Katja Alves: «Gute Geschichten haben immer eine Zukunft»

Publiziert am 19. August 2020 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – im Sommer mit Schweizer SchriftstellerInnen. Heute: Kinderbuchautorin Katja Alves. Sie sagt von sich, sie sei ein neugieriger Mensch und nutze deshalb auch die Sozialen Medien. «Ich fürchte mich aber gleichzeitig vor dem Tag, an dem wir Autor*innen nach Anzahl Likes beurteilt, publiziert und eingeladen werden. Ihre Manuskripte schreibt sie, natürlich, am Computer. «Ideen und Notizen schreibe ich immer noch von Hand auf.» Leider könne sie sie anschliessend nicht immer lesen. Ihre Erklärung dafür: «Ist die Idee brauchbar, kann ich sie lesen. Wenn nicht, muss ich mir etwas Neues einfallen lassen.» In der Digitalisierung sieht sie eine Chance für einen innovativen Journalismus. «Die Gefahr liegt jedoch in der Schnelligkeit und Oberflächlichkeit der Recherche.»

 Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Eine gedruckte Zeitung. Zeitunglesen ist ein zwingendes Morgenritual. (An dieser Stelle sei allen frühaufstehenden Zeitungsausträger*innen gedankt.) Radio höre ich natürlich auch. Parallel.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Die sozialen Medien geben mir mannigfaltige Einblicke in andere Leben. So fühlt es sich zumindest an. Manche Beiträge empfinde ich als sehr lustig, manche als ausgesprochen gruselig. Dank den Sozialen Medien bin ich wieder mit Weggefährt*innen in Kontakt, von denen ich ewig nichts mehr gehört hatte. Das ist schön. Und natürlich freue ich mich auch über Zuspruch oder nette Kommentare und fürchte mich aber gleichzeitig vor dem Tag, an dem wir Autor*innen nach Anzahl Likes beurteilt, publiziert und eingeladen werden. Aber ja, ich verfolge die sozialen Medien mit grossem Interesse.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Sehr. Anfang März wusste ich noch nicht mal, dass es so etwas wie Zoom oder Teams gibt und im Mai habe ich mit Hilfe dieser Tools Veranstaltungen moderiert. Für mich war es eine Frage der Einstellung. Nehme ich die Chance wahr, mich auf etwas einzulassen, das ich noch nicht kenne, oder lasse ich es bleiben. Ich habe mich für Ersteres entschieden.

Als grossen Vorteil empfinde ich jetzt, dass es möglich ist Sitzungen von zu Hause aus abzuhalten. Das ist umweltverträglicher und spart Zeit. (Wobei die Zeit die man braucht, um am Ende einer online Sitzung an virtuellen Wohnungsführungen teilzunehmen oder Kinder und Haustiere zu begrüssen, natürlich auch einberechnet werden muss .)

Ein Nachteil für mich als Autorin ist, dass bei online-Lesungen ein direkter Kontakt mit dem Publikum nur erschwert möglich ist. Aber immerhin sind Lesungen und Interaktionen Dank diesen Tools überhaupt machbar.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Eine Weile fand ich es sehr ärgerlich, dass es so viele Gratis-Zeitungen gibt. So wurde den Leser*innen vermittelt, dass man für Journalismus nicht zahlen muss. Schafft man sich so nicht selber ab?

Ansonsten möchte ich mich eher darauf konzentrieren was man in Zukunft besser machen kann, und nicht was früher besser und heute schlechter ist.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ich bin zuversichtlich. Gute Geschichten haben doch immer eine Zukunft.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Hm, diese Frage riecht verdächtig nach Zwangslektüre. In der Mittelschule wurde ich mal mit Schwabs «Sagen des Klassischen Altertums» in ein Zimmer gesperrt. Dreimal darfst Du raten, ob ich es je wieder angerührt habe. Ich glaube, lesen sollte nie mit einem Muss einhergehen. Aber gut, während meiner Buchhändlerinnen-Lehre meinte mein damaliger Chef, ich müsse «Catcher in the Rye» von J. D. Salinger unbedingt gelesen haben. Damit hatte er trotzdem recht. Für mich passte das Buch perfekt und ich kann noch heute ganze Passagen auswendig. Aber ob es für andere auch passt?

Ein Junge hat mir nach einer Schullesung erzählt, er habe die Biografie von Ronaldo 37 mal (!) gelesen. Er fand, ich müsse das Buch unbedingt lesen. Für ihn war es dieses Buch.

Ich mag sehr viele Bücher und empfehle sie auch gerne weiter. Schliesslich war ich ja eben mal Buchhändlerin. Aber Du willst Tipps. Also, hier meine dringende Empfehlung: Lesen, kaufen, verschenken Sie ganz viele Bücher: Beginnen Sie mit meinen und denen von meinen Kolleg*innen.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Bücher die mir nicht gefallen? Was ja nicht heisst, dass sie deswegen per se schlecht sind. Nein, die lese ich nicht zu Ende. Manchmal lese ich auch Bücher, die mir gut gefallen nicht zu Ende oder ich überfliege die letzten Seiten, um zu vermeiden, dass mich das Ende enttäuscht.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Durch Freund*innen, allgemein durch Menschen, Begegnungen, Medien, Bücher. In dieser Reihenfolge.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Soll ich jetzt meine Kristallkugel konsultieren? Ich denke, dass sich einige Printmedien durchsetzen werden. Vor allem solche, die Geschichten und Inhalte vermitteln.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eine Gefahr. Ich sehe die Chance nicht. Auch nicht nach reichlicher Überlegung. Ich bleibe dabei: eine Gefahr!

