Reto Vogt: «Journalisten sind wichtiger als die Titel, für die sie schreiben.»
Das 287. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Reto Vogt, Chefredaktor von inside-it.ch. Der Computerfachjournalist sagt, er habe seine persönlichen Accounts bei Facebook und Instagram gelöscht, weil ihn «das Gebaren des Unternehmens Meta als Datenkrake gestört» habe. Er setzt stattdessen auf ein anderes Netzwerk: «LinkedIn ist tatsächlich seit Monaten mein liebstes und wichtigstes soziales Netzwerk.» Wenn man berücksichtigt, «wie viele Stellen querbeet durch alle Verlage gestrichen werden und wie viele hoch qualifizierte Kolleginnen und Kollegen den Journalismus verlassen», erstaune und freue ihn die hohe Qualität, die heute viele Medien produzieren. Auch deshalb findet er, man müsse nicht fragen, was man heute lesen soll: «Die Frage müsste lauten: Wen soll man heute unbedingt lesen. Journalistinnen und Journalisten sind wichtiger als die Titel, für die sie schreiben.» Er warnt davor, dass die Digitalisierung «zu komplizierteren und teureren Prozessen (und unzufriedeneren Mitarbeitenden)» führe, wenn sich «Unternehmen dabei gleichzeitig nicht neu erfinden.» In Bezug auf die Digitalisierung des Journalismus zieht er eine klare Grenze: «Selbst wenn es möglich wäre, Journalismus zu automatisieren, sollten wir es nicht tun.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Zum Frühstück gibts bei mir die Geschichten meiner Kinder.
Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram, LinkedIn, YouTube, TikTok und BeReal?
Meine persönlichen Accounts bei Facebook und Instagram habe ich gelöscht; ich sah erstens keinen Mehrwert mehr und zweitens hat mich das Gebaren des Unternehmens Meta als Datenkrake gestört. LinkedIn ist tatsächlich seit Monaten mein liebstes und wichtigstes soziales Netzwerk. Dort pflege ich einen guten, regelmässigen Austausch mit wirklich interessanten Menschen. YouTube nutze ich selten und BeReal musste ich googeln.
Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?
Mein Budget für Medien ist spürbar grösser geworden, insofern konsumiere ich mehr und diverser.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Wenn ich mir anschaue, wie viele Stellen querbeet durch alle Verlage gestrichen werden und wie viele hoch qualifizierte Kolleginnen und Kollegen den Journalismus verlassen, kann es heute nicht besser sein. Mich erstaunt und freut aber die hohe Qualität, die heute in vielen Medien trotz dieser Umstände produziert wird.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Unbedingt.
Was soll man heute unbedingt lesen?
Die Frage müsste lauten: Wen soll man heute unbedingt lesen. Journalistinnen und Journalisten sind wichtiger als die Titel, für die sie schreiben.
Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Ich habe fast schon keine Zeit für gute Bücher. Deshalb: Mit dem Weglegen von Schlechten habe ich kein Problem.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Früher bei Twitter. Heute suche ich noch nach der geeigneten Alternative. Bluesky ist es (noch?) nicht.
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Karl Valentin (oder je nach Quelle auch jemand anderes) soll gesagt haben: «Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.» Vielleicht früher als viele glauben, aber später als nötig?
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Eine grosse Gefahr. Sie rütteln an der Glaubwürdigkeit der Branche an sich, ihr grösstes und wichtigstes Gut. Und mit Künstlicher Intelligenz wird das alles leider nicht besser.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Es hilft mir bei meiner Aktivität als Sofasportler. Aber abgesehen von Sportübertragungen spielen lineare Übertragungen schon länger keine Rolle mehr bei mir.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Ja, viele. Am liebsten mag ich «Servus. Grüezi. Hallo.» von der «Zeit».
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?
