Kafi Freitag: «Früher war mehr Sorgfalt»

Publiziert am 19. März 2020 von Matthias Zehnder

Sie ist eine der bekanntesten Bloggerinnen und Podcasterinnen der Schweiz. Im Fragebogeninterview sagt Kafi Freitag, wie sie selbst Medien nutzt, warum Live-Fernsehen für sie nicht mehr existiert und was sie von den Schweizer Medien hält. «Früher war mehr Sorgfalt spürbar und ich habe den Medien insgesamt mehr vertraut», sagt sie. Der «Klickbait-Battle» führe «zu so viel Trash, dass ich es kaum aushalte.» Ein Problem sei, dass viele Menschen die Quellen einer Nachricht nicht hinterfragen und den Medien zu naiv einfach glauben.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Eine Tasse Robusta – medium rare geröstet und darüber grosszügig ausgebreitet «Die Zeit» in physischer Form. Ich musste extra eine grössere Wohnung mieten, als ich vor Jahren das Abo abgeschlossen habe.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

ICH LIEBE SOCIAL MEDIA. Ohne Facebook gäbe es 2/3 meines beruflichen Erfolgs nicht. Ich bewege mich trotz meines biblischen Alters in den sozialen Medien mit einer grossen Selbstverständlichkeit und sehr intuitiv. Facebook langweilt mich inzwischen zu Tode. Gleichzeitig habe ich dort die grösste Followerzahl und weil ich meinen Podcast «Kafi am Freitag» ohne Werbekosten promoten will, bleibe ich der Plattform bis auf weiteres treu. Twitter finde ich sehr geistreich und auf den Punkt, verwende ich aber nur als Leser. Instagram macht mir momentan am meisten Spass. Ich mag den Mix aus Bild und Text und die Atmosphäre ist relaxter als auf FB. Auf Inastagram pflege ich einen sehr engen Kontakt zu unserer Podcast-Community. Da posten wir jeweils alles, was in der Woche nach der aktuellen Podcast Episode als Feedback reinkommt oder auch Artikel und Bilder, die zum Inhalt passen. Das meiste passiert in der Story, die wir jeweils als Story Highlight abspeichern, damit man – auch wenn man den Podcast nicht zeitnah hört – den ganzen Instagram-Inhalt pro Folge konsumieren kann.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Wenn der Sirenenalarm im Ernstfall starten würde: SRF1 als offizielles Organ des Bundes. Die meisten News bekomme ich per Facebook mit und suche mir jeweils online einen Newsticker. Zum Beispiel «Zeit online».

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Print hat sich durch den Kostendruck verschlechtert. Früher war mehr Sorgfalt spürbar und ich habe den Medien insgesamt mehr vertraut. Heute lese ich einen Artikel in einer Schweizer Zeitung nicht mehr, ohne mich zu fragen, wer hinter dem jeweiligen Blatt steht und welche Hidden Agenda verfolgt wird. Online bin ich ambivalent, «watson» und «20 Minuten» verstehen das Online-Business viel besser als die alteingesessenen Verlage, gleichzeitig führt der Klickbait-Battle zu so viel Trash, dass ich es kaum aushalte.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Das geschriebene Wort ist zeitlos. Es wird alles überleben.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Natürlich meinen Blog «Frag Frau Freitag». Er war während 7 Jahren der meistgelesene der Schweiz und hat während dieser Zeit nicht nur unterhalten, sondern viele Menschen durch persönliche Krisen begleitet. In über 1000 Fragen und Antworten findet sich praktisch alles, was einem im Laufe eines Lebens thematisch umtreibt.

