet sie: «Ich wär ja eine furchtbare Pfeife, wenn ich bei was bleiben würde, wo ich keine Zukunft sehe.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich esse kein Frühstück.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Facebook ist wirklich sehr fremd geworden, da tummle ich mich fast nie. Ich krieg auch immer nur noch so seltsame asiatische Kochtutorials in die Timeline gespült. Twitter muss man als Journi ja, und Insta ist spassig. Meistens.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Hab einmal «Tagesschau» im linearen TV geschaut.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Bin noch zu jung für diese Frage. Aber was ich da aus Schwänken von alten Journis so gehört habe, war früher schon mehr Spass. Im Büro wurde geraucht, zum Zmittag gabs Bier, und im TV durfte man noch Nackte zeigen.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Kleinanzeigen, meiner Meinung nach völlig unterbewertet. Aber ich bin ja Kunststudentin, da sollte ich auch was Schlaues sagen. Also was von Susan Sontag, die tut auch Journis gut.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Weg damit! Hab zwei (!) mal was von Paulo Coelho fertiggelesen, obwohl ichs gehasst hab. Weil der soll ja gut sein, blabla. Beim einen Buch passiert die ganze Zeit nichts und dann macht die Frau am Schluss einen Fallschirmsprung, ist total erleuchtet und all ihre Probleme sind gelöst. So was Blödes! Nur Hass und Ärger mit diesem Coelho, ich sags euch!

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Vögel der Schweiz, von Vogelwarte Sempach. In der Pandemie war so wenig los, da hab ich angefangen Vögel zu bestimmen

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Hab im Studium mal was vom Rieplschen Gesetz gehört, das sagt, ein Medium stirbt nie aus, sondern es gibt immer irgendwo noch irgendjemand, der das fühlt und nutzt. Wird’s demzufolge also immer geben.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Was für 1 einfältige Frage. Fake News sind für gar niemand eine Chance.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Siehe Pandemiemediennutzungsfrage. Radio hör ich meistens bisschen verzögert als Podcast. Vor allem deshalb, weil Webanwendung zäh ist und weil es mich nervt so viele verschiedene Apps zu haben.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja, höre! Lieblingspodcast natürlich «Breakup» von Jobsharing-Darling Charlotte Theile.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Das wir uns mehr anstrengen müssen?

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Ja. Nicht alles, aber ja. Bei gewissen Sachen wäre ich also froh, wenn die endlich mal automatisiert würden.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Verstehe die Frage nicht ganz. Wovon soll der Journalismus denn befreit werden? Wovon man mal befreien könnte, sind so strenge Layout-Regeln, Zeichenzahl und immer aufpassen, dass mit den Zwischentiteln kein Stägeli gibt. Und das gibt’s online ja schon weniger. Also eher befreit.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ich wär ja eine furchtbare Pfeife, wenn ich bei was bleiben würde, wo ich keine Zukunft sehe.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, Notizen. Aber nur um dann ein Foto zu machen, damit ich die Notiz nicht verlege.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Dazu kann ich nichts sagen. Will auch nicht, denn da wurde wirklich schon alles, alles gesagt, jedenfalls auf dem Niveau wo ich was beitragen könnte.

Kann höchstens Empfehlung machen, zur neuen Doku-Reihe von Regisseurin Norma Percy. Die ist derzeit auf Arte zu sehen und da geht’s um die diplomatischen Auswirkungen der Amtszeit. Fast alles aus TV-Material oder Aufnahmen von Agenturen oder der jeweiligen Regierungen montiert. Sehr gut, wenn man nachdenken will, was da auf der visuellen Ebene so alles passiert ist, mit Inszenierung und Repräsentation. Eine berittene Marschkapelle kommt auch vor. Sehr gut.

Wem glaubst Du?

Schwierig. Es gibt viele Medien denen ich glaube. Aber wem glauben beschäftigt mich aktuell grad. Hab letztens rausgefunden, dass ich ein anderes Sternzeichen bin, als ich immer dachte

Dein letztes Wort?

Flussregenpfeifer


Samantha Zaugg
Samantha Zaugg ist freie Journalistin und Co-Redaktionsleiterin beim Magazin «Schweizer Journalist:in». Ausbildung am Maz in Luzern, derzeit studiert sie Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie ist Kolumnistin bei der Schweiz am Wochenende, schriebt für verschiedene Magazine und Zeitungen und arbeitet gelegentlich beim Schweizer Fernsehen. Lebt in Frauenfeld, warum weiss eigentlich niemand.
http://www.schweizer-journalist.ch/


Basel, 7. April 2021, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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