Nina Belz: «Donald Trump war eine Herausforderung für die Medien – grundsätzlich ist das nie schlecht»

Publiziert am 20. Juli 2022 von Matthias Zehnder

Das 186. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Nina Belz, Frankreich-Korrespondentin der «NZZ» in Paris. Sie sagt, Fake News seien eine Chance für die Medien. «Sie müssen für ihre Glaubwürdigkeit kämpfen. Das macht sie nur besser.» Nina Belz ist zuversichtlich, dass es Zeitungen weiterhin gibt, auch wenn es Text bald «noch auf Webseiten oder Tablets statt auf Papier» zu lesen gibt. Denn: «Lesen befriedigt andere Bedürfnisse als hören oder schauen.» Sie hätte zwar «manchmal gern die Zeit, die man für einen Artikel vor zehn Jahren noch nahm und die Mittel, die die Kollegen vor dreissig Jahren hatten». Dafür sei die Arbeit als Journalistin heute «dynamischer, flexibler und durch die digitalen Möglichkeiten vielfältiger.» 

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eher eine Chance. Sie müssen für ihre Glaubwürdigkeit kämpfen. Das macht sie nur besser. 

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Franceinfo oder France Inter – und Twitter.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram? 

Facebook und Twitter nutze ich fast nur beruflich. Sind gut, um Themen und Trends aufzuspüren oder Gesprächspartner zu finden. Instagram befriedigt meinen privaten Voyeurismus.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Im Konsum kaum. Bei der Arbeit ging’s mir wohl wie vielen: weniger reisen, mehr Zoom/Teams-Gespräche. Zweifellos effizienter, aber grade als Korrespondentin viel weniger interessant. 

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter? 

Weder noch. Ich hätte heute manchmal gern die Zeit, die man für einen Artikel vor zehn Jahren noch nahm und die Mittel, die die Kollegen vor dreissig Jahren hatten. Dafür finde ich die Arbeit dynamischer, flexibler und durch die digitalen Möglichkeiten vielfältiger.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja, aber vielleicht stehen sie irgendwann nur noch auf Webseiten oder Tablets statt auf Papier. Lesen befriedigt andere Bedürfnisse als hören oder schauen. Und ganz generell: Eine E-Mail wird für mich nie die von Hand geschriebene Karte ersetzen.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Worauf man Lust hat.

 

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ja, da ich allgemein zu wenig Zeit für Bücher habe, bin ich da gnadenlos.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im Alltag: Auf dem Markt, beim Arzt im Wartezimmer, auf dem Spielplatz. Und natürlich auf Recherche. Oft dauern meine Gespräche viel länger als vorgesehen, weil sie sich auf andere Themen ausweiten – und ich so viel über die Menschen und über Frankreich erfahre. Dafür liebe ich meinen Beruf.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Länger, als die meisten wohl denken. Sie wurden schon so oft totgesagt. 

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eher eine Chance. Sie müssen für ihre Glaubwürdigkeit kämpfen. Das macht sie nur besser. 

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen? 

Radio höre täglich und oft mehrmals. Fernsehen nur, wenn es etwas gibt, dass ich nicht verpassen darf: Macrons Fernsehansprachen zum Beispiel. 

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja, am liebsten beim Joggen oder Putzen. Ich mag «Gesichter Europas» vom Deutschlandfunk sehr, sonst suche ich oft nach Themen, die mich in dem Moment interessieren, sehr gerne zum Beispiel bei France Culture.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Dass wir uns etwas einfallen lassen sollten… aber was: da bin ich selbst etwas ratlos. 

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Nein. Streng genommen steht hinter jeder Meldung erst eine Person, die sie vernommen und weitergeleitet oder aufgeschrieben hat. Und gute, authentische Reportagen aus der AI-Welt… kann ich mir zumindest nicht vorstellen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Weder noch. Sie eröffnet neue Wege der Mediennutzung und der News-Verarbeitung. Wichtig scheint mir, dass man trotz des veränderten Umfelds den journalistischen Standards und Ansprüchen treu bleibt. 

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Nein. 

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Notizen auf Recherche – immer. Ausserdem: Einkaufszettel, Briefe, Post- und Geburtstagskarten. 