Alles von Markus Werner. Sein Tod hat mich in eine grosse Krise gestürzt. Nie mehr ein neues Buch von ihm lesen zu können ist wirklich ein grosser Verlust. Letztes Jahr habe ich all seine Bücher nochmals gelesen.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich lese praktisch nur Sachbücher, Belletristik interessiert mich kaum. An ein Sachbuch stelle ich andere Anforderungen, als an einen Roman. Ich kann besser über eine hanebüchene Übersetzung einwegschauen oder über fehlende sprachliche Finesse. Aber grundsätzlich muss ich gar nichts zu Ende bringen, was mir keine Freude bereitet. Kein Buch und auch sonst nichts.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Überall. Ich bin grundsätzlich neugierig und will immer neues lernen. Inspiration dafür geben mir Begegnungen mit Menschen, Filme, Bücher, Zeitungen oder auch YouTube-Videos, die ich über die Schulter meines 15-jährigen Sohnes mitbekomme.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Hoffentlich noch lange. Ich hänge an meiner Wohnung.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Viele hinterfragen die Quellen einer Nachricht nicht und glauben dieser naiv; insofern sind Fake-News eigentlich gefährlich. Gleichzeitig glaube ich grundsätzlich an Weiterentwicklung und weiss, dass wir auch damit einen Umgang lernen werden.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Gar nicht. Live Fernsehen existiert nicht mehr für mich. Ich schaue und höre alles dann, wann ich will und demzufolge nie live.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich habe bis zum Start unseres eigenen Podcasts «Kafi am Freitag» nie Podcasts gehört. Nun sind wir seit über einem Jahr in den Top 10 der Schweiz gelistet und ich habe mich gezwungenermassen auch mit anderen auseinandergesetzt 😉 Am liebsten ist mir der «Alles gesagt»-Podcast der «Zeit». Obwohl mich Jochen Wegner immer wieder aufs Neue nervt, weil er ein eigenes unreflektiertes Thema rund um Geld hat und dieses immer wieder aufs Neue in den Podcast trägt, gefällt mir das Format und die Regelung mit der Dauer der Episoden unglaublich gut. Die Folgen dauern jeweils so lange, bis der Gast ein vorab bestimmtes Codewort nennt. Bei Rezo war das nach über 8 Stunden der Fall, Ulrich Wickert hat sich nach zwölf Minuten verplappert und damit die Sendung mitten in einer grossartigen Erzählung unfreiwillig abgebrochen.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selber gefälscht habe. Mein Sohn (15) konsumiert keine klassischen Medien und weiss trotzdem über alles Bescheid.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Ich werde den Unterschied nicht bemerken… Auch heute werden oft nur Depeschennachrichten abgetippt. Das kann AI sicher besser.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Vorausgesetzt, dass Journalismus wieder mit Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit und Sorgfalt konnotiert werden kann; ja.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Totgesagte leben länger. Vorausgesetzt, dass sie zur Veränderung bereit sind.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Sehr oft sogar. Ich schreibe seit 20 Jahren mit meinem Montblanc Meisterstück Füllfederhalter Briefe und Notizen. Meine Handschrift hat nicht gelitten, das Zehnfingersystem beherrsche ich noch immer nicht.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Für die Medien ist er ein Segen. Für die Welt eher nicht.

Wem glaubst Du?

Meinem Instinkt.

Dein letztes Wort?

gopf


Kafi Freitag

Ihr Lebenslauf gleicht einem Massaker. Sie führte eine Modekette, jobbte in einer Heilpädagogischen Schule, verdingte sich ohne Bankausbildung als Investmentbankerin, verkaufte Brautkleider und wurde dann endlich selbständig. Heute verdient sie ihr Geld als Coach mit eigener Praxis. Sie berät Unternehmungen in den Bereichen Social Media und Vision. Sie führte von 2011 bis 2017 den erfolgreichsten Schweizer Blog «Frag Frau Freitag», und seit 2018 zusammen mit Sara Satir den erfolgreichsten unabhängigen Podcast der Schweiz «Kafi am Freitag», der auch als Live-Show tourt.
www.kafifreitag.com

Kafi Freitag legt übrigens Wert auf die Feststellung, dass «unser Podcast «Kafi am Freitag» der einzige ist, der 100% unscriptet und ungeschnitten ist und immer genau so lange dauert, bis Sara Satir Hunger bekommt.» Das könne schon mal über zwei Stunden dauern. Kafi versichert aber: «75% der Hörerschaft hört bis zur letzten Sekunde durch!» Auch die Live Show sei nicht gescirptet: «Kein Drehbuch, keine Absprache davor. Einfach ein thematisches mäandern.»


Basel, 19. März 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Ein Kommentar zu "Kafi Freitag: «Früher war mehr Sorgfalt»"

  1. Nach Hannes Britschgi nun „Kafi“ Freitag (schon dieser Name…) – die alles tut um aufzufallen. Ihr ganzes Leben ist eine Anstrengung zum Auffallen.
    Wahrlich – diese „Journalismus-Fragebogen Menschen-Auswahl“ ist ein einziges Hoch und Tief.
    Bei Britschgi eher ein Hoch.
    Und ist „Kafi“ überhaupt journalistisch???

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