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich konsumiere beides. Es gibt Sendungen, die möchte ich nur zur Echtzeit sehen. Zum Beispiel die «Tagesschau» und den «Tatort». Trash-Sendungen schaue ich mir auch, wenn überhaupt, ausschliesslich analog und dann eher zufällig an.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja, klar. Jetzt während den Sommerferien «Portugueses no Mundo», eine portugiesische Serie von Antena1 RTP. Die Journalistin Alice Vilaca befragt Auslandportugies*innen über ihren Alltag in Zeiten von Corona.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Ehrlich gesagt, bin ich keine Freundin von solchen «die-Jungen-tun-dies-und-jenes-nicht-mehr-Statistiken». Wer wurde denn befragt, wie viele und wie hätte das ganze vor 30 Jahren ausgesehen, was hätte man damals gefragt? Ich glaube, dass es immer schon junge Leute gab, die zu den News-Deprivierten (was für ein Wort!) gehörten und auch immer solche geben wird. In diesem Sinn rechne ich solchen Statistiken keine sehr hohe Bedeutung zu.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Laut Herrn Supino offenbar schon?

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Dazwischen gibt es nichts? Ich finde weder noch. Die Digitalisierung ist sicher eine Chance für einen innovativen Journalismus. Die Gefahr liegt jedoch in der Schnelligkeit und Oberflächlichkeit der Recherche.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Sicher.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ich ging den ganzen steinigen Weg. Erst schrieb ich von Hand, dann auf einer mechanischen Schreibmaschine, dann auf einer elektronischen dann mit Hilfe des Computers. Ideen und Notizen schreibe ich immer noch von Hand auf. Leider kann ich sie anschliessend nicht immer lesen. Ein Fakt für den ich inzwischen eine Erklärung gefunden habe: Ist die Idee brauchbar, kann ich sie lesen. Wenn nicht, muss ich mir etwas Neues einfallen lassen.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Die Frage hat für mich zu viel Trump-Gehalt.

Wem glaubst Du?

Meiner Menschenkenntnis und Erfahrung. Manchmal.

Dein letztes Wort?

Ich brauche nicht immer das letzte Wort zu haben. Ehrlich. (Auch wenn manche, mir nahstehenden Personen, locker das Gegenteil behaupten würden.)  Aber als vorletztes Wort sage ich DANKE für das geschätzte Interesse.


Katja Alves
Katja Alves ist in Coimbra, Portugal, geboren und in der Schweiz aufgewachsen. Sie arbeitete als Buchhändlerin, Konzertveranstalterin, Journalistin, Kolumnistin, Spielerfinderin, Inputerin und Rundfunkredakteurin. Für Radio SRF schrieb sie mehrere Hörspiele. Heute ist sie hauptsächlich als Kinderbuchautorin, Lektorin und Projektleiterin tätig. Sie schreibt Theater, Hörspiele, Vorlesegeschichten und Kinderromane, gibt Schreibwerkstäten und leitet als Dozentin regelmässig Weiterbildungskurse zum Thema Kinderbuch. Katja Alves lebt mit ihrer Familie in Zürich.

www.katjaalves.ch

Die kleine Eulenhexe: Vollmondzauber um Mitternacht

Das neuste Buch von Katja Alves dreht sich um die kleine Eulenhexe. Im kleinen Baumhaus von Petunia Olivia von und zu Nadelbaum geht es drunter und drüber, seit dort sieben freche Eulen eingezogen sind. Und jetzt gibt es auch noch aufregende Neuigkeiten im Zauberwald: Die mächtigen Baumhexen laden zum grossen Hexenwettbewerb, der nur alle hundert Jahre stattfindet. Das ist auch für Hexen eine ganz schön lange Zeitspanne. Zu gewinnen gibt es eine tolle Extrazauberkraft. Also genau das, was eine junge Eulenhexe wie Petunia brauchen könnte. Denken sich wenigstens die kleinen Eulen und melden ihre Hexe heimlich an. Sie haben allerdings nicht daran gedacht, dass seinen Hexenbesen abgeben muss, wer bei den furchtbar schwierigen Zauberaufgaben auf dem letzten Platz landet. Die kleine Petunia kommt also ganz schön ins Schleudern. Zum Glück kann sie auf ihre Eulen zählen.

Katja Alves: Die kleine Eulenhexe, Vollmondzauber um Mitternacht. Arena Verlag, 144 Seiten, 19.50 Franken; ISBN 978-3-401-71546-9

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783401715469


Basel, 19. August 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Bild: Anita Affentranger

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