Claudia Schlup: «Der Umgang mit Fake News ist eine der grossen, globalen Herausforderungen»

Publiziert am 3. November 2021 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Claudia Schlup, Leiterin der Diplomausbildung Journalismus an der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern. Sie sagt, sie glaube dass Fake News das Vertrauen zu den «traditionellen Medien» untergraben. «Ich sehe sie als eine Gefahr für die Gesellschaft ganz allgemein.» Als Online-Produzentin habe sie auf den Social-Kanälen  die gesellschaftliche Polarisierung zu spüren bekommen «und den zunehmend rauen Ton gegenüber Medien im Allgemeinen und SRF im Speziellen». Schlup ist überzeugt, dass man Journalismus nicht automatisieren kann: «Journalismus besteht darin, Ereignisse zu analysieren, einzuordnen und Zusammenhänge herzustellen. Automatisieren kann man Wetter und Sportresultate.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Radio SRF 1 oder SRF 3.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram? 

Als Online-Produzentin war ich in den letzten Jahren permanent auf allen drei Kanälen. Privat nutze ich nur Instagram aktiv. Wobei ich in den letzten drei Monaten etwas faul geworden bin.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Bei Radio SRF 1 war ich als Tagesverantwortliche im Einsatz, als der Shutdown bekannt gegeben wurde. Wir haben mit einer Minimalbesetzung auf der Redaktion gearbeitet, alle Meetings auf Skype verlegt, Beiträge von zuhause aus produziert. Es war eine extrem spannende Zeit, in der wir als Team viel gelernt haben.

Als Online-Produzentin habe ich danach auf den Social-Kanälen vor allem die gesellschaftliche Polarisierung zu spüren bekommen – und den zunehmend rauen Ton gegenüber Medien im Allgemeinen und SRF im Speziellen.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter? 

Es war anders. Und nicht alles war besser.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja. Nicht nur im Journalismus.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Das «Magazin» vom Wochenende mit der Neubewertung von Martina Hingis. Was ich nicht unbedingt gleich für heute, aber für den Herbst oder Winter empfehle: Nino Haratischiwilis «Das achte Leben».

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Schlechte lege ich sowieso weg, und wenn das Leben dazwischen kommt, manchmal leider auch gute.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In Gesprächen mit Menschen von ausserhalb meiner Bubble: Nachbarn oder Leute, mit denen ich Small Talk mache. Häufig höre ich etwas, horche auf, frage, frage weiter – und lande in irgendeinem abgefahrenen Special-Interest-Universum, von dem ich keine Ahnung hatte, dass es existiert.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Ich liebe gedruckte Tageszeitungen sehr. Aber ich fürchte: nicht mehr ewig.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Ich glaube, dass sie das Vertrauen zu den «traditionellen Medien» untergraben und sehe sie als eine Gefahr für die Gesellschaft ganz allgemein. Für mich zählt der Umgang mit Fake News zu den grossen globalen Herausforderungen. 

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen? 

Lineares Radio höre ich nicht nur am Morgen, sondern auch tagsüber. TV konsumiere ich nur zeitversetzt, meistens via App auf dem Smartphone.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich bin ein Riesen-Fan von Podcasts. Ich denke jedes Mal, wenn ich ins Berner Oberland fahre, an den «Geisterzug von Spiez» von SRF. Und  von «NZZ Akzent» höre ich fast jede Ausgabe.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Dass sie sich einer extrem schwierigen und teilweise frustrierenden Aufgabe stellen müssen. Denn sie müssen diese Gruppe erreichen. Leider habe ich kein Patent-Rezept dafür…

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Nein. Journalismus besteht darin, Ereignisse zu analysieren, einzuordnen und Zusammenhänge herzustellen. Automatisieren kann man Dinge wie Wetter und Sportresultate.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Sie ermöglicht neue Formen und Formate – beschleunigt aber dadurch den Strukturwandel der «traditionellen Medien» enorm.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Absolut. Guten Journalismus braucht es mehr denn je. Was mich zurzeit optimistisch stimmt, sind die Projekte, die aktuell am Entstehen sind: die «Hauptstadt» in Bern, die Satire-Plattform «Die Petarde», das Online-Kulturmagazin «Frida»

Am MAZ Luzern sehe ich junge Menschen, die den Willen und die Fähigkeiten mitbringen, für qualitativ hochwertigen Journalismus einzustehen. Das freut mich. 

