Sabine Knosala: «Fake News sind immer eine Gefahr – egal für wen»

Publiziert am 9. Dezember 2020 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute: Sabine Knosala, Redaktionsleiterin des Basler Kulturmagazins «ProgrammZeitung». Sie sagt, geschriebene Worte hätten auf jeden Fall Zukunft, die «Frage ist nur, in welcher Form sie künftig erscheinen werden». Ein Problem dabei: Bis jetzt habe noch niemand herausgefunden, wie sich mit digitalem Journalismus wirklich Geld verdienen lasse. «Ohne Geld gibt es aber keine Stellen für Journalistinnen und Journalisten.» Dazu kommt: Viele Menschen könnten im Internet «nicht zwischen seriösen und unseriösen Quellen unterscheiden». Das Problem werde noch dadurch verschärft, «dass viele Qualitätsinhalte hinter einer Paywall verborgen sind. Das schreckt viele ab.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Beim Frühstück esse ich tatsächlich nur Frühstück. Ich tue Dinge gerne bewusst und nicht nur so nebenher.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich ziehe LinkedIn Facebook vor. Bei Letzterem müsste ich eine Trennung von beruflichen und privaten Kontakten vornehmen, was ich umständlich finde.

Grundsätzlich gehöre ich zu der Generation, die noch nicht mit Social Media aufgewachsen ist. Will heissen: Ich bin mir der Wichtigkeit von Social Media zwar sehr bewusst, aber beim persönlichen Gebrauch ist noch Luft nach oben.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Ich bin noch news-affiner geworden, da die sich laufend ändernden Corona-Schutzmassnahmen einen grossen Einfluss auf meine Arbeit als Redaktionsleiterin der «ProgrammZeitung» haben. Als Kulturmagazin ist unser Magazin von den Einschränkungen im Kulturbereich stark betroffen.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Die Arbeitsbedingungen waren früher sicher besser, denn es gab schlicht mehr redaktionelle Stellen. Dadurch konnten mehr Themen aufgegriffen werden. Die Vielfalt in den Medien war grösser. Ein einfaches Beispiel: Noch vor wenigen Jahren waren an einer Gemeindeversammlung Journalistinnen oder Journalisten jeder grossen Zeitung der Region anwesend – oft sogar festangestellte Redaktionsmitglieder. Heute ist allenfalls noch eine freie Mitarbeiterin oder ein freier Mitarbeiter vor Ort.

Andererseits bietet die Digitalisierung heutzutage eine Riesenchance: Arbeitsabläufe sind einfacher und schneller geworden. Man denke nur an die digitale Fotografie. Auch wird dadurch der Austausch mit dem Publikum stark erleichtert. Dieses Feedback sollten wir ernst nehmen und in unsere Berichterstattung einfliessen lassen.

Zudem gibt es heute mehr Frauen in den Medien: Als ich vor über 20 Jahren als Journalistin angefangen habe, gab es tatsächlich Leute, die am Telefon nicht mit mir sprechen wollten, weil ich eine Frau bin, oder die fragten, ob ich neben der Schule noch ein bisschen schreibe (ich war damals Co-Leiterin einer Zeitung für 38 Gemeinden).