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Er war eine Herausforderung – grundsätzlich ist das nie schlecht.

Wem glaubst Du?

Dem Wecker.

Dein letztes Wort?

In Interviews immer: Haben wir eine Frage vergessen?


Nina Belz
Nina Belz, geboren 1983 in Frauenfeld, hat in Zürich Politikwissenschaften, Völker- und Staatsrecht studiert. Ein Praktikum in Südkorea brachte ihr Ostasien sowie den Journalismus näher. Schreiben lernte sie vor allem im zweijährigen Volontariat bei der «F.A.Z.». Seit 2012 ist sie Mitglied der Auslandredaktion der NZZ, wo sie zunächst Ost-und Südostasien betreute, bevor sie 2018 Korrespondentin in Paris wurde.
https://www.nzz.ch/impressum/nina-belz-ld.665514


Basel, 20. Juli 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Foto: Carolina Arantes

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2 Kommentare zu "Nina Belz: «Donald Trump war eine Herausforderung für die Medien – grundsätzlich ist das nie schlecht»"

  1. Gutes Interview, gute Medienschaffende.
    Nur bei einer Antwort musste ich lachen: «Fernsehen schaue ich nur, wenn es etwas gibt, dass ich nicht verpassen darf: Macrons Fernsehansprachen zum Beispiel.»
    Nun, dessen Herrn Fernsehansprachen lohnen sich aber nicht, den TV-Apparat einzuschalten. Man kann von Corona-Politiken halten was man will, aber dieser Herr, weg vom Leben, weg von der Realität, verwechselt sich wohl zu gerne mit dem Sonnenkönig. Denn zu Ungeimpften, also zu Menschen, zu Einwohnern, zu «Untergebenen» sagt man alles, aber nicht dies:
    «Ich werde Impfgegner piesacken.» Dabei verwendete er das Verb „emmerder“, das auf das Wort „merde“ zurückgeht, den französischen Begriff für Scheiße.
    Doch der feine franz. Schnösel ging noch weiter: «Ich werde sie „bis zum Ende nerven“.» In einem anderen Blatt wurde er noch deutlicher: «Ich habe große Lust, die Ungeimpften zu nerven.» «Ich werde sie nicht ins Gefängnis stecken, ich werde sie nicht zwangsimpfen,» sagte Macron über ungeimpfte Menschen, keulenschwingend drohend aber: «Ab dem 15. Januar könnt ihr nicht mehr ins Restaurant gehen, ihr könnt keinen Rotwein mehr trinken, ihr könnt nicht mehr Kaffee trinken gehen, ihr könnt nicht mehr ins Theater gehen, ihr könnt nicht mehr ins Kino gehen» und weiter: „Also, die Ungeimpften, die möchte ich gerne fertigmachen. Und deshalb werden wir das auch weiterhin tun, bis zum bitteren Ende“, zitierte ihn die Zeitung Le Parisien in einem Interview.
    Für dieses totalitäre, diktatorische Gebahren, diese Kriegserklärungen an die hälfte der Bürger, dieser 2. Weltkriegs-Drill-Ton – dafür lohnt sich keine Elektrizität zu verbrauchen.
    Aprops: Elektrizität, Strom, Gas, Wärme: Dieser Herr hat z.Z. ganz andere Probleme bekommen. Ist dieser Süsswassersegler, dieser Schönwetterkapitän welcher sich in den 230 (allesamt geheizten) Prunk- und Goldsälen des Pariser Regierungspalast aus seinem Lehnstuhl beugte hier auch so hart, allwissend und problemlösend?
    Diesen Winter müssen die Bürger Wärme haben, und nicht nur warme Luft aus Macrons Grossmaul.

  2. Herr Trump war und bleibt in mindestens doppelter Hinsicht eine totale Herausforderung für die Medien. Einmal an sich, weil er ganz extrem krass nicht der sogenannten Political Correctness entspricht, die alle bis zum Geht-nicht-mehr von Mächtigen gewohnt sind, die mehr oder weniger viel reden, ohne wahrhaftig und wirklich etwas zu sagen. Und zweitens, weil Trump nicht die Fortsetzung einer Normalität propagiert hat, auf die der Mainstream setzt.

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