Kurt W. Zimmermann: «Keine Nostalgie, aber das meiste war früher besser»

Publiziert am 20. Februar 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Kurt W. Zimmermann, Chefredaktor von «Der Schweizer Journalist» und Kolumnist, über seinen persönlichen Mediengebrauch, seinen Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Zimmermann sagt, Zeitungen werde es noch lange geben. Er warnt die Journalisten davor, arrogant zu werden – gerade angesichts von Fake News. Und er fordert seine Kolleginnen und Kollegen auf: Lacht bitte wieder etwas mehr auf den Redaktionen!

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich esse kein Frühstück, habe also viel Zeit. Ich nehme in dieser Reihenfolge: «NZZ», «Tagi», «Blick», «Spiegel Online», «Welt», «Guardian», «BBC News», «Magyar Hirlap», «Bangkok Post».

Im Zweifel lieber Text ohne Bild oder Bild ohne Text?

Bilder interessieren mich wenig. Ich schaue auch kaum Videos.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Twitter ist eine Polit-Plattform, das ist anregend. Facebook und Instagram sind Lifestyle-Plattformen, das ist eher fad.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Von Freunden und Bekannten beim Aperitif und beim Nachtessen.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Keine Nostalgie, aber das meiste war früher besser: mehr Zeit, mehr Neugierde, mehr Geld, mehr Toleranz, mehr Zusammenhalt, mehr Lebensfreude.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Einen schlechten Artikel erkennt man nach 30 Zeilen, ein schlechtes Buch nach 30 Seiten. Das war es dann.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

www.bbc.co.uk

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Alles, was wir lesen, sind geschriebene Worte, vom Weltroman bis zum Live Ticker. Das wird immer so sein. Nur das geschriebene Wort unterscheidet uns verhaltensbiologisch von den Tieren.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Die zehn Gebote.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Es gibt eine interessante Trendwende. Neuerdings sagen alle die früheren Schwarzmaler, Zeitungen werde es noch lange geben. Ich glaube, sie haben recht.

Wie hältst Du es mit linearem Radio und Fernsehen?

Live im TV schaue ich nur Sport. Radio höre ich ganz selten im Auto.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Podcasts sind wie Hörbücher. Ich brauche beide nicht.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Die Gefahr der Fake News ist, dass sie die Medien überheblich machen. Wir Journalisten glauben nun, das Volk sei eine doofe, dumpfe Masse, die sich von Fake News manipulieren lasse. Und wir glauben dann, wir müssten das Volk davon erlösen. Die Diskussion um Fake News gibt uns nur den neusten Vorwand für unsere alte Arroganz.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Journalismus ist geistig heute schon stark automatisiert. Wenn ich sowieso überall das Gleiche über Trump, Macron und Putin lese, können das von mir aus auch Roboter schreiben.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Das fög erzählt Unsinn aus dem Elfenbeinturm. Die Jungen von heute wissen hundertmal mehr von der Welt als ich (und die vom fög) in ihrem Alter gewusst haben.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja sicher. Professionelle Journalisten unterscheiden sich nicht von professionellem Fussballern oder professionellen Politikern. Ein Profi ist, wer die eigene Person unter die Sache stellt.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, das Wichtige, also Brouillons, Fresszettel, Einkaufslisten und Dankesbriefe.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Schlecht. Wenn Medien eine Obsession entwickeln, wie bei Trump, werden Journalisten von kühlen Beobachtern zu feurigen Eiferern. Sie ruinieren damit die Ehre unseres Berufs.

Wem glaubst Du?

Dem Korrektorat.

Dein letztes Wort?

Lacht bitte wieder etwas mehr auf den Redaktionen.


Kurt W. Zimmermann

Kurt W. Zimmermann, 67, ist seit über 40 Jahren im Mediengeschäft, etwa 20 Jahre als Journalist und Chefredaktor und etwa 20 Jahre als Geschäftsleitungsmitglied und Medienunternehmer. Ausserhalb der Journalisten-Bubble kennen ihn die Leser als Kolumnist der Weltwoche und der Bilanz.


Basel, 20. Februar 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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