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Nur noch, wenn Karten mit dem Schriftzug «Geburtstag», «Geburt» oder «Gute Genesung» im Unternehmen herumgereicht werden. Ich habe eine Sauschrift – ich bin froh, dass ich meine Mitmenschen damit nicht mehr belangen muss.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Schlecht. Den Schaden, den er mit der Diffamierung der Medien angerichtet hat, ist enorm. Und dass er die Verbreitung von Falschnachrichten quasi salonfähig gemacht hat, ist eine Katastrophe.

Wem glaubst Du?

Dem besseren Argument. 

Dein letztes Wort?

Ich habe heute Morgen meinen Sohn gefragt, welches sein Lieblingswort sei. Er meinte: «aber». Das fand ich gut.


Claudia Schlup
Claudia Schlup leitet der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern die Diplomausbildung Journalismus. Sie hat an der Universität Bern Germanistik und Medienwissenschaften studiert und einen Master in New Media Journalism an der Universität Leipzig absolviert. In den Journalismus ist sie bei der «Berner  Zeitung» eingestiegen. Über das Ressort Unterhaltung bei Tamedia und Ringier fand sie 2009 zu SRF. Bis im Sommer 2021 war sie für SRF tätig, zuletzt als stellvertretende Leiterin SRF Online Programme. Die Diplomausbildung Journalismus des MAZ, die sie leitet, vereint Praxis und Theorie in den drei Vertiefungsrichtungen Text, Radio und TV/Video.


Basel, 3. November 2021, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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5 Kommentare zu "Claudia Schlup: «Der Umgang mit Fake News ist eine der grossen, globalen Herausforderungen»"

  1. Während Journalisten wie Georg Häsler (NZZ) – Interview von letzter Woche – auf die „Trump-Frage“ differenziert antworten, kommt bei Journalisten aus dem Dunstkreis oder ehemaligen Dunstkreis von SRF auf die „Trump-Frage“ immer wie aus der Pistole geschossen: „Schlecht“.
    Das sollte wirklich zu denken geben.
    Apropos Säulenheiliger am Leutschenbach (SRF) – sprich Biden:
    Nur ein Jahr nach den US-Wahlen: Joe Biden steht am Abgrund – und Vorgänger Donald Trump vor dem Comeback?
    Soviel zum „schlechten“ Trump und „grossem Biden“ (SRF-Denke) heute in der BZ:
    „Der amerikanische Präsident steht mit dem Rücken zur Wand: In Washington bringt der bald 79-Jährige nichts zustande und im Land verlieren die Wählerinnen und Wähler das Vertrauen in ihn.
    Ein Bild von Biden geht um die Welt. Ausgerechnet am Weltklimagipfel, an dem Joe Biden demonstrieren wollte, dass Amerika die Gefahren der Erderwärmung ernst nimmt, schlief der Demokrat ein. Während der Rede eines Aktivisten aus Südafrika schloss der bald 79-jährige Präsident seine Augen – bis ein Berater ihn wieder in den Versammlungssaal in Glasgow zurückholte.“ usw… usw…
    Den ganzen sehr guten Artikel
    https://www.bzbasel.ch/international/amerika-nur-ein-jahr-nach-den-us-wahlen-joe-biden-steht-am-abgrund-und-vorgaenger-donald-trump-vor-dem-comeback-ld.2209150
    Die einseitigen (und auch falsche Lage schildernden) USA-SRF Berichtlein, motiviert aus persönlichen Aversionen oder was weiss ich was hängen den Leuten langsam zum Halse raus.

