Birthe Homann: «Momentan tummle ich mich vor allem auf LinkedIn»

Publiziert am 13. September 2023 von Matthias Zehnder

Das 246. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Birthe Homann, Redaktorin beim «Beobachter». Sie sagt, die Digitalisierung sei «eine Chance, eine riesige Chance» für den Journalismus. «Nur leider weiss kaum wer, wie man sie richtig nutzen muss/kann/soll.» Sie selbst will nicht auf den Print verzichten: «Was wäre der morgendliche Kafi an meinem freien Tag in meinem Lieblingscafé ohne das Rascheln der Tageszeitungen? Haptik ist auch wichtig.» Angst macht ihr, was heute «alles mit gefakten Bildern möglich ist». Das sei «schon unglaublich». Fake News zu entlarven sei deshalb «Pflicht, nicht darauf reinzufallen auch». Sie hofft, dass auch die Nachricht vom langsamen Ableben der gedruckten Tageszeitung in die Kategorie «Fake News» gehört: «Der Tod von Büchern und Schallplatten wurde auch längst vorausgesagt, passiert ist er nicht.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

«Tagi», NZZ. Am Wochenende: der «Spiegel» und die «NZZ am Sonntag».

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Momentan tummle ich mich vor allem auf LinkedIn, öfters auch auf Insta. FB und Twitter (X) nutze ich kaum noch.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Stark. Video-Konferenzen wurden Alltag, Slack unentbehrlich, Pushnachrichten und Live-Streams essenziell, schliesslich wollte ich immer up to date sein, was gerade vom Bundesrat entschieden worden war.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Es war definitiv vielfältiger, ich denke da zum Beispiel an all die bankrott gegangenen Lokalblätter.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja, unbedingt.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Gute Bücher. Zum Beispiel «The Symphatizer» von Viet Thanh Nguyen und alles von Joanna Bator sowie die genialen Comics von Liv Strömquist.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Weglegen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im Gespräch mit Leuten, die nicht aus meiner Bubble sind: Unterwegs, bei zufälligen Begegnungen. Im Alltag vom Pöstler oder der Velokurierin. Von meinen Kindern. Und aus den Medien; ich erinnere mich an einen Artikel aus der «Zeit» über Haarausfall. Genial.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Hoffentlich noch lange. Der Tod von Büchern und Schallplatten wurde auch längst vorausgesagt, nur: Passiert ist er nicht. Aber ich muss gestehen, ich bin kürzlich aufs Online-Abo meiner Tageszeitung umgestiegen, praktischer und günstiger. Aber was wäre der morgendliche Kafi an meinem freien Tag in meinem Lieblingscafé ohne das Rascheln der Tageszeitungen? Haptik ist auch wichtig.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Beides. Sie gut zu entlarven ist Pflicht, nicht darauf reinzufallen auch. Aber was heute zum Beispiel alles mit gefakten Bildern möglich ist, ist schon unglaublich und macht mir Angst.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Brauche ich kaum noch. Ausnahme ab und an bei «Tatort» und «Tagesschau».

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Nicht so oft. Manchmal die TED-Talks. Und selbstverständlich muss ich hier auf den Beobachter-Podcast «Der Fall» hinweisen, Eric Facon macht das super. Ich habe kürzlich auch meinen ersten mit ihm «absolviert». War spannend und lustig.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?

Das kann ich kaum glauben. Mir scheint ein Grossteil der heutigen Jugend viel politischer und aktiver, als wir es damals waren. Was genau ist denn die Grundlage dieser fög-Studie? Wer und wie wurde befragt?

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Tja, bei Sport-Meldungen oder anderen Kurz-Updates ist das ja schon üblich. Ich hoffe, der «Tagi» gerät da nicht zu sehr auf Abwege und dass die anderen Medien diesbezüglich dem «Tagi» nicht alles nachmachen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Sie ist eine Chance, eine riesige Chance. Nur leider weiss kaum wer, wie man sie richtig nutzen muss/kann/soll. Es bleibt auf jeden Fall spannend.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Ja.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja. Weihnachtskarten und Notizen auf Repo (nur leider kann ich die danach meist kaum noch entziffern, da meine Handschrift nicht die schönste ist).

