Patrik Müller: «Digitalisierung macht Journalismus reichhaltiger – und dessen Geschäftsmodell schwieriger»
Das 183. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Patrik Müller, Chefredaktor aller Titel von CH Media. Er sagt, «die Tageszeitungen müssten längst tot sein, würde man die Prognosen zum Nennwert nehmen». Er selbst beginnt den Tag nach wie vor mit Papier. Müller ist überzeugt, dass sich Journalismus nicht automatisieren lässt, «aber Texte schreiben, Resultate und Daten verarbeiten schon». Müller findet, Donald Trump sei «für die US-Medien, vor allem die linken,» ein «Geschenk des Himmels» gewesen. Müller sagt aber auch: «Pauschale Aussagen über ‹die Medien› widerstreben mir.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Ich beginne den Tag mit Papier: «Badener Tagblatt» und «NZZ».
Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?
Kaum mehr Facebook, ein bisschen Instagram, immer noch zu viel Twitter, wenn auch weniger als früher.
Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?
Eigentlich gar nicht.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Eher letzteres. Aber pauschale Aussagen über «die Medien» widerstreben mir.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Absolut. Immer. Etwas zutiefst Menschliches.
Was soll man heute unbedingt lesen?
News, Literatur, alles. Man kann nie genug lesen.
Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Zwei von drei Büchern verlieren mich im Verlauf der Lektüre. Ich höre einfach auf, wenn das Buch mich nicht mehr packt.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Bei Begegnungen mit Menschen ausserhalb meiner Bubble.
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Diese Frage wird an Kongressen seit 15 Jahren gestellt. Die Tageszeitungen müssten längst tot sein, würde man die Prognosen zum Nennwert nehmen.
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Beides. Das Gute: Fake News haben die Bedeutung und Notwendigkeit von Journalismus wieder offensichtlich gemacht.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Immer noch Teil meines Medienkonsums. Im TV vor allem Fussball.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Ja, vor allem zum Haushalten und Aufräumen. «The Daily» der «New York Times» hat bei mir den höchsten Marktanteil.
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?
Die Zahl muss uns zu denken geben. Wir sollten diese Leute ernst nehmen und uns mit ihnen auseinandersetzen.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Journalismus nicht, aber Texte schreiben, Resultate und Daten verarbeiten schon.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Sie macht Journalismus reichhaltiger – und dessen Geschäftsmodell schwieriger.
Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Eines Tages kommen wir im Lokalen wahrscheinlich nicht mehr drum herum.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Wenig.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Für die US-Medien, vor allem die linken, war er ein Geschenk des Himmels.
Wem glaubst Du?
Im Zweifel dem Journalisten und nicht der Kommunikationsstelle.
Dein letztes Wort?
Fällt hoffentlich nicht schon jetzt.
Patrik Müller
Patrik Müller, 47, hat in St. Gallen Betriebswirtschaft studiert und zunächst für die «Aargauer Zeitung» geschrieben. Nach Abstechern zu Tamedia und Ringier kehrte er 2007 zu den AZ Medien zurück, als Chefredaktor der damaligen «Schweiz am Sonntag». Seit Gründung von CH Media 2018 leitet er die Zentralredaktion, ab 1. Juli 2022 ist er Chefredaktor aller Titel von CH Media. 2018 war er für einen fünfmonatigen Forschungsaufenthalt als Visiting Scholar am Berkman Klein Center for Internet & Society der Harvard-Universität tätig.
https://chmedia.ch/
Basel, 29. Juni 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Seit Ende 2018 sind über 180 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier:
https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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Ein Kommentar zu "Patrik Müller: «Digitalisierung macht Journalismus reichhaltiger – und dessen Geschäftsmodell schwieriger»"
Zum Fragebogeninterview über Mediennutzung ist diese Antwort wahrscheinlich die kürzeste? Sie scheint mir zum Motto „Was ausser lachen soll ich sonst noch machen?“ zu passen.