Patrick Marcolli: «Gedruckte Tageszeitungen gibt es noch länger, als wir heute denken»

Publiziert am 13. November 2019 von Matthias Zehnder

Patrick Marcolli: «Gedruckte Tageszeitungen gibt es noch länger, als wir heute denken»

Das Fragebogeninterview mit Patrick Marcolli, Chefredaktor der Basler «bz», über seinen persönlichen Mediengebrauch, seinen Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Er sagt, Fake News seien eher für die Demokratie eine Gefahr. «Für Qualitätsmedien sind sie eine Herausforderung, die zur Chance werden kann.» Die zentrale Frage für ihn ist: «Was sind für wen eigentlich ‹News›?» Diese Frage sei für Medien und Gesellschaft gleichermassen immer schwieriger zu beantworten.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

«Der Spiegel» und der «Guardian» auf dem Handy, die gedruckte «bz» und die gedruckte «BaZ».

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich bin abstinent.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Für News zuerst online, und zwar möglichst breit und global. Am nächsten Tag «gemischt»: Tageszeitungen mit Kommentaren und Online für aktuelle Entwicklungen.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Wie immer in der Geschichte (und im Leben) war früher weder alles besser noch schlechter. Alles ist als Entwicklung, als Prozess zu sehen. In diesem Sinn: Es war vieles anders.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Mehr denn je!

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Ich denke nicht, dass «man» etwas lesen «MUSS».

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich kann sie sehr gut vor ihrem Ende weglegen, die Bücher, die mir nicht gefallen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Aus dem Ressort «Technik & Motor» der «Frankfurter Allgemeinen».

Können Medien eine Stadt prägen – oder ist es umgekehrt?

Ich sehe dies als Wechselwirkung. Im besten Fall ist sie konstruktiv für beide Seiten.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Länger, als wir heute denken.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Fake News sind eher für die Demokratie eine Gefahr. Für Qualitätsmedien sind sie eine Herausforderung, die zur Chance werden kann.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ein Fernseh- oder Radiogerät gibt es bei mir seit Jahren nicht mehr. Ich höre ab und zu nachts via Netz aus Nostalgie das Inforadio des Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb). Lineares Fernsehen am Computer gibt es bei mir nur für das «Heute-Journal» (ZDF), für den «Tatort» und für Fussball.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Nein. Und nein.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Was sind für wen eigentlich «News»? Diese Frage ist für Medien und Gesellschaft gleichermassen immer schwieriger zu beantworten. Sollten bei der erwähnten Umfrage politische/demokratierelevante News gemeint sein, dann ist es ein Alarmzeichen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Nur wenn die Leser auch Roboter sind.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Gibt es unprofessionellen Journalismus?

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

An Pressekonferenzen.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Beides.

Wem glaubst Du?

Glauben ist für mich keine Kategorie. Vertrauen schon. Ich vertraue einigen mir nahestehenden Menschen.

Dein letztes Wort?

Ich mag nicht das letzte Wort haben.


Patrick Marcolli
Patrick Marcolli (*1970 in Basel), Historiker. Seit 1997 vollamtlicher Redaktor und Journalist. Lange bei der «Basler Zeitung», unter anderem als Korrespondent in Berlin. Seit einem Jahr Chefredaktor bei der «bz». Dazwischen fast vier Jahre Kommunikationsleiter bei Herzog & de Meuron.
https://www.bzbasel.ch/


Basel, 13. November 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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