Matthias Daum «Die mediale Fixierung auf Donald Trump verstellt den Blick auf die Folgen seines Tuns.»

Publiziert am 6. März 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Matthias Daum, Leiter des Schweizer Redaktionsbüros der «Zeit», über seinen persönlichen Mediengebrauch, seinen Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Daum mag in den Klagechor über die angebliche News-Abstinenz der Jungen nicht einstimmen und sagt: «Ich hätte früher nicht so frei, unabhängig und vielseitig arbeiten können, wie ich das heute tue». Im Roboter-Journalismus sieht er kein Problem, wenn das dadurch eingesparte Geld in gescheite Köpfe investiert wird.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Mein Kaffee. Durch die Mails, Social-Media-Accounts und die wichtigsten News-Websites scrolle und klicke ich mich vor dem Zmorge. Die E-Paper oder gedruckten Tageszeitungen (NZZ, Tages-Anzeiger, Le Temps) lese ich auf dem Weg ins Büro oder wenn ich dort angekommen bin.

Im Zweifel lieber Text ohne Bild oder Bild ohne Text?

Text ohne Bild.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Überall dabei. Facebook fürs Diskutieren, Twitter fürs Informieren, Instagram als digitales Lifestyle-Heftli. Aber immer häufiger mit ganz bewusst gewählten Auszeiten. Sonst hält man das im Kopf nicht aus.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Auf Twitter und dann den Fernseher oder einen Webstream einschalten.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Ich kenne das Früher nicht, von dem heute viele behaupten, es sei alles besser gewesen. Was ich aber weiss: Ich hätte früher nicht so frei, unabhängig und vielseitig arbeiten können, wie ich das heute tue. Von dem her: die Gegenwart ist ganz okay.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Klar! Kein anderes Medium bietet mehr Inhalt pro Zeiteinheit.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Als Journalist? «Bel Ami» von Guy de Maupassant. Und sonst? Empfehle ich zurzeit allen das Buch, das gerade neben meinem Bett liegt: «Alles in allem» von Kurt Guggenheim.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich bin da gnadenlos und kann schlechte Bücher sogar im Hagenholz entsorgen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im Internet und durch Hinweise von Freunden.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange jemand damit Geld verdient oder willens ist, sich ein teures Hobby zu leisten. Oder eine Mehrheit findet, der Staat soll in die Lücke springen.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Wenn wir sie als Journalisten selber produzieren, gefährden sie unsere Glaubwürdigkeit. Wenn wir sie entlarven, dann können wir zeigen, wozu es unsern Berufsstand braucht.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Am Fernsehen verfolge ich live nur noch Sport und politische Grossereignisse. Radio höre ich zum Kochen. Meistens «Couleur 3» oder «SRF 1».

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Den eigenen höre ich mir regelmässig an. Nicht aus Eitelkeit, sondern weil ich wissen will, was wir unseren Hörerinnen liefern. Ansonsten höre ich häufig Radiosendungen von SRF on demand. Etwa das «Echo der Zeit».

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Solange wir auf unsern Podcast «Servus. Grüezi. Hallo» täglich Hörer-Mails von U-30ern erhalten und an unseren Leserabenden begeisterte Jung-Abonnenten teilnehmen, mag ich in diesen Klagechor nicht einstimmen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Fürs Abtippen von Börsentabellen, Sportresultaten oder Wahlergebnissen braucht es wahrlich keinen Redaktor. Wenn das dadurch eingesparte Geld also in gescheite Köpfe investiert wird, umso besser. Ob es das wird? Schau’n mer mal.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Klar, vorausgesetzt er lässt sich finanzieren. Von wem auch immer.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Recht häufig. Notizen während Gesprächen, Fresszettel und Post-Its. Und ich zeichne jeweils den Aufbau von längeren Artikel sowie die Dramaturgie unserer Seiten.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Die mediale Fixierung auf die Person verstellt den Blick auf die Folgen seines Tuns.

Wem glaubst Du?

Den Wetterprognosen von Jörg Kachelmann.

Dein letztes Wort?

So!


Matthias Daum

Matthias Daum, 39, hat in Zürich Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte studiert. Er arbeitete für verschiedene Schweizer Medien u.a. für die «Neue Zürcher Zeitung». 2012 hat er als Redakteur ins Schweizer Büro der «Zeit» gewechselt, das er seit Januar 2014 leitet. Er ist Co-Autor der Bücher «Wer regiert die Schweiz?» (Hier+Jetzt, 2014) und «Daheim – Eine Reise durch die Agglomeration» (NZZ Libro, 2013).

www.zeit.de/schweiz


Basel, 6. März 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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