Peer Teuwsen: «Instagram habe ich gelöscht»

Publiziert am 2. Dezember 2020 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Journalist Peer Teuwsen, Leiter des Kulturteils der «NZZ am Sonntag». Er sagt, die meisten Medien seien heute besser als früher: «Die Texte sind besser geschrieben, die Journalisten sind besser ausgebildet und selbstkritischer, die Medien sind besser gemacht.» Was hingegen eindeutig schlechter geworden sei: «die Medien- und Meinungsvielfalt». Teuwsen macht sich keine Sorgen, dass Jugendliche weniger Medien und vor allem weniger Nachrichten konsumieren: «Wer an der Gesellschaft teilhaben will, muss sich informieren. Das wissen die Jungen, die es zu etwas bringen wollen.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Tut mir leid, weil es so erwartbar ist: die NZZ.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Instagram habe ich gelöscht. Ich habe diese so seelenlose wie schrankenlose Selbstvermarktung der Menschen dort nicht mehr ausgehalten. Facebook benutze ich, aber ohne jegliche Leidenschaft. Twitter hingegen ist ein hervorragendes Informationsmedium.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Ich lese noch mehr Bücher.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Das meiste ist natürlich besser. Die Texte sind besser geschrieben, die Journalisten sind besser ausgebildet und selbstkritischer, die Medien sind besser gemacht. Was eindeutig schlechter geworden ist: die Medien- und Meinungsvielfalt.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Solange der Gedanke eine Zukunft hat: natürlich.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Es gibt keinen Lesezwang. Mich aber haben zum Beispiel die «Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl» von Uwe Johnson geprägt. Wenn ich in New York bin, laufe ich jedes Mal den Riverside Drive entlang, wo das Buch wesentlich spielt.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Das muss ich können, sonst hätte ich schon längst ein Burn-Out.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Von anderen Menschen.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Einzelne wird es noch lange geben. Sie werden aber ein Luxusprodukt sein.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eine Chance, wenn auch eine, die mit viel Arbeit verbunden ist.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Lineares Fernsehen schaue ich nicht mehr. Radio höre ich schon, aber auch seltener. Ich versuche, sehr gezielt zu hören und zu schauen.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Natürlich. Ich mag «Hotel Matze».

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Wer an der Gesellschaft teilhaben will, muss sich informieren. Das wissen die Jungen, die es zu etwas bringen wollen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Ich denke, das wäre für den «Tages-Anzeiger» ein schlechtes Geschäftsmodell. Weil dies kein Journalismus ist.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Wer das nicht tut, hat das Zeitliche gesegnet. Und wer es nicht gut tut ebenfalls.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Selbstverständlich. Man schaue sich mal die Webseite der «New York Times» an.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, Einkaufszettel. Und Leserinnen, die mir von Hand schreiben, schreibe ich auch so zurück.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Er ist zu viel des Schlechten.

Wem glaubst Du?

Meinen Liebsten.

Dein letztes Wort?

«Was für eine grosse Menge an Abenteuern kann in seinem kleinen Leben von dem ergriffen werden, der sein Herz für alles interessiert.» Laurence Sterne.


Peer Teuwsen
Peer Teuwsen, geboren 1967, hat Germanistik, Philosophie und Wirtschaftsgeschichte in Berlin und Zürich studiert. Nach der Ringier-Journalistenschule arbeitete er beim «Tages-Anzeiger», beim «Magazin», bei der «Weltwoche» und bei der «Zeit». Gegenwärtig leitet er den Kulturteil der NZZ am Sonntag.
https://nzzas.nzz.ch/


Basel, 2. Dezember 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Kostet nichts, bringt jeden Freitag ein Mail mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar, den aktuellen «Medienmenschen» einen Sachbuchtipp und einen Video-Buchtipp auf einen Roman:
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3 Kommentare zu "Peer Teuwsen: «Instagram habe ich gelöscht»"

  1. „Was eindeutig schlechter geworden ist: Die Medien- und Meinungsvielfalt“ sagt Herr Teuwsen.
    Auch die NZZ weicht nur manchmal, aber nicht oft, vom offiz. Meinungs-Kurs ab. Von den anderen grossen Anbietern wollen wir erst gar nicht reden.
    Gottlob gibt es in der Schweiz noch Frei-Denker (keine Querdenker). Man kann halten von ihm was man will, aber Roger Köppel, welcher Verleger und Chefredaktor der „Weltwoche“ ist, ist so einer.
    Man liest in der WW (nebst neu 16 Seiten Kunst und Kultur) immer wieder andere Beleuchtungen und Betrachtungen, auch wenn einem die selbst nicht immer gefallen, ganz nach seinem Print-Motto: „Unabhängig, kritisch, gutgelaunt.“
    Dazu baute er, was auch der ganzen CH-Einheits-Mediensauce entgegenwirkt, sein Onlinebereich mit dem seit dieser Woche neuen „WeltwocheDaily“, welches neu MO-FR ab 6:30 Uhr „auf Sendung“ ist, aus.
    Dies ist der tägliche, „erfrischend-andere“ Meinungs-Espresso gegen den Mainstream-Tsunami, wie es heisst. Messerscharf analysiert, die Essenz der Essenz der Essenz und lasergenau auf den Punkt gebracht. (Premiere-Video unter Youtube „WeltwocheDaily 30.11.2020“ eingeben).
    Auch Markus Somm will mit seinen „Neuen-Medien-Plänen“, ob sie nun „Projekt Säntis“ https://www.persoenlich.com/medien/markus-somm-sucht-geld-fur-neues-medium oder „Nebelspalter“ https://www.persoenlich.com/medien/markus-somm-ubernimmt-den-nebelspalter heissen, den Einheitsthemen-Ozean beleben, zu dem man ihm nur gutes Gelingen wünschen kann.
    Auch die „Republik“ oder „Bajour“ sind solche „Abweichler“-Formate (im Positiven!), die es braucht.

