Bettina Widmer: «Wir müssen junge Erwachsene dort abholen, wo sie sind»

Publiziert am 28. September 2022 von Matthias Zehnder

Das 196. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Bettina Widmer, Head of Vertical Hub beim «Blick». Sie sagt, sie nutze «TikTok etwas mehr als mir lieb ist» und hofft, dass sie nie wieder einen virtuellen Team-Apéro organisieren muss. Die finanzielle Situation der Medien sei früher bestimmt besser gewesen. «Dafür gibt es heute dank der Digitalisierung viel mehr neue Kanäle, Erzählformen und Möglichkeiten.» Die Zukunft der gedruckten Medien gehört wohl eher den Magazinen und Wochenzeitungen. 

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

«Blick.ch». Ich frühstücke bei der Arbeit.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram? 

Facebook und Twitter nur beruflich, Instagram mehrmals täglich und TikTok etwas mehr als mir lieb ist.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Homeoffice, viel mehr Meetings, weil kurze Absprachen vor Ort wegfielen, und remote führen. (Ich hoffe, ich muss nie wieder einen virtuellen Team-Apéro organisieren …)

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst, – war früher alles besser oder schlechter? 

Die finanzielle Situation war früher bestimmt besser. Dafür gibt es heute dank der Digitalisierung viel mehr neue Kanäle, Erzählformen und Möglichkeiten.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Natürlich!

Was soll man heute unbedingt lesen?

Bücher.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Wenn mir ein Buch nicht gefällt, lege ich es weg. Das Leben ist zu kurz für schlechte Lektüre.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In Dokus. Ich habe kürzlich eine Doku-Reihe über alte Handwerkskunst geschaut und gelernt, wie man Farben mischt, ein Buch bindet und einen Sessel polstert.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Vielleicht noch zehn bis zwanzig Jahre? Die Zukunft der gedruckten Medien gehört wohl eher den Magazinen und Wochenzeitungen.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eine Gefahr. Medien müssen immer mehr um Vertrauen kämpfen. 

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen? 

Ich konsumiere alles on demand. 

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Mein aktueller Lieblingspodcast: «Das Universum» mit den Astronom:innen Ruth Grützbauch und Florian Freistetter.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Wir müssen junge Erwachsene dort abholen, wo sie sind (zum Beispiel auf Social Media) und den Content zielgruppenrelevant und -ansprechend aufbereiteten. Heisst: Über das berichten, was Junge wirklich interessiert und beschäftigt. 

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Journalismus wird immer Menschen brauchen, die recherchieren, hinterfragen und Geschichten erzählen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Weder noch. Sie stellt uns einfach vor neue Herausforderungen, die es zu meistern gilt.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Ja, um die Medienvielfalt zu erhalten.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ich schreibe alle meine Notizen von Hand in ein Notizbuch.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Schlecht. Er mag vielleicht für Quoten und Klicks gesorgt haben, aber mit seinen Angriffen auf die Medien hat er das Vertrauen vieler Menschen in die Medienberichterstattung nachhaltig zerstört.

Wem glaubst Du?

Menschen, denen ich vertraue – und wenn ich unsicher bin, meinem Bauchgefühl.

Dein letztes Wort?

Merci!


Bettina Widmer
Bettina Widmer (30) hat Journalismus und Organisationskommunikation an der ZHAW studiert. Seit sechs Jahren ist sie bei der Blick-Gruppe angestellt. Seit 2021 leitet sie dort den Bereich Vertical Hub, der neue Zielgruppen, Themenbereiche und Werbefelder erschliesst und als Schnittstelle zwischen der Redaktion, dem Kunden und den User:innen von Blick agiert.
https://www.blick.ch/ 


Basel, 28. September 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Ein Kommentar zu "Bettina Widmer: «Wir müssen junge Erwachsene dort abholen, wo sie sind»"

