Christof Moser: «Es könnte sein, dass der Wert von unabhängiger und objektivierter Information verloren geht.»
Das Fragebogeninterview mit Christof Moser, Mitgründer der «Republik», über seinen persönlichen Mediengebrauch, den Umgang mit Handy, Facebook und digitale Assistenten und die Zukunft des Journalismus.
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Ehrlich gesagt: Seit Anfang 2018 das Dashbord, das alle Kennzahlen der «Republik»-Entwicklung im Lesermarkt präsentiert. Daneben: Twitter, die «Süddeutsche», «NZZ», und der «Blick». Und wenn ich Ferien habe: die «New York Times».
Im Zweifel lieber Text ohne Bild oder Bild ohne Text?
Text, wobei das Zusammenspiel unschlagbar ist.
Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?
Von Facebook habe ich mich ziemlich entliebt. Bei Twitter lese ich immer wieder mal mit, kommentiere selber aber deutlich weniger als auch schon. Und Instagram habe ich nach einer Pause kürzlich wieder reaktiviert.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Ich bin ein begeisterter Nutzer der Arte-Mediathek. Was ich dort schon alles über Schwarze Löcher oder Grigori Jefimowitsch Rasputin gelernt habe – unbezahlbar!
Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Früher musste ich meistens wissen, wie es ausgeht, auch wenn mich das Buch nicht packte. Heute lege ich Bücher auch mal weg. Leider gehört das Lesen von Büchern zu jenen Lieblingsbeschäftigungen, die am meisten von viel Arbeit zurückgedrängt werden.
Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?
Da spielen meine journalistischen Reflexe einwandfrei: sofort den Livestream von CNN und BBC aufschalten, den Twitter-Feed nicht mehr aus den Augen verlieren und Online-Medien ansteuern, die aus der lokalen Perspektive über dieses Weltereignis berichten.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Absolut.
Was muss man unbedingt gelesen haben?
www.swisstransplant.org. Und die IPCC-Berichte der Klimaforscher.
Papierbuch oder Kindle?
Da bin ich altmodisch: Papierbücher. Ich mag es, wenn ich zu Büchern in meinem Regal greife, mit Erinnerungen überrascht zu werden: Sand, der rausrieselt, weil ich das Buch zuletzt am Strand gelesen habe, Kritzeleien am Rand, weil mich ein Gedanke inspirierte.
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Solange die Verleger noch genügend Kohle rausholen können. Und keinen Tag länger.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Ausser in Livestreams bei Weltereignissen gibt’s lineares Live-Fernsehen für mich schon seit bald 10 Jahren nicht mehr. Dafür nutze ich gezielt die immer besseren Mediatheken von TV-Sendern und bin begeisterter Netflix-Abonnent.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Ich bin kein Hörer. Was ich nur höre, vergesse ich sofort wieder. Deshalb ist Hören für mich ineffizient. Und wenn ich entspannen will, lese ich oder schaue Dokumentationen.
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?
Für die Medien weniger Umsatz. Für die direkte Demokratie, die von informierten und mündigen Bürgerinnen ausgeht, ist dieser Befund eine tickende Zeitbombe. Mich würde die Korrelation zwischen Verschwörungstheoretikern und News Deprivierten interessieren. Hab ich was übersehen?
Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?
Ich bin nicht sicher. Es könnte sein, dass der Wert von unabhängiger und objektivierter Information verloren geht. Die entscheidende Frage ist, ob wir den Sprung in die dritte Aufklärung schaffen – oder nicht. Ich bin skeptisch.
Sind digitale Assistenten wie Alexa oder Google Home eine neue Chance für das Radio – oder eine Gefahr für die Menschheit?
Freunde berichten mir von ihren guten Beziehungen zu diesen Assistenten. Eine Gefahr für die Menschheit sind sie somit wahrscheinlich nicht. Im Auge behalten sollten wir die Auswirkungen auf die Privatsphäre.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Ja, oft. Notizen an Sitzungen oder bei Interviews. Beim Zeichnen von Plänen für die Republik die erklärenden Legenden dazu. Und in mein Notizbüchlein, wenn ich etwas Inspirierendem begegne – unterwegs, beim Dokfilm schauen, beim Lesen eines Buchs.
Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Ökonomisch gut, wie man hört. Und auch feststellt, wenn man Onlineportale besucht. Die langfristigen Schäden für den Journalismus lassen sich erst erahnen.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Mich interessiert die Gegenwart – und da haben die traditionellen Verlage vielleicht das Bedürfnis des Publikums nach Qualität viel zu spät entdeckt.
Wem glaubst Du?
Wenn es hart auf hart kommt: meinen Freunden.
Dein letztes Wort?
Es ist ein Satz: Unterstützen Sie Versuche, neue und finanziell tragfähige Journalismusmodelle zu etablieren! (Auch wenn es nicht die «Republik» ist).
Christof Moser
Christof Moser, Co-Gründer und Verwaltungsrat der «Republik», langjähriger Politik-Reporter und Medienjournalist u.a. für «Facts», «Weltwoche», «SonntagsBlick», «Schweiz am Sonntag», Dozent für Politik- und Wirtschaftsjournalismus, Medienethik, Storytelling.
Twitter: @christof_moser
https://www.republik.ch/
Basel, 10. Januar 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
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3 Kommentare zu "Christof Moser: «Es könnte sein, dass der Wert von unabhängiger und objektivierter Information verloren geht.»"
Alle diese Legionen von extrem gebildeten Abgeklärten: Was tun Sie wirklich und wirksam für die Aufklärung?
Herr Keller, was meinen Sie damit genau?
Mit den extrem gebildeten Abgeklärten meine ich beispielsweise Kolleg*innen aus Forschung und Wissenschaft, die eigentlich wissen, was zu tun wäre, es aber nicht verständlich und/oder wirksam sagen oder schreiben, um ihre Karriere nicht zu gefährden. In etwa so, wie es mir vor über zwanzig Jahren an der Uni geraten worden ist: „Wenn Sie Karriere machen und viel Geld verdienen wollen, dürfen Sie nicht offensichtlich lügen, aber auch nicht Wahrheiten sagen, die Mächtigen und/oder Reichen nicht passen.“
Auf diese Art bleibt die Aufklärung nicht nur im letzten, sondern sogar im vorletzten Jahrhundert stecken.