Pia Guggenbühl: «Für herausragenden Journalismus wird es immer Platz haben.»

Publiziert am 21. Mai 2025 von Matthias Zehnder

Das 334. Fragebogeninterview, heute mit Pia Guggenbühl, Direktorin des Verlegerverbands Schweizer Medien (VSM). Sie sagt, die Herausforderungen durch «die Rückgänge im Werbemarkt, das veränderte Nutzerverhalten sowie die Dominanz von Big Tech und KI» seien enorm. Doch sie ist zuversichtlich für die Medien: «Das mobilisiert auch Kräfte». Auch im Werbemarkt: «Für Werbetreibende gewinnen journalistische Medien an Bedeutung», ist sie überzeugt, denn «Marken verlieren gemäss Konsumentenstudien im Kontext von Fehlinformationen an Vertrauen». Sie ist sicher, dass die Künstliche Intelligenz «den journalistischen Alltag immer stärker unterstützen» werde und «für guten Journalismus ein Booster sein» könne. Ohne Menschen gehe es aber nicht: «Journalisten hinterfragen, bewerten und kontextualisieren Informationen ganz anders, nämlich aus einer menschlichen Sicht.» Dazu gehörten der direkte soziale Austausch und persönliche Erfahrungen – «beides kann KI nicht ersetzen». Dass gleichzeitig die Erträge sinken und die Kosten steigen, das stelle «die Medienunternehmen vor besonders grosse Herausforderungen». Die mediale Informationsversorgung in den Regionen sei deshalb ernsthaft gefährdet. «Ohne die zusätzliche temporäre Erhöhung der Presseförderung muss mit der Einstellung von weiteren Zeitungen gerechnet werden.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Da halte ich es wie beim Zmorge-Buffet: eine ausgewogene Mischung zwischen lokalen, nationalen und auch internationalen Publikationen.

Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, X, Bluesky, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?

LinkedIn und Instagram ergänzen mein Medien-Menu – für verlässliche, glaubwürdige Informationen stehen journalistische Medien für mich aber selbstverständlich im Vordergrund.

Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?

Medienpolitische Themen sind seit meinem Amtsantritt als VSM-Direktorin noch wichtiger geworden – aus dem persönlichen Interesse ist eine berufliche Sicht entstanden.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Die Rückgänge im Werbemarkt, das veränderte Nutzerverhalten sowie die Dominanz von Big Tech und KI haben den Schweizer Medienplatz grundlegend verändert. Die Herausforderungen sind heute enorm – doch das mobilisiert auch Kräfte. Für herausragenden Journalismus hat es und wird es immer Platz haben.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja, mehr denn je. Denn das geschriebene Wort bietet einen eigenen wichtigen Reflexionsraum, der sich vom gesprochenen Wort oder dem Bewegtbild unterschiedet. Die verschiedenen Kommunikationsformen ergänzen sich indes bestens. Der VSM vertritt als Branchenorganisation über 100 private schweizerische Medienunternehmen, die zusammen rund 300 Publikationen herausgeben und zahlreiche digitale Newsplattformen sowie über 30 Radio- und TV-Sender betreiben.

Was soll man heute unbedingt lesen?

So viel wie möglich!

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Kann ich problemlos weglegen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In jedem Gespräch, auch mit wildfremden Personen. So zum Beispiel jüngst auf dem Rothorn, 3000 Meter über Meer.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange es Menschen gibt, welche das Haptische einer Zeitung schätzen, wird es diese auch geben.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Beides: Ohne sorgfältige Faktenüberprüfung – und das ist nicht immer ganz einfach – können Fake News auch für journalistische Medien zum Problem werden. Gleichzeitig sind sie eine Chance für die Medien: In Zeiten von Fake-News und KI-Bots auf Social Media sind journalistische Medien für die Demokratie zentrale Plattformen der freien Meinungsbildung. Für Werbetreibende gewinnen journalistische Medien an Bedeutung, denn Marken verlieren gemäss Konsumentenstudien im Kontext von Fehlinformationen an Vertrauen.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Lineares Radio vor allem während einer längeren Autofahrt, lineares TV bei Gross- oder Sportveranstaltungen – ansonsten gerne Radio und TV on demand, respektive gestreamt.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Gerne, dann und wann … die Mitglieder des VSM haben ganz spannende Formate entwickelt, in die reinzuhören es sich lohnt!