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Schlecht. Die Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft, zu der er massgeblich beiträgt/beitrug, ist immens schädlich – für uns alle. Auch für die Medien und deren Glaubwürdigkeit.

Wem glaubst Du?

Gute Frage. Der Wissenschaft? Nein. Statistiken? Auf keinen Fall. Meinen Kindern? Niemand kann so aufrichtig Unwahres sagen. Hm. Meinen besten Freund:innen? Yes. Und meinem Ressortleiter ;-). Und seriösen Medien – aber was ist schon seriös?

Dein letztes Wort?

Uh, auf dem Sterbebett sagen anscheinend die meisten Menschen, dass sie zu viel gearbeitet und zu wenig gelebt hätten. Ich hoffe, das passiert mir nicht.


Birthe Homann
Birthe Homann hat in Zürich, Kopenhagen und Oslo Skandinavistik, Publizistik und Englische Literatur studiert. Erste journalistische Erfahrungen hat sie während des Studiums bei «Brigitte gesammelt, es folgten Pressearbeit bei verschiedenen Verlagen, Praktika bei Lokalmedien und bei SRF. Nach Absolvieren des MaZ ist sie als Redaktorin beim «Beobachter» gelandet, dort schreibt sie vor allem zu Gesellschaftsthemen, Sozialpolitik und über Menschen. «Stark für die Schwachen fasst es immer noch gut zusammen», sagt sie. «Und Berge dürfen auch nicht fehlen (Naturgefahren; Bergretter, Gletscherbegehungen ….). Darüber hinaus ist sie für die Volontär:innen zuständig – «wir haben natürlich die allercoolsten». Birthe Homann wohnt mit ihrer Familie in Zürich.
www.beobachter.ch/unsere-redaktion/birthe-homann


Basel, 13. September 2023, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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3 Kommentare zu "Birthe Homann: «Momentan tummle ich mich vor allem auf LinkedIn»"

