Katrin Hug: «Wir müssen ein neues Publikum ansprechen, vor allem auch digital»

Publiziert am 3. Juli 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Katrin Hug, Leiterin Regionaljournal Zürich Schaffhausen von Radio SRF 1, über ihren persönlichen Mediengebrauch, ihren Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Sie sagt, dass sie keine Sekunde daran zweifle, dass geschriebene Worte noch Zukunft haben. Indes: «Wo wir diese Worte lesen, wird sich zeigen.» Als Leserin sei es für sie «zweitrangig, ob die Zeitung auf Papier erscheint oder nur digital verfügbar ist.» Sie macht sich nicht allzu viele Sorgen um den Mediengebrauch von jungen Menschen. Aber: «Ja, wir haben Mühe, sie zu erreichen – das ist so, und da müssen wir weiter nach Mitteln und Wegen suchen, um dies zu ändern.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

«Regionaljournal Zürich Schaffhausen», «Tages-Anzeiger», NZZ, verschiedene News-Portale unterwegs.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich nutze sie; besonders auf Instagram sehe ich, wie gut kurze Texte und schöne Bilder funktionieren können.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Radio und TV SRF, News-Portale, ein guter Live-Ticker, Soziale Medien, CNN, BBC.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Es war nicht alles besser und nicht alles schlechter. Mich macht jede Idealisierung misstrauisch. Früher hatten Redaktionen mehr Zeit – aber gab es auch mehr Qualität? Man nehme einmal eine Tageszeitung aus den 80er-Jahren in die Hände: Das war zum Teil unterirdisch – sprachlich wie inhaltlich. Bei SRF haben wir heute publizistische Leitlinien, nach denen wir uns richten und die ständig überarbeitet werden. So wird die Qualität gesichert. Es gibt neue technische Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen, neue Tempoansprüche – und wir müssen ein neues Publikum ansprechen, vor allem auch digital.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Daran zweifle ich keine Sekunde. Wo wir diese Worte lesen, wird sich zeigen. Ich bin gespannt.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

William Shakespeare, Jane Austen, Charlotte Brontë, Siri Hustvedt, Niklaus Meienberg…;und unsere Tochter findet: «Good Night Stories for Rebel Girls».

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Schlechte Bücher kann ich gut weglegen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In Gesprächen, im Zug, wenn die Gymnasistinnen über ihre Lehrer schimpfen und ich dann mit ihnen zusammen – still im Kopf – die Lateinwörtli mitkonjugiere. Und ja, in den Medien. Da stosse ich immer wieder auf Überraschendes; deshalb lohnt es sich eine Sendung ganz anzuhören, oder eine ganze Zeitung in den Händen zu halten.

Verbessern oder verschlechtern die grossen Medienzusammenschlüsse in der Schweiz die Qualität der Information in den Regionen?

Die Zusammenschlüsse beschneiden die Medienvielfalt. Aber verschlechtern sie die Regionalberichterstattung? Zumindest für die jüngsten Zusammenschlüsse gilt das nicht. Diese betrafen ja die Mantelressorts. Als Staatsbürgerin bedauere ich es, dass gerade die grossen Tageszeitungen immer weniger nationale Themen aus regionaler Sicht beleuchten. Der Service-Public-Auftrag der SRG ist also wichtig. Wir vom Regionaljournal gehören zu den wenigen elektronischen Medien, die noch regelmässig aus den kantonalen Parlamenten berichten.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Ich mag gedruckte Zeitungen. Als Leserin ist es für mich aber zweitrangig, ob die Zeitung auf Papier erscheint oder nur digital verfügbar ist. Ich könnte mich gut ans digitale Zeitungslesen gewöhnen – weniger froh macht mich die Vorstellung, das Feuer im Wald ohne Zeitung anzünden zu müssen.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Was sind denn Fake News? Vieles, was heutzutage als Fake News und Lügenpresse hingestellt wird, sind einfach unbequeme Fakten. Aber natürlich gibt es Fehlleistungen – sie schaden dem Image der Medien. Und sind gleichzeitig Ansporn: Die Medien müssen zeigen, dass sie glaubwürdig und verlässlich sind.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Das Regionaljournal auf SRF 1 höre ich live, wenn möglich. Und sonst wechsle ich auf die SRF Play App, dort kann man einfach zeitversetzt hören. Lineares Fernsehen nutze ich nur noch selten. Am ehesten, wenn meine Familie ein Fussballspiel guckt und ich mich dazusetze.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja, ich höre Podcasts, den Lieblingspodcast schlechthin habe ich aber nicht. Wir produzierten einen eigenen Podcast-Piloten: «Zone Züri» – eine fünfteilige Audio-Serie aus fünf Zürcher Gemeinden, adressiert an junge Hörerinnen und Hörer. Es war ein Experiment. Und sonst: die Info-Sendungen von Radio SRF, «Einfach Politik», «Himmelblau – Leben am Limit»», oder im Moment gerade «Brexitcast».

