Matthias Kündig: «Anbiedern funktioniert nicht»

Publiziert am 5. April 2023 von Matthias Zehnder

Das 223. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Matthias Kündig, Redaktionsleiter von «Echo der Zeit». Kündig war während der Amtszeit von Donald Trump USA-Korrespondent von Radio SRF uns sagt: «Die dortigen Medien haben wirtschaftlich stark von Trump profitiert.» Aber auch in der Schweiz hätten viele Medienschaffende «den Kapriolen des damaligen Präsidenten zu viel Beachtung geschenkt». Kündig findet ohnehin, dass «in Schweizer Medien unverhältnismässig viel über die USA berichtet» werde. Was ihm hierzulande Sorgen macht: «Die Gruppe der Menschen, die ihre Informationen von Push-Mitteilungen beziehen und dennoch zu allem eine Meinung haben, scheint zuzunehmen.» Den Medienkonsum von jungen Menschen mag er nicht so schwarz sehen, wie das Studien vermitteln, und warnt: «Was die Medien bestimmt nicht tun sollten: versuchen, den vermeintlichen Bedürfnissen von Jungen zu entsprechen, in Länge, Form und Ansprache.» Kündig ist überzeugt: «Junge wollen ernst genommen werden.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Das Radio: SRF4news, BBC world service und Deutschlandfunk.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Social Media sind für mich sekundäre Medien. Sie zeigen mir vor allem an, worüber sich eine Mehrheit zu einem bestimmten Moment aufregt oder ergötzt. Sonst sind sie aber vor allem «weapons of mass distraction».

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Eigentlich nicht gross. Es stehen mehr Kommunikationskanäle offen für Interviews.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Weder noch. Zwar sind viele Tageszeitungen der Konzentration zum Opfer gefallen, dafür sind neue Online-Plattformen entstanden.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Unbedingt.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Bücher, sowohl Romane wie auch Sachbücher.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Früher fiel mir das Weglegen schwer; heute bin ich beim Lesen ungeduldig. Meine freie Zeit ist zu knapp, als dass ich sie mit einem schlechten Buch verbringen mag.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In Gesprächen mit Freunden und Bekannten, oder bei zufälligen Begegnungen im Alltag oder auf Reisen mit Menschen in der realen Welt.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange es noch genügend Menschen gibt, die bereit sind, dafür Geld auszugeben (Konsumentinnen und Verleger).

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Der Begriff «fake news» ist ein etwas diffuses Schlagwort. Fehlerhafte Berichte und auch das gezielte Verbreiten von Lügen und Diffamierungen hat es schon immer gegeben. Mit dem Internet und Social Media hat höchstens die Menge und die Geschwindigkeit der Verbreitung zugenommen. Fake News sind für Journalistinnen und Journalisten vor allem Ansporn gründlich zu recherchieren, Fakten zu überprüfen und Falschmeldungen zu entlarven.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Morgens höre ich Radio linear (siehe oben), später am Tag jedoch zeitversetzt. Einen Fernseher habe ich seit meiner Rückkehr aus den USA nicht mehr.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Selbstverständlich ist «Echo der Zeit» mein Lieblingspodcast. Ich höre auch regelmässig «News+», ab und zu «Pod Save The World», «Pod Save America» und die «Ezra Klein Show».

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Mich nimmt wunder, ob diese Zahl in den letzten Jahren tatsächlich deutlich gestiegen ist. Auch ich habe in diesem Altersabschnitt nur selten Zeitung gelesen oder bewusst Radio-Nachrichten konsumiert. Was mir mehr Sorgen bereitet, ist die abnehmende Medienkompetenz. Die Gruppe der Menschen, die ihre Informationen von Push-Mitteilungen beziehen und dennoch zu allem eine Meinung haben, scheint zuzunehmen.

Was die Medien bestimmt nicht tun sollten: versuchen, den vermeintlichen Bedürfnissen von Jungen zu entsprechen, in Länge, Form und Ansprache. Anbiedern funktioniert nicht; Junge wollen ernst genommen werden.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Rein technisch wird das sicher möglich sein. Aber ob dies dann beim Publikum auch erfolgreich sein wird, bezweifle ich. Denn eine gute Reportage, eine intelligente Analyse oder ein spannendes Interview lebt von eigenständigem Denken und von Erfahrungen in der realen Welt.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Ich halte ebenso wenig von Kulturpessimismus wie von bedingungsloser Fortschrittsgläubigkeit. Die Digitalisierung hat uns neue Werkzeuge in die Hand gegeben. Entscheidend ist, was wir damit anstellen.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Ja. In einer direkten Demokratie braucht es Medien, die unabhängige und fundierte Informationen bereitstellen, mit denen sich Bürgerinnen und Bürger eine eigene Meinung bilden können. Guter Informationsjournalismus kostet viel Geld. Eine Sendung wie «Echo der Zeit» liesse sich im freien Markt nicht finanzieren.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, täglich.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Ich war von 2018 bis 2022 in den USA. Die dortigen Medien haben wirtschaftlich stark von Trump profitiert. Die Auflagezahlen und Einschaltquoten sind nach seiner Abwahl aber wieder gesunken. Leider sind viele Journalistinnen und Journalisten vor allem auf dem Erregungskarussell mitgeritten und haben sich damit instrumentalisieren lassen. Aber auch in der Schweiz haben viele Medienschaffende den Kapriolen des damaligen Präsidenten zu viel Beachtung geschenkt. Ohnehin wird in Schweizer Medien unverhältnismässig viel über die USA berichtet. Das kommt auch daher, dass in keinem anderen Land eine derart riesige Medienmaschinerie existiert, die täglich unzählige  Bilder, Töne und Geschichten produziert.

