Laura De Weck: «Mit Menschen reden. Das ist bis heute meine interessanteste Infoquelle.»

Publiziert am 25. September 2024 von Matthias Zehnder

Das 300. Fragebogeninterview, heute mit Laura De Weck, Dramatikerin und Moderatorin des «SRF-Literaturclub». Sie sagt, sie müsse «Gott sei Dank beruflich so viele Bücher lesen, dass ich kaum Zeit habe, mich in den Sozialen Medien zu verlieren». Sie ist zuversichtlich, dass Lesen Zukunft hat: «Just heute habe ich in der Zeitung gelesen, dass letztes Jahr so viel Bücher an Jugendliche verkauft worden sind wie noch nie!» Der deutschsprachige Branchenumsatz sei um 2,8 Prozent gestiegen, «das sind doch gute Nachrichten». Bei den Zeitungen sieht es gerade etwas anders aus. Sie sei eigentlich kein Fan von Kulturpessimismus, «aber im Moment mache ich mir tatsächlich Sorgen: Eine Lokalzeitung nach der anderen schliesst. Dabei sind es insbesondere die regionalen Medien, die eine funktionierende Demokratie stützen.» Es sei eine Tatsache, dass die grossen Medienhäuser massiv sparen und deshalb die Vielfalt sinke. «Trotzdem werde ich immer wieder zuversichtlich, wenn ich mit jungen Journalist:innen spreche: Bei so viel Engagement und Gestaltungswillen werden sich bestimmt neue, starke, unabhängige Informationskanäle entwickeln.» Zudem hofft sie auch ein wenig, dass es «bald einen Retro-Trend gibt wie bei Schallplattenspieler und alten Nokia-Handys: Die Zeitung unter dem Arm, einfach für die Entschleunigung und den Style.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich starte den Tag mit «Spiegel», «Tagi», FAZ-Newsletter und «Bajour-Basel Briefing».

Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, Twitter/X, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?

Gott sei Dank muss ich beruflich so viele Bücher lesen, dass ich kaum Zeit habe, mich in den Sozialen Medien zu verlieren. Aber ich ziehe trotzdem einiges aus den Feeds: News, die Literatur-Communities sind riesig, und es gibt starke Comedians, die mich täglich zum Lachen bringen.

Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?

Online anstatt Papier, Zooms anstatt Sitzungen, international anstatt national, Insta anstatt Facebook.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Ich bin gar kein Fan von Kulturpessimismus, aber im Moment mache ich mir tatsächlich Sorgen: Eine Lokalzeitung nach der anderen schliesst. Dabei sind es insbesondere die regionalen Medien, die eine funktionierende Demokratie stützen. Die grossen Medienhäuser sparen massiv; die Vielfalt sinkt. Das sind leider die Fakten. Trotzdem werde ich immer wieder zuversichtlich, wenn ich mit jungen Journalist:innen spreche: Bei so viel Engagement und Gestaltungswillen werden sich bestimmt neue, starke, unabhängige Informationskanäle entwickeln.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Natürlich! Just heute habe ich in der Zeitung gelesen, dass letztes Jahr so viel Bücher an Jugendliche verkauft worden sind wie noch nie! Der gesamte deutschsprachige Branchenumsatz stieg um 2,8 Prozent, das sind doch gute Nachrichten.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Meine persönlichen Highlights 2024 waren die Romane «James» von Percival Everett und «Auf allen Vieren» von Miranda July.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich lege ständig schlechte Bücher weg …

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im Gespräch. Das ist bis heute meine interessanteste Infoquelle: Mit Menschen reden.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Ich tippe zehn Jahre. Wobei ich mir auch vorstellen könnte, dass es bald einen Retro-Trend gibt wie bei Schallplattenspieler und alten Nokia-Handys: Die Zeitung unter dem Arm, einfach für die Entschleunigung und den Style.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

In allen Diktaturen kann man beobachten, was für verheerende Folgen Fake-News haben: Gewalt, Krieg, Repression, Überwachung. Ich bin überzeugt davon, dass unabhängige Medien, die sich der Wahrheit verpflichten, friedenssichernd sind.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich habe gar keinen Fernseher …

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Selten, aber im letzten Literaturclub war der Podcaster Wolfgang M. Schmitt zu Gast, sein Podcast «Die neuen Zwanziger» empfehle ich sehr, er diskutiert mit dem Soziologen Stefan Schulz die jüngsten gesellschaftlichen und politischen Ereignisse, vertieft, lustig und ohne Blabla.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?