  1. Scheint eine gute junge Frau zu sein.
    Nur schade, arbeitet sie beim „Schmierenblatt“ (=meine Empfindung) „Blick“.
    Wie „Blick“ mit dem grossen Thema „Corona“ umginge = unverzeihlich. Wie „Blick“ das Thema über das Krisengebiet Ukriane berichtet = aufreisserisch.
    Doch lassen wir die „Grossen“ Themen – da befassen sich schon genug andere damit.
    Doch auch im Kleinen merkt man, wie tendenziös Gefälligkeitsjournalismus bei „Blick“ geht:
    Die ehedem gefeierte Energieministerin Doris Leuthard (CVP/Mitte) ist in letzter Zeit vermehrt ins kritische Visier von Politik und Presse gerückt. Denn die Politikerin verantwortet massgeblich die heutige Energiepolitik inklusive Atomausstieg und Auslandabhängigkeit. Das Scheitern dieser Strategie wird immer wahrscheinlicher und offenbart sich jetzt in diesem Winter.
    Für unliebsame Schlagzeilen anderer Art sorgte Doris Leuthard Ende kürzlich: Fast alle Schweizer Medien berichteten, die frühere Bundesrätin sei Opfer einer Gewaltandrohung geworden. Mehr als vierzig Zeitungstitel erzählten die Geschichte, in ihrem Ferienhaus hoch über dem Lago Maggiore sei eine mutmassliche Kriminaltat geschehen.
    Die Rede war von einem spitzen Gegenstand («möglicherweise einem Messer»), Leuthards Hilfeschreien, einem Polizeieinsatz und der Überführung des Täters («ein Mann») in die psychiatrische Klinik Mendrisio. Eine Woche später wurde Leuthards Ehepartner wegen Rückfallgefahr inhaftiert.
    Die Tessiner Behörden gaben sich zugeknöpft. Auch Doris Leuthard selber wollte sich zum Vorfall nicht äussern. Umso ungehemmter schossen die Spekulationen ins Kraut. Immerhin betraf der Vorfall eine der bekanntesten Politikerinnen des Landes, die in ihrer Amtszeit stets auf die volle Unterstützung des Boulevard-Blick-Medium zählen konnte: Ob «Duschen mit Doris», ihre Schuhsammlung, ihre grosse Handtaschensammlung, die regelmässige Wahl zur beliebtesten Bundesrätin oder die Überführung ihrer Akris-Abendrobe ins Aargauer Museum: Leuthard war während und nach ihrer Amtszeit allgegenwärtig.
    „Blick“ hebte seine Lieblingspolitikerin denn auch auf die Titelseite: «Drama im Tessin: Doris Leuthard in ihrem Ferienhaus bedroht». Vier Journalisten breiteten dieses «Drama» auf drei Seiten aus. Das Umfeld der Alt-Bundesrätin betone, sie sei während ihrer Zeit als Bundesrätin «von einem Querulanten ohne festen Wohnsitz» per Mail bedroht worden.
    Die Deutschschweizer Medien überboten sich darin, über die Gefährdung von Politikern und die mangelnde öffentliche Sicherheit zu lamentieren. Der Tages-Anzeiger erkundigte sich beim Bundesamt für Polizei, ob frühere Mitglieder der Landesregierung oft Opfer von Gewalttaten würden. Die Leser sahen den Täterkreis reflexartig bei den bürgerlichen Kritikern der bundesrätlichen Energiestrategie. Ein Kommentator äusserte sein Mitgefühl mit Doris Leuthard so: «Insbesondere in den rechtsbürgerlichen Kreisen wird sie und ihre Nachfolgerin immer wieder aufs heftigste attackiert.» Auch „Blick“ liess die „Rechtbürgeliche These“ schön am köcheln mit seinem Geschreibsel.
    Derweil orientierten die Tessiner Medien ganz anders über die Eskalation im Ferienhaus in Vairano. Eine Stunde nach dem Einsatz der Kantonspolizei benannte Radiotelevisione svizzera (RSI) den wahren Sachverhalt: «Der Ehemann geriet angeblich in Wut und hielt auch eine Klinge. Er wurde von Polizisten angehalten und befindet sich nun im Krankenhaus. Niemand wurde verletzt.» Auch der Corriere del Ticino meldete noch gleichentags, dass es sich beim Täter «aller Wahrscheinlichkeit nach um den Ehemann» handle.
    Doch ausserhalb des Tessins herrschte plötzlich bleiernes Schweigen. Was sich zuvor wie eine Springflut «rasend schnell verbreitet» hatte (Tages-Anzeiger), prallte jetzt am Gotthardmassiv ab. Das Deutschschweizer Réduit national hielt eisern dicht. Einzig Weltwoche online berichtete am Samstagmorgen korrekt (!) .
    Keine der Sonntagszeitungen publizierte eine einzige Zeile – nicht einmal der Sonntagsblick, obwohl sich die Werktagsausgabe noch am Vortag vor Aufregung fast überschlagen hatte. Die Wahrheit zählt null und nichts!!!
    Selbst wenn sie besser ist, als jede Boulevard-Gurgel sie sich je hätte ausdenken können.
    Der Journalismus schafft sich ab. Filz geht vor Fakten. Weil die Oberen der Medienetagen mit ihren Lieblingen unter den politisch Mächtigen kungeln. Und weil die Journalisten vor den Juristen schlottern.
    2018 liess Doris Leuthard eine «offizielle Biografie» über sich schreiben. Der Titel des Bilderbuchs: «Die Staatsfrau mit Charme und Charisma». Selbstlobhudelei. Wahnsinn. Ein Kapitel gewährte «seltene Einblicke» in ihr eheliches Privatleben. Dessen prahlerischen Untertitel lautet: «Die Königin und der stille Prinz». Jetzt ist der stille Prinz gegenüber seiner Königin unter Alkoholeinfluss laut geworden.
    Und meine Gedanken schweifen:
    Was wäre wohl im „Blick“ gestanden, hätte die Lady nicht Frau Leuthard, sondern Frau Köppelin, Frau Aeschin oder Frau Mörgelin geheissen.
    „Blick“ – so nicht.
    Wünsche Frau Bettina Widmer eine gute Laufbahn/Karriere. DIE WELT IST GROSS UND WEIT……

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