Nina Fargahi: «In den Redaktionen mangelt es an Diversität»

Publiziert am 11. September 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Nina Fargahi, Chefredaktorin von «Edito», über ihren persönlichen Mediengebrauch, ihren Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Sie sagt, Frauen seien sowohl im Journalismus als auch in der Berichterstattung massiv untervertreten. Zudem: «In den meisten Redaktionen mangelt es an Diversität, obwohl jede dritte Schweizerin, jeder dritte Schweizer einen Migrationshintergrund hat. Das muss sich ändern.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Im besten Fall verläuft mein Frühstück ohne Nachrichten.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Twitter nutze ich häufiger als Facebook und Insta.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Radio, verschiedene Newsportale…

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Sparmassnahmen und Stellenabbau in vielen Redaktionen sind natürlich zu beklagen. Noch immer sind Frauen im Journalismus als auch in der Berichterstattung massiv untervertreten. In den meisten Redaktionen mangelt es an Diversität, obwohl jede dritte Schweizerin, jeder dritte Schweizer einen Migrationshintergrund hat. Das muss sich ändern.

Qualitativ ist einiges auch besser geworden, Native Ads werden meistens als solche deklariert, was früher weniger Usus war. Einige (wenige) Redaktionen achten vermehrt auf die Sprache und pflegen eine regelmässige Blattkritik, Recherchen können dank Visuals und Datenjournalismus sowie durch internationale Kooperationen tiefschürfender sein.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Bestimmt.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Die Gedichte von Maya Angelou.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Weglegen. Was schlecht anfängt, endet selten gut.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Wenn ich mit Menschen spreche und Zeit verbringe, die ganz andere Lebensentwürfe haben als ich.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

In dieser Form, wie sie heute sind, wohl nicht mehr allzu lange.

Und was passiert mit dem Journalismus in der Schweiz, wenn sich das Drucken und Verteilen von Tageszeitungen nicht mehr finanzieren lässt?

…dann müssen gute Ideen her. Es ist klar, dass der Journalismus neue Finanzierungsmodelle braucht.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Missinformationen können heute ziemlich einfach verbreitet und via Social Media ohne Filter gestreut werden. Oft teilen die Leute Fake News, um ihre eigene, angsterfüllte Weltsicht zu reproduzieren, auch wenn dabei die Wahrheit auf der Strecke bleibt. Für Medienschaffende heisst das, Informationen rigoros auf Fakten zu prüfen, was Zeit und Ressourcen braucht.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich streame punktuell Fernsehsendungen, Radio höre ich eher linear.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja, zum Beispiel «The Daily».

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Es kommt wohl darauf an, von welchen News sie depriviert sind. Die jungen Menschen, die ich so antreffe, sind sehr gut informiert und interessiert. Um gewisse Dinge zu verstehen, hilft es manchmal, etwas Abstand zu nehmen von den Newstickern, den Push-Meldungen und den vielen Schlagzeilen. Für gewisse Massenmedien könnte das bedeuten, dass sie einen gut recherchierten Artikel auch mal länger auf der Website stehenlassen können, statt jede Stunde «neues Futter» zu liefern. Ich glaube, man kann «news-depriviert» und trotzdem informiert sein.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Standardisierte Meldungen, zum Beispiel Börsen- und Finanznachrichten, oder einfache Wahlberichterstattungen, sind automatisierbar. Das gibt es bei Tamedia bereits. Wenn es darum geht, Zusammenhänge zu erkennen, Informationen einzuordnen, zu analysieren und kritisch zu beleuchten, braucht es Journalistinnen und Journalisten, die ihr Handwerk verstehen. Auch Essays, Porträts oder Reportagen können nicht von Robotern geschrieben werden.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Natürlich, auch wenn er sich verändern muss. Aber das gilt für jeden Bereich. Panta rhei!

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Sehr oft sogar.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Es ist ja schon widersprüchlich: Einerseits beschimpft Trump die Medien als Lügenpresse, andererseits schenkt er ihnen Aufmerksamkeit. Viele liberale Medien profitieren ökonomisch von seiner Präsidentschaft, weil ihre Auflagen und Klickzahlen steigen; gleichzeitig wissen sie, wie problematisch Trumps Umgang mit den Medienschaffenden ist. So gilt auch bei Trump: So lange der Journalismus unabhängig und kritisch bleibt, kann er auch von einem Phänomen wie Trump profitieren.

Wem glaubst Du?

Höre der Worte, glaube den Taten.

Dein letztes Wort?

Auf Wiedersehen!


Nina Fargahi

Nina Fargahi ist Chefredaktorin des Schweizer Medienmagazins Edito. Sie hat Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen studiert. Von 2011 bis 2017 war sie für die NZZ tätig. 2012 ist sie mit dem Schweizer Medienpreis für Lokaljournalismus ausgezeichnet worden. Sie arbeitet in Zürich und Basel.

https://www.edito.ch/


Basel, 11. September 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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