Katrin Zöfel: «Fake News machen mich in ihrer schieren Masse manchmal richtiggehend hilflos»

Publiziert am 9. März 2022 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Katrin Zöfel, Redaktorin im Team Wissenschaft bei SRF. Sie erzählt, die Corona-Krise habe dazu geführt, dass sie «zum ersten Mal in meinem Leben immer wieder bewusst Medien-Ferien» gemacht habe, «anders war abschalten in Pandemie-Zeiten gar nicht mehr möglich.» Sie sieht in Fake News eine immer grössere Herausforderung. «Wir müssen uns viel mehr rechtfertigen, viel klarer machen, warum unsere News glaubwürdig ist, und die aus anderen Quellen vielleicht weniger.» Professionelle Journalisten müssten deshalb dem Publikum «besser klar machen, wie wir täglich Nachrichten und Quellen prüfen und einordnen.» Das Erklären mache zwar Arbeit, es lohne sich aber, ist Zöfel überzeugt. Sie wünscht sich auch deshalb eine breite, gesellschaftliche Debatte darüber, welchen Journalismus wir wollen und über die Frage, «wie kriegen wir das hin?».

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Die Tagesschau-App der ARD und SRF News. Wenn ich wacher bin, kommt Twitter dazu. Manchmal aber auch: Medien-Diät beim Frühstück. Tut gut!

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram? 

Ich bin viel auf Twitter unterwegs, das ist eine wichtige Quelle, weil viele Forscher und Forscherinnen hier direkt Studien teilen, Entwicklungen diskutieren und einige sehr gute, internationale Wissenschaftsjournalisten ihre Einschätzungen teilen. Facebook und Instagram nutze ich kaum.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Zum ersten Mal in meinem Leben mach ich immer wieder bewusst Medien-Ferien, stunden- oder tageweise, anders war abschalten in Pandemie-Zeiten gar nicht mehr möglich.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter? 

Ich freue mich über mutige Projekte, wie die «Republik» oder die «Hauptstadt» in Bern.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Auf jeden Fall – ich denke schreibend und spüre lesend. Da bin ich nicht die Einzige. Das Lesen, die Schrift haben so lange schon überlebt, das tun sie auch weiterhin. Sie gehören zu uns.

Was soll man heute unbedingt lesen?

«Farbenblind» von Trevor Noah.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Inzwischen leg ich sie weg, aber das braucht immer noch Überwindung.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im (linearen) Radio, manchmal in Podcasts.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Dass es gedruckte Tageszeitungen bald nicht mehr gibt, habe ich mit 16 als Praktikantin bei einer Lokalzeitung im Süddeutschen zum ersten Mal gehört. Sie sind immer noch da. Mehr Prognose wage ich nicht.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Es ist eine echte Herausforderung. Wir müssen uns viel mehr rechtfertigen, viel klarer machen, warum unsere News glaubwürdig ist, und die aus anderen Quellen vielleicht weniger. Wir müssen besser klar machen, wie wir täglich Nachrichten und Quellen prüfen und einordnen. Das Erklären macht Arbeit, lohnt sich aber. – Ganz persönlich gesprochen machen mich, wenn ich ganz ehrlich bin, Fake News in ihrer schieren Masse manchmal richtiggehend hilflos. Zum Glück nur manchmal.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen? 

Radio höre ich viel noch linear. Fernsehen schaue ich fast gar nicht mehr linear.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Sehr gerne. Momentan «Der Tag» vom Deutschlandfunk, «Follow the Science» von Faye Flam, «Death, Sex and Money» von Anna Sale, WNYC, und «Sounds» von SRF3.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Dass News besser verfügbar werden müssen, so zugänglich wie die «20 Minuten», so seriös, wie es nur geht.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Wahrscheinlich schon, aber mich gruselt es bei der Vorstellung. Ich will, dass ein Mensch gedacht hat beim Verfassen des Artikels, den ich lese.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Beides, Tod und Befreiung, ist ein bisschen hoch gegriffen. Es ist eine echte, dicke, grosse Veränderung, die man wohl am besten mit beiden Händen ergreift und gestaltet.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Die reine Marktwirtschaft taugt nicht gut um guten Journalismus zu sichern. Ob Medienförderung mit der Giesskanne hilft, weiss ich nicht. Eine breite, gesellschaftliche Debatte: «Was wollen wir, und wie kriegen wir das hin?», wäre gut!