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Die Jugendlichen gehen zu Hunderttausenden fürs Klima auf die Strasse – sie sind bestens im Bild über den Zustand des Planeten; ich glaube nicht, dass man sich allzu viele Sorgen um die Jugend machen muss. Aber ja: Wir haben Mühe, sie zu erreichen – das ist so, und da müssen wir weiter nach Mitteln und Wegen suchen, um dies zu ändern. «On Demand» zum Beispiel ist für die Jungen viel wichtiger. Gleichzeitig ist es so, dass junge Menschen ab etwa 30 Jahren, also wenn sie Verantwortung übernehmen, gezielt nach verlässlichen Informationen zu suchen beginnen, damit sie am öffentlichen Leben teilhaben können.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus Automatisieren?

Guter Journalismus keinesfalls; Sportresultate oder Börsenkurse schon.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja. Unbedingt. Eine gut erzählte, mit Geräuschen und Musik unterlegte Radioreportage, die mich wirklich mitnimmt, ein attraktives digitales Produkt – das alles entsteht nicht einfach so «husch, husch». Guter Journalismus braucht Ideen, Talent, Neugierde, Wissen, Erfahrung…

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, Karten, «Postizettel», und immer wieder neue To-Do-Listen.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

In den USA haben grosse Medienhäuser nach der Trump-Wahl in ihre Redaktionen investiert. Das ist positiv. Allerdings beschäftigt mich die Frage, ob Trump gut oder schlecht für die Welt ist, entschieden mehr.

Wem glaubst Du?

Für mich hat Glauben mit Religion zu tun.

Dein letztes Wort?

Ich muss nicht das letzte Wort haben.


Katrin Hug

Katrin Hug (1965) leitet seit fünf Jahren das Regionaljournal Zürich Schaffhausen von Radio SRF 1. Während ihres Studiums (Anglistik und Germanistik) unterrichtete sie, unter anderem an der Klosterschule in Einsiedeln. Nachher wechselte sie in den Radio-Journalismus, arbeitete bei Radio Zürisee, Radio 24 und während 13 Jahren für Radio DRS und SRF in Bern, auf der Inland- und in der Bundeshausredaktion.

https://www.srf.ch/zuerich


Basel, 3. Juli 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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2 Kommentare zu "Katrin Hug: «Wir müssen ein neues Publikum ansprechen, vor allem auch digital»"

  1. „Die Jugendlichen gehen zu Hunderttausenden fürs Klima auf die Strasse – sie sind bestens im Bild über den Zustand des Planeten“: Ob sie wohl wirklich die Generation zeugen werden, die es anders will, kann und auch tut?

    1. ANTWORT:
      Erfreut war ich, all die Klimajugendlichen zu sehen, die während den „Bürozeiten“ (Schulzeiten) auf die Strasse gingen.
      Ich dachte, jetzt geht wirklich was. Die meinen es ernst. Doch jetzt, in der grössten Affenhitze der Ferien ist es ruhig. Erstens sind keine „Bürozeiten“, (Schulzeiten), sondern das Büro ist geschlossen (Schulferien). Und dann wird auch nicht gestreikt. Und alle sind weg. Die meisten mit dem Flugi. „Die meinen es ernst“ meinte ich. Von wegen. BaZ-Reportage vom Bündelitag am Airport: Es wuselt. Eine Junge sagte: „Ich schaue, dass ich in den Herbstferien nicht fliegen werde….“ (versprechen kann er es aber nicht, weil fliegen ja sauwichtig im Leben ist.) Ein junger Portugiese sagte: „Bei uns ist es eh immer heiss, mit oder ohne Klimawandel“. Ein junger Angelsachse sagte: „Flugscham? – Wenn ich ins Flugi steige, bin ich glücklich, dann geht es ab auf Reisen“. Und drei junge, ganz alternative Basler stotterten was von „man sollte halt Solarzellen ans Flugi montieren für den Strom…“
      Entweder clevere Ausrede oder ganz einfach (kalkulierter) Stuss.
      Ich glaubte an die junge Menscheit. Bis zum Bündelitag.
      Verlogene Banden. Elendigliche Wahrheit. Und am Bhf SBB/Bad. Bhf war er vergleichsweise ruhig, auffällig ruhig…

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