  1. Auf die Frage: «Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?» und deren Antwort: «Es war definitiv vielfältiger, ich denke da zum Beispiel an all die bankrott gegangenen Lokalblätter» hätte ich noch eine kleine Anmerkung: Die beschriebenen eingegangen Lokalblätter waren damals auch nicht so vielfältig. Man denke am Platz Basel an den «Baslerstab» und dessen redaktioneller Inhalt, an den «Basler Bebbi» usw…. Oder in der Zentralschweiz an den «Insider Innerschweiz», an den «Nidwaldner Blitz» – da schrieb ein Lokalblattredaktor dem anderen ab.
    Im Gegenteil, dank der neuen Technik (Internet) gibt es eine Vielfalt die so früher im Print (Druckkosten, Papierkosten, Verträgerkosten usw. viel zu teuer) nicht möglich gewesen wäre. Von «Manova» (https://www.manova.news/artikel/das-herz-in-allem), welches (sehr interessant und lesenswert) dank Internet günstig verbreitet werden kann bis zum neuen E-Paper «Weltwoche Deutschland», welches Verleger und Chefredaktor Roger Köppel in Deutschland zum günstigen Preis (da zur Zeit noch keine Deutsche Print-Ausgabe) anbieten kann. Welch eine Vielfalt-Bereicherung in der Schweiz oder auch in Deutschland.
    Im Gegenteil, ich sehe die alten Dinosaurier wie «Tamedia», «Ringier» oder auch der «Dino»-SRG-Dampfer (mit dem antiken Zwangsgebührenmodell) langsam untergehen.
    Vielleicht muss das so sein. Fertig mit dem alleinherrschenden Sandro Brotz, der sich als nationaler Polit-Dompteur in der «SRF»-Sendung «Arena» aufspielen will und sich eine Entgleisung nach der anderen leistet (siehe auf «You-Tube» die Polit-Meinungs-Sendung «In den Sümpfen von Bern» mit dem Titel «Neue Entgleisung von Arena-Brotz», ebenfalls ein neues Format vom zuverlässig gutgewählten SVP-Nationalrat Thomas Matter, welches ohne Internet nicht möglich wäre).
    Auch können die grossen Medienhäuser mit ihren festgefahrenen Strukturen, ihren grossen Verwaltungen und im Falle «SRG» ihren Riesensalären nicht mehr lange mithalten. Oder wie lässt sich einem einfachen Medienkunden erklären, wie Gehalt-Spitzenreiter Gilles Marchand von der «SRG» dies «ver-dient» hat:
    SRG, Gilles Marchand Salär CHF 514000 Fr.
    France Tele, Delphine Ernotte CHF 383000 Fr.
    ARD, Kai Gniffke CHF 376000 Fr.
    ZDF, Norbert Himmler CHF 374000 Fr.
    ORF, Roland Weissmann CHF 363000 Fr.
    RAI, Roberto Sergio CHF 230000 Fr.
    (Jahressaläre ; Quelle Weltwoche 36/23, Seite 27)
    Also die «SRG-Pressestelle» (wieder eine Riesen-Abteilung) muss jetzt den «Zahl-Eseln» (also dem Volk) erklären wollen, «die Lebensunterhaltskosten» seien in der Schweiz halt höher wie in Deutschland oder Frankreich. Das «zieht» beim Normalverdiener (40’000 – 50’000 Fr. Jahressalär), welcher jährlich den Gürtel (noch) enger schnallen muss, nicht mehr….
    Der «Halbierungs-Initiative», Untertitel «200-Fr.-sind-genug» (…diese Initiative ist doch eine normale, plausible Erscheinung unserer Zeit….) bei solchen Exzessen Gegenargumente gegenüberzustellen dürfte schwierig, sehr sehr schwierig werden.
    Alles hat seine Zeit – ich empfinde gerade 2023, anders als Frau B. Homann eine unglaubliche Vielfalt an Interessanten Journalen, Internetseiten, Formaten usw… Die von Frau B. Homann erwähnten «alten Pfade» mal verlassen und neue Schritte wagen. Auch medienmässig. Denn reinschauen, -hören und -sehen lohnt sich, Frau B. Homann. Dies empfinde ich als eine gute Seite unserer Zeit und des Internets.

    1. Damit wir bei den Zahlen bleiben:
      Es gibt eine Nationalfondsstudie über die Lokalmedien in der Schweiz. Ein Resultat: Von 2011 bis 2022 ist die Zahl der Lokalzeitungen in der Schweiz von 451 auf 347 zurückgegangen. Siehe
      https://data.snf.ch/grants/grant/197511

      Zweitens: Ihre Lohnvergleiche. Ich weiss nicht genau, was Sie uns damit sagen wollen. Aus Ihrer Sicht ist wohl einfach alles verwerflich, was kein Büezer ist und nicht Köppel heisst. Wenn Sie schon Zahlen vergleichen, dann bitte seriös. Nehmen Sie zum Beispiel die Kaufkraft dazu. Dann stellen Sie fest: Ein Euro in Frankreich hat eine um 1.67 höhere Kaufkraft als ein Franken in der Schweiz. Wenn Sie das umrechnen, würde Madame Ermotte 612’000 Franken verdienen. Das wäre dann mehr als Herr Marchand. Aber auch das würde nichts aussagen, weil wir ja nicht wissen, ob die Jobs vergleichbar sind und wie die Gehälter berechnet werden. Siehe https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/preise/internationale-preisvergleiche.gnpdetail.2022-0298.html

  2. Der auch wieder in diesem Interview thematisierte „Tod der Zeitungen“ scheint mir viel weniger relevant als die geistige Umnachtung, mit der sich unter anderem auch Medien aus der Realität der Welt, wie sie ist, flüchten. „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die sich die Welt nicht angeschaut haben.“ (Alexander Freiherr von Humboldt, 1769-1859). Im Dunkel dieser geistigen Umnachtung ist es für Herrschsüchtige und Machtgierige einfach, ihre Machenschaften zu
    inszenieren. Es werde Licht: Damit man auch im Dunkeln sieht, und es für alle hell werden kann!

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