Nicoletta Cimmino: «Ich kann mir ein Leben ohne gedruckte Tageszeitungen fast nicht vorstellen»

Publiziert am 5. Dezember 2018 von Matthias Zehnder

Das Fragebogen-Interview mit «Echo der Zeit»-Moderatorin Nicoletta Cimmino über ihren persönlichen Mediengebrauch, den Umgang mit Handy, Facebook und digitale Assistenten und die Zukunft des Journalismus.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich konsumiere beim Frühstück kein Medium, sondern rede mit meiner Tochter. Bevor sie wach ist, lese ich den Newsletter der Republik und werfe einen Blick ins Netz: Tagi, NZZ und Twitter. Sobald sie in die Schule geht, schalte ich das Radio ein und höre SRF 4 News.

Hörst oder liest Du Nachrichten lieber? Im Zweifel also lieber Ton oder Text?

Das ist eine fiese Frage. Ich höre Nachrichten gern, sie sind mein Beruf, ich bin ein auditiver Mensch. Müsste ich mich aber entscheiden, ob ich nur noch hören oder nur noch lesen dürfte, dann würde ich mich zweifellos für den Text entscheiden.

Was ist aktuell das Hintergrundbild auf Deinem Handy?

Ein Bild, das ich frühmorgens auf dem Schiff geschossen habe, welches mich vergangenen September von Palermo nach Napoli brachte. Sonnenaufgang auf offenem Meer. Kitschiges Bild, glücklicher Augenblick.

Und wie tönt der Klingelton?

Ich hab mein Handy immer auf lautlos, was mein Umfeld zuverlässig nervt.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Alle drei. Facebook in der Tendenz eher persönlich. Twitter beruflich. Instagram als visuelles Logbuch meines Alltags.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Ich schalte das Radio und das Fernsehen ein und verfolge auf dem Handy Twitter .

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Geschriebene Worte haben eine glänzende und gloriose Zukunft. Sie sind unsterblich.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

So Vieles! Ganz sicher aber «a moveable feast» von Ernest Hemingway

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Ich weiss es nicht. Die Experten sagen uns: nicht mehr lange. Ich kann mir ein Leben ohne gedruckte Tageszeitungen fast nicht vorstellen.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich höre in der Freizeit SRF 4 News und SRF 2 Kultur. Fernsehen live die «Tagesschau» und so oft es geht «10 vor 10» und die «Rundschau». «SRF Global» und «Kulturplatz» nicht live, sondern à la carte. Und von «ZIB 2» auf ORF schaue ich oft gezielt nur die Live-Interviews, zur persönlichen Weiterbildung.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich habe eine komplizierte Beziehung zu Podcasts. Es gibt zu viel Schlechte. Mit endlosem Geleier, unsorgfältig produziert.  Zudem hab ich das Problem, dass mich gewisse Ticks der SprecherInnen dermassen nerven, dass ich mich nicht mehr auf den Inhalt konzentrieren kann. Ein Podcast den ich mag ist «meet the writers» von Monocle. Da werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu ihrer Arbeit und ihrer Schreibmethodik befragt.

Sind digitale Assistenten wie Alexa oder Google Home eine neue Chance für das Radio – oder eine Gefahr für die Menschheit?

Alles was hilft, Audio zu den Menschen zu bringen, könnte eine Chance für das Radio sein.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Ich habe mich schon ein paar Mal gefragt, ob das Wort «depriviert» in diesem Zusammenhang überhaupt passend ist. Jemand deprivierter ist ja jemand , dem etwas nicht zugebilligt oder zugestanden wird. Der keinen Zugriff hat auf etwas. Nun ist es aber nicht so, dass es zu wenige Angebote gäbe zur Information. Nur nutzen das eben diese «News-Abstinenten» nicht.

Ich bin ein bisschen ratlos, wie wir das ändern können. Reicht es , wenn wir unser Angebot noch besser zugänglich machen, quasi die Kanäle damit infiltrieren, wo diese «News-Deprivierten» sind? Wie so trojanische Pferde?

Ich finde aber auch: Die jungen Menschen, denen ich begegne, hören vielleicht nicht jeden Abend das «Echo der Zeit» oder lesen eine Zeitung von vorne bis hinten durch. Sie sind aber in der Regel sehr differenziert und auch interessiert.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Wenn ich keine Zukunft mehr für professionellen Journalismus sehen würde, müsste ich meinen Job sofort künden. Natürlich hat er eine Zukunft .Wenn man sich für ihn engagiert, sich zu ihm bekennt – ohne wenn und aber. Und wenn man den Journalistinnen und Journalisten die nötige Zeit, das nötige Geld, die Werkzeuge und die Rückendeckung gibt, die es dafür braucht. Die Realität sieht an vielen Orten anders aus.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, persönliche Briefe, meine ominösen To-Do-Listen und Einkaufszettel.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Sowohl als auch. Er zwingt uns dazu, noch genauer, noch sorgfältiger zu arbeiten, um seine Vorwürfe, wir würden Fake News verbreiten, Lügen zu strafen. Seine eigenwillige Definition von Wahrheit ist Herausforderung und Ansporn zugleich.

Trotzdem empört es mich, wie leichtfertig Donald Trump und andere Politiker wie Matteo Salvini oder Miloš Zeman Journalistinnen und Journalisten und deren Arbeit diffamieren. Wie sie aus kritischen Medien Feindbilder machen.

Welches Medium begleitet Dich ins Bett?

Keines

Wem glaubst Du?

Karin und Nadja.

Dein letztes Wort?

Ich hab fast immer das letzte Wort.

Nicoletta Cimmino
Die 43-jährige Journalistin ist eine der Anchor-Stimmen der politischen Hintergrundsendung «Echo der Zeit» von Radio SRF. Nicoletta Cimmino absolvierte nach der Handelsschule ein zweisprachiges Volontariat bei Radio Canal 3 in Biel/Bienne. Danach wechselte sie als Redaktorin, Moderatorin und Reporterin zu «Radio 24» in Zürich. Als Tagesproduzentin kam sie 2004 zu DRS 1. In der Informationsabteilung von Radio SRF begann Nicoletta Cimmino als Nachrichtenredaktorin, danach moderierte sie die Sendungen «Info 3» und «HeuteMorgen» und war bis 2016 Mitglied der Inlandredaktion. Seit 2016 moderiert sie die Flaggschiff-Sendung von Radio SRF.
https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/

Basel, 5. Dezember 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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