Nichts Gutes. Es ist die Herausforderung für uns Journalistinnen und Journalisten, auch die junge Zielgruppe zu erreichen und von ihr gelesen zu werden.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Herr Supino sollte sich das Zitat Valentins zu Herzen nehmen. Selbst wenn es möglich wäre, Journalismus zu automatisieren, sollten wir es nicht tun. Es würde zu mehr Fake News und zu noch mehr News-Deprivierten führen.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Die Digitalisierung an sich führt allerhöchstens zu komplizierteren und teureren Prozessen (und unzufriedeneren Mitarbeitenden), wenn sich Unternehmen dabei gleichzeitig nicht neu erfinden und von Grund auf «digital» aufstellen. Das gilt für Taxibetriebe und Tankstellen genauso wie für Medienhäuser. Insofern kann Digitalisierung zu beidem führen – zur Befreiung und zum Tod. Es kommt einfach drauf an, wie sie gemacht wird. Schlau oder eben nicht.
Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Unbedingt, da führt kein Weg daran vorbei.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Nein. Mochte ich nie und konnte ich nie (schön).
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Schlecht. Er ist mitverantwortlich für die News-Deprivation vieler Menschen. Viele Medien sind aber mitschuldig, weil sie aus jeden Ton Trumps eine Geschichte gemacht haben.
Wem glaubst Du?
Guten Recherchen.
Dein letztes Wort?
Journalistinnen und Journalisten haben immer noch den schönsten und besten Job der Welt.
Reto Vogt
Familienmensch mit Zwillingen und Fussballfan. KV-Stift mit Berufsmatura und Studienabbrecher. Weil ich mit Zahlen nicht umgehen kann, scheiterte mein Studium der Wirtschaftsinformatik; weil es dafür mit Buchstaben etwas besser klappt, schreibe ich seit rund 18 Jahren für verschiedene Medien über IT, Computer, Digitalisierung und alles, was dazugehört. Seit September 2021 bin ich Chefredaktor von inside-it.ch.
retovogt.ch
Basel, 26. Juni 2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Seit Ende 2018 sind über 280 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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4 Kommentare zu "Reto Vogt: «Journalisten sind wichtiger als die Titel, für die sie schreiben.»"
„Unbedingt, da führt kein Weg daran vorbei“ heisst es heuer als Antwort im Fragebogeninterview. Es ist nicht Antwort auf die Frage ob „man genügend Gemüse essen soll“ oder ob „frische Luft gesund sei“.
„Braucht es eine CH-Medienförderung“ ist die Frage dazu. Bei der Antwort ein kurzes „-emfpinde ich“ danach und die Sache könnte man stehen lassen. So ist es ein Satz, der in Zweifel gezogen werden kann – denn „Medienförderung ist in einem liberalen Staat ein Unding. Die Demokratie baut auf dem freien Diskurs der Meinungen. Dafür braucht es Medien, die inhaltlich wie finanziell unabhängig sind. Länder, die Zeitungen und TV-Stationen staatlich kontrollieren und finanzieren, sind selten demokratisch – im Gegenteil. Dies zeigt, wie gefährlich das Thema Medienförderung ist! „Wessen Brot ich pick dessen Lied ich pfeif“ – seien wir ehrlich, so ist es doch. Frei nach Matthias Ackeret (auch ein MedienMensch): „Früher hatten die Politiker Angst vor den Medien (=weil kritisch und scharfsinnige Analysen und Aufdeckungen), heute haben die Medien Angst vor den Politikern (=welche, um genug Medienförderungsbrosamen abzubekommen, flattiert werden). Dies kann es doch auch nicht sein“
– e m p f i n d e i c h dabei….
Natürlich ist es mein Empfinden, wenn es meine Antwort auf eine Frage ist. Das impliziert ja alleine die Interview-Form des Texts.
Aber item: Medienförderung ist kein Unding, zumindest nicht in einem Rechtsstaat. Kleine Medien wie inside-it.ch und viele weitere sind alleine mit Online-Werbung auf Dauer nicht finanzierbar. Es braucht eine Unterstützung, irgendwelcher Art. Und staatliche Medienförderung würde ganz sicher nicht dazu führen, dass Medien dem Staat gegenüber weniger kritisch wären. Das geht gegen das Berufsethos von Journalistinnen und Journalisten.
Guten Tag R. Vogt: „Das geht gegen das Berufsethos von Journalistinnen und Journalisten.“ Da nehmen Sie aber ganz grosse Worte in den Mund. Denn: Auch Journalisten/innen sind „nur“ Menschen….