    1. Lieber Herr Zweidler, so einfach ist das nicht. Erster Punkt: Der «Atlantic» hat es auf die Formel gebracht: «Good news for Trumpism, bad news for Trump» – es sieht, allen Analysen nach, eher so aus, dass die Reps in Virginia die Wahlen trotz Trumo gewonnen haben – sie haben die Wahlen gewonnen, weil Trump sich zurückgehalten hat. Zweiter Punkt: Sie verwechseln Kritik am Stil mit Kritik an der Politik. Auch in den USA und auch unter konservativen Journalisten betrachten viele Medienleute als verheerend, wie Trump mit den Medien umgegangen ist. Das ist keine Stellungnahme zu seiner Politik, sondern zu seinem Stil. Ähnliches ist manchmal in der Schweiz bei der SVP zu beobachten: Einige Parteiexponenten verachten Institutionen wie das Bundesgericht oder eben: die Medien geradezu. Schon allein deshalb stossen sie unter Journalisten auf Ablehnung. Manchmal, lieber Herr Zweidler, ist Politik auch eine Stilfrage. Es beginnt damit, dass man seinen Gegner achtet (auch das habe ich bei Trump noch nicht gesehen).

      1. Nichts ist einfach. Klar muss man Stil von Inhalt trennen. Aber gerade Journalisten vermischen das ja oft und öfter.
        Die repetitiven Versuche, der SVP Verwandtschaft mit Trump anzudichten, grenzt auch schon an Fake News. Aber eben, Journalisten müssen ja nicht deklarieren, auf welcher Seite sie stehen und treten als immer objektiv auf. Ihr Kommentar, „lieber“ Herr Zehnder, kommt bei mir als arrogant gegenüber dem „lieben“ Herrn Zweidler rüber. Und ich glaube, Sie verwechseln Kritik am Bundesgericht, was durchaus sein darf (oder etwa doch nicht?), mit Verachtung! Genauso wie wir von den Journalisten im Fall von Trump gelernt haben, dass der Inhalt egal ist, nur der Stil zählt…., und der war bei Trump wirklich abgründig….., und so konnte man die Inhalte seiner Politik, auch schlecht reden, aber nicht, weil diese schlecht waren, sondern weil sie dem/den Journalisten nicht passten, und man konnte sie einfach via Stil „erledigen“. 4 Jahre lang. Seriöse Auseinandersetzung mit Inhalten fand nicht/selten statt, weil die beleidigten Journalisten es nicht zuliessen.

        1. Lieber Herr Pargger, da haben Sie sicher recht, dass viele Journalisten Ihre Haltung hinter einer nur vermeintlichen Objektivität verbergen. Im vorliegenden Fall ging es aber um die Antwort auf meine Fragebogenfrage: «Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?» Claudia Schlup hat darauf geantwortet: «Schlecht. Den Schaden, den er mit der Diffamierung der Medien angerichtet hat, ist enorm. Und dass er die Verbreitung von Falschnachrichten quasi salonfähig gemacht hat, ist eine Katastrophe.» Das ist eine Antwort, die sich ausschliesslich auf den Stil von Trump bezieht, nicht auf seine Politik. Ich habe übrigens nicht von Trump-Nähe der SVP geschrieben, sondern von einzelnen Parteiexponenten, die in ähnlichem Stil Institutionen wie das Bundesgericht verächtlich machen.
          Was mir zu denken gibt, ist das, was Sie am Schluss ansprechen: In vielen Punkten hat tatsächlich vor lauter Ablehnung des Stils keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Politik von Trump stattgefunden. Wir erleben unter Biden dasselbe, einfach mit umgekehrten Vorzeichen: Biden macht in manchen Punkten dieselbe Politik wie Trump (die USA behindern zum Beispiel nach wie vor den Export von Schweizer Stahlprodukten mit Strafzöllen, die Politik an der Südgrenze der USA ist immer noch dieselbe etc.), weil Biden seine Politik freundlicher formuliert, wird sie aber nicht mehr kritisiert. Das ist schwach und zeigt, dass viele Journalisten nicht mehr in der Lage sind, hinter die Fassade des Politiktheaters zu schauen.
          Und noch ein letzter Punkt: Dass ich Herrn Zweidler mit «lieber Herr Zweidler» anrede, ist nicht arrogant gemeint, im Gegenteil: Er kommentiert hier regelmässig und ich pflege ihm regelmässig zu widersprechen. Aber genau das ist der Sinn der Sache: Eine Auseinandersetzung über die Sache. Deshalb auch Ihnen, lieber Herr Pargger, herzlichen Dank für Ihren Kommentar!
          Beste Grüsse, Matthias Zehnder

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