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?

Dieses Thema beschäftigt uns stark als Verband. Darum haben wir vergangenes Jahr die Medienkompetenz-Initiative «Use the News» lanciert, die genau dies ändern will. Es freut mich sehr, dass ich gemeinsam mit RTS-Direktor Pascal Crittin im Co-Präsidium wirken und unsere gemeinsamen Anstrengungen vorantreiben darf.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

KI wird den journalistischen Alltag immer stärker unterstützen und kann für guten Journalismus ein Booster sein. Journalisten hinterfragen, bewerten und kontextualisieren Informationen jedoch ganz anders, nämlich aus einer menschlichen Sicht. Dazu gehört der direkte soziale Austausch und persönliche Erfahrungen – beides kann KI nicht ersetzen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Die Digitalisierung verändert den Journalismus auf vielen Ebenen – unter anderem, wie Informationen erarbeitet, vermittelt und distribuiert werden. Damit schafft sie auch neue Chancen.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Die indirekte Presseförderung (IPF) hat sich seit über 150 Jahren bewährt und hilft den Medienunternehmen effektiv und zielgerichtet. Stark sinkende Erträge bei gleichzeitig steigenden Kosten und hohem Investitionsbedarf in die digitale Transformation stellen die Medienunternehmen aktuell vor besonders grosse Herausforderungen. Die mediale Informationsversorgung in den Regionen ist ernsthaft gefährdet. Ohne die zusätzliche temporäre Erhöhung der IPF muss mit der Einstellung von weiteren Zeitungen gerechnet werden.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja. Am liebsten Kärtchen an meine Liebsten.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

An News wird es uns mit ihm sicher nicht fehlen …

Wem glaubst Du?

Grundsätzlich allen – bis sie das Gegenteil beweisen sollten.

Dein letztes Wort?

Merci!


Pia Guggenbühl
Pia Guggenbühl ist seit Februar 2025 geschäftsführende Direktorin des Verlegerverbands Schweizer Medien (VSM). In dieser Funktion ist sie auch Mitglied des Ausschusses Stiftungsrat – Schweizer Presserat, Mitglied des Stiftungsrats der Stiftung für die Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation sowie Co-Präsidentin von UsetheNews. Sie verfügt über einen Masterabschluss in Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft sowie Kunstgeschichte und hat an den Universitäten Zürich und Florenz studiert. Nach journalistischen Tätigkeiten (Print, TV, Radio) war sie beruflich in Beratungs- und Führungsfunktionen an der Schnittstelle von Medien, Politik und Wirtschaft tätig – unter anderem für die Industrien Pharma und Chemie, Banken, Energie, FMCG sowie Hotellerie. Als ehemalige Kommunikationschefin der FDP Schweiz sowie aktuell als Gemeinderätin (Finanzvorsteherin) von Küsnacht (ZH) verfügt sie sowohl Erfahrungen auf der parlamentarischen Ebene als auch in der Exekutive.


Basel, 21.05.2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Bild: Alex Colle

Seit Ende 2018 sind über 300 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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Ein Kommentar zu "Pia Guggenbühl: «Für herausragenden Journalismus wird es immer Platz haben.»"

  1. Ich weiss, die (in)direkte Presseförderung und die SRG/SRF-Medien-Zwangs-Gebühren, welch jeder Haushalt ausgesetzt ist (immer mehr Haushalte durch Bevölkerungszuwachs und viele Firmen und KMU’s) sind zwei Paar Schuhe. Letztendlich ist es aber dem Bewohnenden in der Schweiz egal, denn es fehlt (einerlei unter welchem Namen) am Ende im Portemonnaie (via Steuerrechnung und SERAFE-Rechnung)….
    Irgendwann ist Zuviel zuviel. Und die Kungeleien zwischen den korrumpierten Verlegern und der korrumpierten SRG werden Enden. Schweiz/Europa/Weltweit…. Auf den Punkt gebracht deutsch und deutlich hier….

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