Beispiele zuhauf: Wir wissen alle noch um die düstere Corona-Zeit. Für „Blick“ lief es jedoch sensationell. Die direkte Standleitung zwischen BR-Berset und Blick bewährte sich so gut, dass das Boulevardblatt immer schon vor den Medienkonferenzen wusste, was geschehen wird. Jedem wurde klar, dass da Verbandelungen, Bevorzugungen und Connections bestanden. Als Gegenleistung nie ein schlechtes Wort über Berset und seine Corona-Politik, bei den juristischen Untersuchungen hielten sich Blick und Berset, also Medienhaus und Staat stets die Stange….
Das Onlineportal „Prime-News“ verlor bei mir in Basel jede Glaubwürdigkeit. Sobald die Handelskammer beider Basel eine Veranstaltung schmeisst, sitzt PN-Chefredaktor zuvorderst. Der Tenor ist klar: Positiv, interessant und gutwollend. Leserkommentare gegen Handelkammer-Ideen werden nicht veröffentlicht, noch schlimmer, deren Präsidentin von der „Die-Mitte“-Partei, NR-BL Schneiter-Schneider wurde bei NR-Wahlen supportet, es wurde ihr unkritisch viel Platz eingeräumt und wenn „Interviews“ geführt wurden, kann man sich denken, was für welche…. Die zahlreichen HKBB-Inserate durchs Jahr runden das „berufsethische“ Journi-Bild ab…
Frage mich auch stets, wieso „Coop“ bei Blick immer bestens wegkommt (immer – schon früher) und „Migros“ dauernd in die Pfanne gehauen wird… und frage mich dabei, welche „Vereinbarungen“ (welcher Art auch immer) bestehen dahinter vielleicht?….
Die letzte Medienförderungsabstimmung wurde abgelehnt, weil man den Menschen nicht klar machen kann, wieso Verleger wie CH-Media-Chef Wanner oder Tamedia-P. Suppino massiv „Steuerfranken“ erhalten sollen… Googeln sie mal, wie Hr. Wanner wohnt oder wieviel Zweitwohnsitze Hr. Suppino hat und wem eine der grössten Privatjachten in den Häfen Italiens gehört…. Da wird es halt schaurig schwierig mit Argumenten…
Bei Fachzeitschriften wäre auch das „Touring-Club-Journal“ (TCS-Revue) in Fördertopf gelangt. Nun – der TCS ist ein Millonenunternehmen, hauste frührer in hotelähnlichem Tempel direkt am Genfer See, leistete sich jetzt einen neueren Palast vom Feinsten mit Sterneküche, Suiten, mit Parkgarten und die „Dienstfahrzeuge“ jenes Prunk-Clubs sind germanische Modelle der Oberklasse. Die Marmor-Cigarrenlounge des TCS wäre der doch der ideale Ort, um über Fördergelder zu betteln….
Schwierig – diese Medienförderung. Deshalb erst gar nicht damit grossartig beginnen – spüre ich….
Am Week-End gestossen: Da gibt es doch eine Frau Dr. jur. Ellen Ringier. Ehefrau des passionierten Golfers und Tennisspielers Michael Ringier mit Engadiner und Zürichsee (Goldküste) – Domizil, Eigner des Ringier Verlages in der Schweiz – u. a. Herausgeber von „Fritz und Fränzi“ – Heftli, einer Herzensangelegenheit seiner Frau.
Doch das Geld ist knapp…. und fliesst mit Fritz oder Fränzi (wer heisst heut‘ noch so…) nicht so schwungvoll. Wie löst man die „Misere“? Kreativ! …und es wurden Gönner eingespannt, welche finazieren, finanzieren, finanzieren: Die „Walter Haefner Stiftung“ (Amag-Autoimporteur, einer der reichsten Clans der Schweiz), die Manawa-Foundation, die Happel-Fundation, die Kuma-Fundation, die „Rosmarie Mettler Stiftung“, die „UBS“, die Josef Müller Stiftung Muri, die Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung, die Else v. Sick Stiftung, die Hirschmann Stiftung, die Georg Fischer AG sowie die MBF Foundation….
Geld zieht also Geld an und: GELD ist also ohne Ende da, man muss es sich nur holen. Wünsche viel Erfolg und weiterhin Freude und Tatendrang an und mit Insideit.