Ich bin nicht so besorgt. Wenn ich ehrlich bin, habe auch ich erst mit Mitte Zwanzig angefangen, täglich vertieft Zeitung zu lesen. Und ich beobachte, dass wiederum diejenigen jungen Menschen, die sich informieren, ein erstaunliches Wissen haben, weit mehr als wir damals.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Information ja, Recherche, Einordnung und Meinung nicht. Ich stimme Herrn Supino zu, viele Info-Artikel wird die AI übernehmen. Das muss, gerade mit Blick auf Faktenkontrolle, gar nicht so schlecht sein. Aber wir leben im Zeitalter der Influencer und Influencerinnen, daran kann man ablesen, dass – selbst online! – Menschen sich immer noch am liebsten mit Menschen verbinden. Sie wollen ihre Meinung, ihre Tipps und Analysen hören, sich inspirieren lassen. Da wird der Roboter nicht weit kommen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Weder noch, sie führt uns einfach in eine neue Welt, und es dauert, sich darin einzufinden.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Unbedingt. Das meine ich mit der «neuen Welt»: Die Digitalisierung hat das Geschäftsmodell der Zeitungen durchgewirbelt. Jetzt brauchen sie Unterstützung, denn wie gesagt: je mehr Medienvielfalt, desto mehr Demokratie, desto weniger Gewalt.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Postkarten und Einkaufszettel …

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Mir fällt nichts ein, wofür Trump gut sein soll. Satire vielleicht? In den Medien hat er zu viel Platz eingenommen. Erstaunlich, wie gut Harris die Aufmerksamkeit auf sich lenken kann. In zwei Monaten wissen wir mehr …

Wem glaubst Du?

Ich habe eine TV-Serie geschrieben, die heisst «Emma lügt», in der sich ständig alle anlügen. Das basiert auf die Wissenschaft, die behauptet, wir lügen täglich im Durchschnitt fünfundzwanzig Mal. Das führte mich zu der Frage: Wem können wir glauben? Und können wir uns selbst vertrauen? – Aber zurück zu den Medien: Ich habe Vertrauen in Journalist:innen, die sich dem Pressekodex verpflichten.

Dein letztes Wort?

Ich antworte mit Literatur, mit Ingeborg Bachmann: «Halten wir einander fest, und halten wir alles fest!»


Laura De Weck
Laura de Weck ist Dramatikerin und moderiert seit 2023 den SRF-Literaturclub im Wechsel mit Jennifer Khakshouri. Einem breiten Publikum wurde sie durch ihre dialogischen Kolumnen in «Tagesanzeiger» und «Bund» bekannt. Laura de Weck war bis 2024 Stiftungsrätin der Stiftung für Medienvielfalt in Basel.


Basel, 25.09.2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Seit Ende 2018 sind über 290 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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Ein Kommentar zu "Laura De Weck: «Mit Menschen reden. Das ist bis heute meine interessanteste Infoquelle.»"

  1. Gratulation zum 300. „Menschen&Medien“-Fragebogen. Auf die nächsten 300!

    Zu ergänzen gäbe es vielleicht bei der studierten Dramatikerin Laura de Weck, welche bei der SRG als Moderatorin des „SRF-Literaturclub“ fungiert, dass ihr Vater Roger François Philippe de Weck heisst, welcher wiederum Spross des bekannten Schweizer Bankiers Philippe de Weck und seiner Frau Alix, geb. de Saussure ist.

    Vater Roger de Weck war von Januar 2011 bis Oktober 2017 Generaldirektor der SRG SSR an deren Hauptsitz in der Bundesstadt Bern.

    Zuvor moderierte Roger de Weck regelmässig die Fernsehsendung „SRF-Sternstunde Philosophie“ der SRG.

    Nebst vielen anderen Disziplinen war er u.a. auch Präsident des Stiftungsrats des Genfer Graduate Institute of International and Development Studies, Lehrbeauftragter am College of Europe in Brügge und Warschau/Natolin, Stiftungsrat des Aachener Karlspreises, Publizist bei der angesehnenen Körber-Stiftung und Ehrendoktor der Universität Luzern sowie Ehrendoktor der Universität Freiburg u.v.m.

    2023 wurde De Weck von einer deutschen Kommission in den Zukunftsrat von ARD und ZDF des öffentlichen Rundfunks gewählt. Diese Kommission setzt den Rat für die künftige Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Medien ein.

    Dies als kleine Ergänzung.

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