Katja Gentinetta: «Wie sollen wir uns ohne Journalismus in der Welt zurechtfinden?»

Publiziert am 5. Februar 2020 von Matthias Zehnder

Sie ist politische Philosophin und moderiert gemeinsam mit «NZZ-Chefredaktor Eric Gujer die Fernsehsendung «NZZ Standpunkte». Im Fragebogeninterview sagt Katja Gentinetta: «Ich stelle fest, dass Medien wieder klarer Position beziehen, und das ist gut so.» Über junge Menschen, die keine Medien mehr konsumieren, also die «News-Deprivierten», macht sie sich keine Sorgen: «Mir machen die ‹News-Deprimierten› mehr Sorge…»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Mein Tablet – ich lese Zeitungen und Zeitschriften nur noch darauf; so habe ich sie immer dabei (und brauche kein Altpapier zu bündeln).

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich schaue lediglich ab und zu auf Twitter, aber es bestimmt meinen Informationsfluss nicht.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Auf «NZZ online».

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Weder noch. Ich stelle fest, dass Medien wieder klarer Position beziehen, und das ist gut so. Man weiss, woran man ist.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Noch kein Medium wurde gänzlich überholt; es kommen nur immer neue hinzu. Die kurzen Erklärvideos sind ganz klar im Vormarsch, ersetzen vertiefende Texte aber nicht.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Feel free! Ich bin nicht missionarisch veranlagt.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Wenn mich ein Buch auf den ersten zwanzig Seiten nicht überzeugt – ob inhaltlich oder stilistisch – lege ich es weg. Zu schade für meine Zeit!

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Am meisten, wenn ich neuen Menschen begegne, die mir von sich und ihrer Arbeit erzählen.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen – wusste schon Karl Valentin.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eine Gefahr für die Demokratie, eine Herausforderung für die Politik – und eine Chance für Qualitätsmedien, die sich allerdings in einem schwierigen Markt behaupten müssen.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Auch hier kenne ich nur noch das Tablet, das ich dorthin mitnehme, wo ich gerade Zeit habe zum Schauen oder Hören – beim Fitness oder Bügeln… Und da wähle ich natürlich meine Favoriten, unabhängig vom gerade laufenden Programm.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Mein bevorzugtes Medium bleibt der Text.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Mir machen die «News-Deprimierten» mehr Sorge…

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Guter Journalismus erfordert – wie übrigens auch gute Verwaltungsratsarbeit – denkende Menschen, und das sind Roboter nicht.

Wäre die Medienwelt eine andere, wenn Frauen in den Medien mehr zu sagen hätten?

Die Welt wäre überhaupt eine andere, wenn…

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Wie sonst sollen wir uns in der Welt zurechtfinden?

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Regelmässig. Denken geht oft über Handnotizen.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Unterhaltungswert kann man ihm nicht absprechen.

Wem glaubst Du?

Ich versuche zu wissen.

Dein letztes Wort?

Wohlan!


Katja Gentinetta
Katja Gentinetta hat in Zürich und Paris Philosophie, Germanistik und Geschichte studiert. Die promovierte politische Philosophin ist Lehrbeauftragte an Schweizer Universitäten, Publizistin, Co-Moderatorin der NZZ Standpunkte und Wirtschaftskolumnistin der «NZZ am Sonntag». Nach verschiedenen Führungsfunktionen ist sie heute als Verwaltungs- und Stiftungsrätin sowie im IKRK auf strategischer Führungsebene tätig. Sie ist Autorin mehrerer Bücher zu gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Fragen, zuletzt «Worum es im Kern geht» (NZZ Libro, 2017), und referiert regelmässig im In- und Ausland.
https://www.katja-gentinetta.ch


Basel, 5. Februar 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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