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Gesprächsnotizen, Entwürfe für Beiträge, To-do-Listen, Einkaufszettel, Tagebuch.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Ich kann seine Person, die ich furchtbar finde, nicht trennen von seinem Einfluss auf Medien. Da endet meine Objektivität. Also: Schlecht.

Wem glaubst Du?

Menschen, die auch mal laut und deutlich zugeben, dass sie falsch lagen. Und solchen, die ihre Einschätzungen gut begründen und klar machen, woher sie ihre Informationen beziehen. Und ganz wichtig: die auch mal sagen: «Sorry, das weiss ich nicht, da kenn ich mich nicht aus.»

Dein letztes Wort?

Hmmmm…


Katrin Zöfel
Katrin Zöfel, geboren in Schwaben, Jahrgang 1976, hat (vor Urzeiten) an einer kleinen Agraruniversität Biologie studiert, dann den Journalismus entdeckt, und bald auch den Wissenschaftsjournalismus. 2009/10 lernte sie in Köln beim Deutschlandfunk das Radiohandwerk und seit 2016 gehört sie zum Team Wissenschaft bei SRF.
www.katrin-zoefel.de


Basel, 9. März 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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5 Kommentare zu "Katrin Zöfel: «Fake News machen mich in ihrer schieren Masse manchmal richtiggehend hilflos»"

  1. Bei vielen SRG-Angestellten tönt es so:
    „Zum Frühstück (Z’morge) gibt’s = Tagesschau-App der ARD und SRF News. “
    Find ich schade – da muss man nicht weiterlesen – so weiss man die „Denke“ jener sofort – und deren Antworten. Begreif nicht, weshalb gerade Journalisten nicht auch an anderen Stimmen, anderen Beleuchtungen Interesse haben als nur an den einfältigen Oeffentlich-Rechtlichen-Anstalten….
    Schon für am Morgen Offiziell-Töne „reinziehen“ prägt und formt Mensch, Meinung und Antworten.
    So oder so – „ich zieh mir lieber eine Aprikosen-Confi, ein „Anke“-Brot und ein „Birchermüesli“ rein – und lass solche Meldungen sein…

  2. Sogenannte Fake News finde ich Schrott (wenn sie es denn wirklich auch sind: was ja manchmal oder gar oft wie bei sogenannten Verschwörungstheorien, die sich im Nachhinein nicht als solche erweisen, nicht zutrifft). Journalistisch total unmöglich scheinen mir aber Not News, also eine Nichtinformation betreffend eigentlich relevanter Sachverhalte. Ich habe mich daran gewöhnt, sie in Medien zu finden, die Frau Zöfel nicht bekannt scheinen?!

    1. Fake News sind manipulativ verbreitete, vorgetäuschte Nachrichten. Zum Beispiel die Nachrichten, welche die russischen Staatsmedien über den Krieg in der Ukraine verbreiten: es handle sich dabei um eine militärische Sonderoperation zur Entnazifizierung des Landes. Oder die Nachrichten, die Trump und viele Republikaner verbreiten, die Präsidentenwahl sei gefälscht gewesen. Oder die Nachrichten darüber, Corona existiere nicht, die Bilder aus den Spitälern seien vorgetäuscht, das Ganze sei ein Umsturz des Grosskapitals etc. Es handelt sich mit anderen Worten um Desinformation, die ihr Ziel schon erreicht, wenn sie es schafft, das Vertrauen in seriöse Medien zu untergraben.

      1. Sozusagen echte Fake News sind unwahre Infos, die (bewusst) in Umlauf gesetzt werden, um einen gewünschten Einfluss zu erzeugen: das verstehe ich und bezeichne es mit ‚Schrott‘. Es soll aber auch Wahrheiten geben, die bewusst als Fake News diffamiert werden, weil nicht sein darf, was nicht sein soll. Not News sehe ich als Informationen, die es eigentlich geben sollte und/oder würde, die aber nicht kommuniziert werden, weil sie nicht gewusst werden sollen.

  3. „Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?“ – Dieses verzwickt-verzwackte Medienförderungsgesetz musste bachab gehen – heute lese ich: „Das grösste Schweizer Medienhaus meldet einen Gewinn von 833 Millionen Franken = TX Group – ein Bettler schwimmt im Geld.“
    Und solche Firmen haben den Magen, noch die hohle Hand zu machen und Steuerfranken kassieren zu wollen….
    Irgendwo beginnt beim Stimmvolk der gesunde Menschenverstand. Gottlob.

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