Markus Knöpfli: «Lesen hat Zukunft – dank Online mehr denn je»

Publiziert am 26. Juni 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Medienjournalist Markus Knöpfli über seinen persönlichen Mediengebrauch, seinen Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Knöpfli fragt, ob es wirklich gut sei, dass «wir in der Schweiz nur noch eine Nachrichtenagentur haben, deren Besitzer sie zudem finanziell ausnehmen.» Er sagt, es brauche neue Akteure in der Medienwelt: «Die Alten sind zu sehr auf den Profit versessen und von ihren Aktionären abhängig, zudem fehlt ihnen die Weitsicht, die bisher Neuen sind noch zu sehr abgehoben und haben unternehmerisch zu wenig drauf.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Lange waren es Christoph Blochers «Basler Zeitung», Peter Wanners «bz» («Basellandschaftliche Zeitung») – und Pietro Supinos «Tages-Anzeiger» als überregionales Korrektiv.

Seit einem Jahr beschränke ich mich auf «BaZ» und «bz», weil «BaZ» und «Tagi» unterdessen eh weitgehend dieselben (überregionalen) Inhalte haben.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Zum Frühstück nie. Und sonst nur selten. Aktive Konten habe ich keine. Ich beschränke mich auf LinkedIn und Xing.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Es muss nichts Schlimmes sein, es kann auch bloss top kurzfristig sein: Dann über Radio oder Online (beides meist bei SRF).

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Ist es gut, dass wir in der Schweiz nur noch eine Nachrichtenagentur haben, deren Besitzer sie zudem finanziell ausnehmen?

Ist es gut, dass immer mehr Journalisten um ihre Stelle bangen müssen, weil die Verleger den Journalismus nicht mehr querfinanzieren wollen oder Finanzierungslösungen verschlafen haben?

Ist es gut, dass freie Journalisten in den Redaktionen meist als Erste abgesägt oder unterbezahlt werden?

Was ist besser: Die «BaZ» in den Händen von Blocher oder in den Händen von Supino?

Ist es schlecht, dass es heute auch einige ganz gute Onlinemedien gibt?

War es schlecht, dass es früher mehr Auslandkorrespondenten gab als heute?

Ist es schlecht, dass es den «Blick am Abend» nicht mehr als Printausgabe gibt?

Ist es gut, dass sich heute viele Leute von Katzen- und anderen, wenig aussagekräftigen Videos die Zeit für Sinnvolleres (z.B. für die Beschäftigung mit ihren Kindern) stehlen lassen?

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja. Lesen hat Zukunft. Dank Online vielleicht mehr denn je. Über die gelesenen Inhalte lässt sich hingegen streiten. Letzteres ist allerdings schon seit der Erfindung des Buchdrucks so.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Das Büchlein «Der Mann, der Bäume pflanzte» von Jean Giono. Vorsicht: Es enthält literarische Fake News.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich lasse leider auch viele gute Bücher halb gelesen liegen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Von meinen Kindern. Und beim wöchentlichen Treff mit meinen internationalen Nachbarn. In punkto Medien: Die gedruckte Zeitung ist nach wie vor meine tägliche Wundertüte Nummer 1. Radio ist die Nummer 2.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Noch lange. Die Druckerpressen sind noch nicht amortisiert.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eine Gefahr. Weil sie heute online verbreitet werden. Weil die Medien nicht nachkommen, alles zu recherchieren. Und weil die recherchierten Fakten meist nicht dieselbe Verbreitung und Nutzung geniessen. Zudem sind sie oft komplexer und differenzierter als die entsprechende Fake News.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Beides gehört zu meinem (fast) täglichen Medienkonsum.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Was ist das?

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Das ist heute bereits in vielen Gesprächen spürbar. Vor allem in der Art, wie News und Gerüchte weitergegeben werden. Fragt man nach der Quelle, muss das Gegenüber oft, zu oft!, passen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Recherche lässt sich nicht automatisieren. Supino sagt also, dass sein Flaggschiff in zehn Jahren zu einem Drittel aus unrecherchierten Artikeln besteht. Das dürften dann nicht nur Sport- und Abstimmungsresultate sein. Zum Glück habe ich den «Tagi» schon abbestellt.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja, vorausgesetzt, es kommen ganz neue Verleger/Initianten. Die Alten sind zu sehr auf den Profit  versessen und von ihren Aktionären abhängig, zudem fehlt ihnen die Weitsicht, die bisher Neuen (etwa vom Schlage «TagesWoche» oder «Republik») sind noch zu sehr abgehoben und haben unternehmerisch zu wenig drauf.

Siehst Du für Werbung in den Medien noch eine Zukunft?

Ja. Aber nicht mehr in allen, die heute noch davon leben.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, oft. Aber nur wenig Briefe.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Donald Trump ist schlecht für die Welt. Und damit auch für die Medien.

Wem glaubst Du?

Niemandem einfach so. Auch meiner Frau nicht.

Dein letztes Wort?

Ich bin am Ende.


Zur Person

Markus Knöpfli (1962) ist freier Journalist in Basel mit Fokus auf Medien, Marketing & Kommunikation, Medienpolitik und Medienforschung. In einem 50%-Mandat betreut er den Newsletter von «HORIZONT Swiss». Ursprünglich war er Primarlehrer, sattelte aber 1989 um: Zuerst war er im Lokaljournalismus tätig, danach kam mehr und mehr der Themenbereich Medien und Marketing dazu.

https://www.horizont.net/schweiz/nachrichten


Basel, 26. Juni 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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