Karl Lüönd: «Journalisten werden von den Erbsenzählern bei jeder Budgetverhandlung über den Tisch gezogen.»

Publiziert am 12. Dezember 2018 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Journalisten-Legende Karl Lüönd über seinen persönlichen Mediengebrauch, die Fehler der Verleger, die der Journalisten und die Medienunlust der jungen Menschen.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

«NZZ», «Tages-Anzeiger» plus ein kurzer Blick in den «Blick».

Im Zweifel lieber Text ohne Bild oder Bild ohne Text?

Zur Not kann ich mir die Bilder im Kopf selber machen.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Nichts von alledem. Und es fehlt mir an nichts.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich bin ein brutaler Abbrecher. Wenn ich schon Geld verloren habe, dann spare ich wenigstens Zeit.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Meist im Fernsehen, vorzugsweise «BBC World, oder «CNN». Wobei man immer wieder erfährt, dass Anfang, wenn man am meisten wissen will, am wenigsten gesichertes Wissen vorhanden ist. Die Lücke wird dann durch Spekulationen überbrückt.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Aber klar doch! Solang die Welt immer komplizierter wird, werden Erklärung und Übersicht gebraucht.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Egon Friedell: «Kulturgeschichte der Neuzeit».

Papierbuch oder Kindle?

Egal.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange es zu teuer ist, mit einem Laptop eine Fliege totzuschlagen. Im Ernst: Solange die gedruckten Zeitungen die Rentabilitätsschwelle erreichen. Vermutlich werden sie langlebiger sein als viele glauben.

Was haben die Verlage falsch gemacht?

Sie haben zu viel Ware gratis verschenkt und zu viel in «heavy metal» investiert: (Druck-)Maschinen statt Menschen…

Und was die Journalisten?

Sie kümmern sich zu wenig um die wirtschaftliche Seite der Branche und werden deshalb von den Erbsenzählern bei jeder Budgetverhandlung über den Tisch gezogen.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Nicht mein Ding! Zu viele Bäume, zu wenig Wald!

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Im fortgeschrittenen Alter leiste ich mir den Luxus, von manchen vielleicht nützlichen Innovationen keinen Gebrauch zu machen.

Sind digitale Assistenten wie Alexa oder Google Home eine neue Chance für das Radio – oder eine Gefahr für die Menschheit?

Weder noch. Kommt drauf an, was man draus macht.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Mal abwarten, bis sie einen festen Wohnsitz und Familie haben. Dann werden Medien, vor allem die lokalen, plötzlich zum unentbehrlichen Lebensmittel.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Aber sicher. Siehe oben: Solange die Welt immer komplizierter wird, bleibt verständliche Welterklärung ein gutes Geschäft.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, persönliche Briefe. Aber meine Klaue wird immer schlimmer…

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Alles, was nicht langweilt, ist gut für uns.

Wem glaubst Du?

Joker

Dein letztes Wort?

«Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.» Ist von Karl Kraus (1874-1936), aber auch gut.


Karl Lüönd

Karl Lüönd (geb. 1945), Reporter, Chefredaktor, zeitweilig Verleger; heute nicht mehr im Tagesgeschäft, dafür Autor von über 60 Sachbüchern, vor allem Auftragswerken mit wirtschaftshistorischem Hintergrund und Biografien, zuletzt «Der Unerbittliche. Karl Schweri (1917-2001), Kämpfer für faire Preise» über Denner-Chef Karl Schweri. www.lueoend.ch


Basel, 12. Dezember 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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