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja, auf jeden Fall! Die Frage ist nur, in welcher Form sie künftig erscheinen werden.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Man kann vieles lesen und daraus für sich persönlich einen Nutzen ziehen, solange man dies mit einem wachen und kritischen Geist tut.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich lese sie zu Ende. Das war schon als Kind so.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im Austausch mit Menschen – sei es nun im persönlichen Gespräch, per Telefon oder Mail.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Eine schwierige Frage. Zwar verlagert sich der Medienkonsum immer mehr ins Digitale. Bis jetzt hat aber noch niemand herausgefunden, wie sich damit wirklich Geld verdienen lässt. Ohne Geld gibt es aber keine Stellen für Journalistinnen und Journalisten.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Fake News sind immer eine Gefahr – egal für wen. Es ist toll, dass im Internet so viele Informationen frei zugänglich sind. Viele Leute können aber nicht zwischen seriösen und unseriösen Quellen unterscheiden. Das ist das Problem. Dazu kommt, dass viele Qualitätsinhalte hinter einer Paywall verborgen sind. Das schreckt viele ab.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich schaue die Tagesschau gerne live. So bin ich in Kürze gut informiert und es ist ein schönes Ritual. Filme schaue ich aber lieber dann, wann ich will, und das Radio schalte ich eher spontan ein – also nicht zu bestimmten Sendezeiten.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Nicht mehr, mein Arbeitsweg ist jetzt zu kurz. Als ich vor rund zehn Jahren täglich nach Zürich gependelt bin, kannte ich wahrscheinlich jeden damals verfügbaren Podcast. Damals hatte ich auch diverse Fernsehsendungen wie beispielsweise den «Weltspiegel» der ARD abonniert.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Es ist verständlich, dass in der heutigen Zeit, in der man mit, teils auch irrelevanten, Informationen geflutet wird, viele junge Leute keine Lust mehr auf News haben. Doch wie holt man sie zurück ins Boot? Das ist die grosse Frage.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Teilweise ja. Auch wenn viele Sportredaktorinnen und -redaktoren nicht mögen werden, was ich jetzt schreibe: Ich glaube schon, dass man einem Roboter beibringen kann, wann ein Fussballresultat schwach, gut oder phänomenal ist. Das gleiche gilt für Börsenberichte oder Ähnliches. Dagegen wird es immer Menschen brauchen, die gewichten, einordnen, vergleichen, Querverbindungen zwischen Themen herstellen und Schlüsse ziehen. Das kann keine Maschine übernehmen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Weder noch. Ich habe mal gelesen, dass die Zukunft in einer personalisierten Berichterstattung liegen könnte – also dass nicht mehr ein Medienprodukt für alle hergestellt wird, sondern dass jeder eine speziell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Ausgabe erhält. Beispielsweise würde dann ein junge Mutter mit drei Kindern andere Artikel erhalten wie der gut verdienende Single-Mann über 50 oder das pensionierte Ehepaar. Mit Hilfe der Digitalisierung könnte ich mir so etwas gut vorstellen.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja, unbedingt! Es wird immer jemanden brauchen, der Informationen filtert, sie allgemein verständlich aufbereitet sowie Zusammenhänge und Hintergründe erklärt. Die Arbeit auf einer Redaktion umfasst mehr als nur das Berichten von Ereignissen.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Die Notizen für meine Artikel schreibe ich stets von Hand.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Donald Trump ist ein Phänomen: Positiv gesehen hat er eine Diskussion über Fake News losgetreten, im negativen Sinne trägt er selbst zur Verbreitung von Fake News bei. Diejenigen Medien, die Trumps Ausführungen unkritisch wiedergeben, schaden dem Image der Branche insgesamt.

Wem glaubst Du?

Ich glaube jemandem, der gute Argumente hat und höre auf mein Bauchgefühl, das nach vielen Jahren im Beruf gut ausgeprägt ist.

Dein letztes Wort?

Auch im Zeitalter von Social Media sind Menschen an Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt interessiert. Das durfte ich 2019 erfahren, als sich zahlreiche Leserinnen und Leser für den Erhalt der letzten Redaktionsstelle «ihrer» Gemeindezeitung stark gemacht haben.


Sabine Knosala
Sabine Knosala leitet seit März 2020 die Redaktion der «ProgrammZeitung», der monatlichen Kulturzeitschrift für die Region Basel. Die 45-jährige Baselbieterin ist seit über 20 Jahren journalistisch tätig. Nach einigen Semestern Kunstgeschichte an der Universität schloss sie eine Diplomausbildung im Journalismus ab. Ihr beruflicher Werdegang führte sie auf diverse Lokalredaktionen im Raum Basel (beispielsweise als stellvertretende Chefredaktorin des Baslerstabs oder als langjährige Redaktorin des Birsfelder Anzeigers) und bis nach Zürich zum Konsumentenmagazin K-Tipp.
https://www.programmzeitung.ch


Basel, 9. Dezember 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Kostet nichts, bringt jeden Freitag ein Mail mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar, den aktuellen «Medienmenschen» einen Sachbuchtipp und einen Video-Buchtipp auf einen Roman:
www.matthiaszehnder.ch/abo/

 

Ein Kommentar zu "Sabine Knosala: «Fake News sind immer eine Gefahr – egal für wen»"

  1. Was „Fake News“ sind, scheint mit oft ebenso wirklich klar, wie was eine „Verschwörungstheorie“ ist. Es kommt mir manchmal so vor wie ein Versuch, Wahrheiten, die nicht sein dürfen, als Lügen zu diffamieren. Und auch das Umgekehrte findet statt: Lügen, die nicht als solche erkannt werden sollten, werden zu Wahrheiten veredelt, weil es sich dann leichter mit ihnen leben lässt. Oder anders gesagt: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber auch nicht alles, was nicht glänzt, ist auch kein Gold.

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