Wem glaubst Du?

Dem was ich selbst sehe, höre und erlebe.

Dein letztes Wort?

Man muss nicht immer das letzte Wort haben.


Matthias Kündig
Matthias Kündig hat nach der Lehrerausbildung Geschichte und Politologie Geschichte und Politologie an der Universität Bern und Journalismus an der Fachhochschule Winterthur studiert. Seit über 30 Jahren arbeitet Kündig bei Radio SRF: zunächst als Redaktor, Reporter, Moderator und Produzent für Sendungen wie «Input», «Heute Morgen» oder «Echo der Zeit». Von 2018 bis 2022 berichtete er für SRF als Korrespondent für die USA und Mittelamerika aus Miami. Seit Sommer 2022 ist Kündig Redaktionsleiter der politischen Hintergrundsendung «Echo der Zeit».
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit


Basel, 5. April 2023, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Seit Ende 2018 sind über 200 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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Ein Kommentar zu "Matthias Kündig: «Anbiedern funktioniert nicht»"

  1. ……Irritierend festzustellen, wie immer noch sehr viele CH-Medienschaffende zum grossen, deutschsprachigen „Bruder“ (oder „Schwester“) Germania rüberschielen und die dortigen (öffentlich-rechtlichen Anstalten von DLF bis ARD) wie trockene helvetische Schwämme aufsaugen.
    Dabei weiss man um die grosse Nähe zu Regierung, Politik, Bestechungen (vergl. meinen Kommentar unter „Wann ist ein Foto ein Foto“ – Wahnsinn welche Gelder hier fliessen) der öffentlich-Rechtlichen in Deutschland. Das Volk hat sich schon lange abgewandt, überleben können diese „Anstalten“ nun noch da die Politik die „Anstalten“ braucht und diese „Anstalten“ die Politik (mehr als Kungelei empfinde ich dabei….)
    Und wenn sogar die NZZ titelt: „Links, belehrend, staatsnah: ARD und ZDF brauchen dringend eine Reform“ und weiter fährt mit (Zitat): „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist in der Krise. Es fehlt das Problembewusstsein hinsichtlich der weltanschaulichen Schieflage. Bezahlen müssen die Bürger, die – anders als in der Schweiz – kaum politischen Druck ausüben können….“ Alles und mehr hier:
    https://www.nzz.ch/meinung/neu-verschweizert-ch-links-belehrend-staatsnah-ard-und-zdf-brauchen-dringend-eine-reform-ld.1729105?reduced=true
    dann ist mehr als etwas dran.
    Zudem sollte das weltfremde „Gendern“, welche ARD und ZDF und DLF und Co. auf die Spitze treiben, nicht übernommen werden. Doch da gingen sie zu weit: Das Wort „Mutter“ wurde mit „die gebärende Person“ beschrieben… sogar linke D-Politprominenz schüttelt darüber den Kopf.
    Die auffällig vielen Blutbäder-anrichtenden „Machetenmänner“ oder im öffentlich-Rechtlichen auch „Messermänner“ in Deutschland genannt, stammen nicht aus Syrien, aus der Türkei – sondern aus „Südostasien“…. Und wenn es in den deutschen Freibädern Massenschlägereien gibt, Angriffe auf weibliche Badegäste gibt (2022) an welchen ausschliesslich junge, männliche, arbeitslose „Südostasier“ beteiligt waren, schreibt man es nicht der verfehlten (oder zu vielen) Integration zu, sondern (echt jetzt) dem Klimawandel. Die heissen Temperaturen würden die Aggressionen wecken….
    Alles nicht von mir – sondern öffentlich-rechtlich-Sprech….
    Also, liebe Schweizer Journalisten; besinnt Euch auf hiesige Medien-Produkte. Die sind nämlich gut. Weil die sind von Euch….

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