    Interessant ist es, dass die vielen gescheiten Menschen im Medien-Fragebogen auf die präzis gestellte Frage: „Ist Trump gut oder schlecht für die Medien“ durchs Band immer so undifferenziert antworten. Auch jetzt wieder: „Er ist zu viel des Schlechten“. Schade, Herr Teuwsen. Da hätte ich von ihnen eine präzisiertere journalistische Antwort erwartet.

    1. Mich nähme dann noch wunder, was der «offiz. Meinungs-Kurs» ist.
      Und: Machen Sie eigentlich auf anderen Webseiten für den Wochenkommentar genauso häufig Werbung wie hier für Köppel und Somm? Mir ist schon klar, dass Köppel die Werbung nötig hat. Die «Weltwoche» hat unter Köppel von 2009 bis 2019 die verkaufte Auflage von rund 81’000 Ex. auf rund 41’000 Ex halbiert. Und auch Somm hat in Basel zwar für Schlagzeilen gesorgt, die Auflage der Zeitung aber in den Boden gerammt. Zahlenmässig war er wohl der schlechteste Chefredaktor seiner Zeit. So gesehen ist wohl etwas Mitleid am Platz.

      1. OK – Sie haben recht – den „offiz. Meinungs-Kurs“ (Offiz. im Sinne von Vorgegeben) gibt es in der Schweiz so nicht. Aber Tendenzen lassen sich schon ausmachen. Es wird oft einfach nicht mehr so kritisch hinterfragt, genau deswegen aber KAUFE ich doch noch eine Zeitung.
        Jetzt kommen wir ins Philosophieren: Gerade weil Hr. Köppel und Hr. Somm ihre Auflagen halbierten zeichnet es sie aus, bestätigt es, dass sie eben nicht den „Mainstream“ fuhren. TX-Supino will Cash sehen und fährt schön Mittig. Hinterfragen Ja – aber dort wo es niemandem weh tut, besonders nicht dem eigenen Kässeli. Bei AZ-Medien das selbe, denn das bitter verdiente Geld im Journalismus wird von den (unbeachteten) TV-Kanäle 5+,6+,7+,8+ usw. verschlungen, welche als Liebhaberei auf dem Peak viel zu teuer eingekauft wurden und heute nur noch kosten….
        Ich begreife ja die Herren Verleger. Als „Normalo-Firma“ geht es nicht mehr. Schade nur um ihre Produkt.
        Deshalb ist es sehr schade, dass auch das (gebührenfinanzierte) TV so aalglatt wurde. Wenn man es vergleicht mit dem TV der 80er und 90er Jahren, unter Direktor Schellenberg, dem unkonventionellen Herr, was da für Aufreger kamen, Storys, Formate mit Ecken und Kanten, richtige Verrücktheiten – der „Blick“ hatte damals immer was darüber zum Berichten und seine Leser zu unterhalten. Und heute: Würde Fr. Wappler solches noch inszenieren? Niemals mehr, dabei könnte/müsste sie es, weil gebührenfinanziert.
        Seien wir ehrlich: Die von mir erwähnten „Abweichler“-(im Positiven)-Titel sind alle noch andersweitig finanziert. „Die Republik“ durch Mitglieder und auch einige Gross-Spender im Hintergrund, bei Bajour gibt es auch noch Geldgeber – was doch alles gut ist, sonst müssten wir auf diese Formate alle Verzichten – ebenso bei der Weltwoche: Dort befindet sich auf der zweitletzten Seite immer ein ganzseitiges Ems-Chemie-Inserat, ob in guten oder schlechten Zeiten. Und Somm, der jetzt wirklich den „Nebelspalter „ übernimmt (Satiere, mal rechts – ganz was neues…), sagte offen, dass er Geldgeber wie Amag-Eigentümer Martin Haefner und ehem. SVP-Nationalrat Walter Frey im Hintergrund hat.
        So ist es. Gut, schlecht, Chance, Abhängigkeit ? – ich glaube, es gibt keine abschliessende Antwort. Es kommt darauf an, was man daraus macht.
        Sicher ist, dass wenn man etwas Unkonventionelles mit Tiefgang machen will, es heute kaum noch anders geht.

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