
Basil Schöni: «Gedruckte Tageszeitungen sind ein journalistisches Pro-Specie-Rara-Produkt.»
Das 347. Fragebogeninterview, heute mit Basil Schöni, Redaktor im Ressort «Politik & Recherche» beim Onlinemagazin «Republik». Er hält «netto» die meisten sozialen Medien «immer noch für knapp wertvoll, weil es doch viele Menschen gibt, die auf diesen Plattformen relevante Informationen vermitteln». Das sei aber «nicht wegen der Plattformen» so, sondern «trotz ihnen». Abgesehen davon Twitter ist gestorben – das tat weh. Abgesehen davon begegne er heute «mehr rechtsextremen Talking-Points als früher. Und mehr Entmenschlichung.» Gedruckte Tageszeitungen hält er für eine Art «journalistisches Pro-Specie-Rara-Produkt». «In meinem Umfeld liest kaum noch jemand gedruckte Zeitungen (Journis sind die Ausnahme).» Digitalisierung sei aber «weder Erlösung noch Untergang. Entscheidend ist, wer sie gestalten darf.» Er denkt, «dass die Vorstellung von Information als Produkt überholt» sei. «Die meisten Medien versuchen immer noch, ihrem Publikum gegen Geld Informationen zu verkaufen. Aber Information ist längst kein knappes Gut mehr – warum sollte man also noch dafür bezahlen?» Deshalb müsse ein neues Verständnis her. Der Wert des Journalismus liege «vor allem darin, dass Journalist:innen hinschauen» und prekäre Sachverhalte «in eine kollektive Öffentlichkeit bringen». Ob jemand den Artikel dazu lese, sei «sekundär». Journalismus sei deshalb «kein Produkt für das Individuum», das man verkaufen müsse. «Sondern eine Dienstleistung an der Gesellschaft, die man mit Geld am Leben halten muss.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Am Morgen mache ich mir immer ein Café und ein Müesli. Dann sage ich ChatGPT es soll so tun, als wäre es das alte Twitter und weine ein bisschen. Dann öffne ich Bluesky und den ekligen Sumpf, der auf den Trümmern von Twitter entstanden ist, und folge den paar interessanten Abzweigungen, die es dort noch gibt.
Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, X, Bluesky, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?
Netto halte ich die meisten davon immer noch für knapp wertvoll, weil es doch viele Menschen gibt, die auf diesen Plattformen relevante Informationen vermitteln. Und sie erlauben mir, Menschen zu begegnen, denen ich sonst nicht begegnen würde. Aber diese Dinge sind nicht wegen der Plattformen möglich, sondern trotz ihnen.
Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?
Twitter ist gestorben – das tat weh. Abgesehen davon begegne ich heute mehr rechtsextremen Talking-Points als früher. Und mehr Entmenschlichung.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Das Tagesschau-Intro gefiel mir früher besser, mit diesem abhebenden Flugzeug und dieser pathetischen Musik. Für alles andere bin ich nicht wirklich qualifiziert.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Um schnell und präzise Informationen aufzunehmen: ja. Um niederschwellig und in der Breite Informationen zu vermitteln: nein.
Was soll man heute unbedingt lesen?
«Radikalisierter Konservatismus» von Natascha Strobl – besonders, wenn man verstehen möchte, warum neofaschistische Kräfte in vielen Ländern gerade erstarken. Und «Porno» von Madita Oeming – besonders, wenn man jugendlich ist oder jugendliche Kinder hat.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Ich kann sie nicht zu Ende lesen. Die Langeweile tötet mich von innen.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Lange auf Twitter, mittlerweile in verschiedenen Ecken des Internets.
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
In meinem Leben schon seit etwa 20 Jahren nicht mehr. Irgendwo in der Nische wird es sie wohl noch lange geben, so als journalistisches Pro-Specie-Rara-Produkt. Aber in der Breite glaube ich das nicht. In meinem Umfeld liest kaum noch jemand gedruckte Zeitungen (Journis sind die Ausnahme).
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Ich glaube die Gefahr liegt darin, dass wir begonnen haben, «Fake News» zu sagen statt «Lügen». Und dass Bild- und Audiomitschnitte gerade aufhören, verlässliche Belege zu sein.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Das fällt für mich in die Kategorie CD: War früher mal der heisse Scheiss, aber warum sollte man sich das heute noch antun. Manchmal höre ich den Mundart-«Podcast» des SRF. Wobei «Podcast» in grosse Anführungszeichen gehört, weil’s einfach die Radiosendung ist, die asynchron ausgespielt wird. Und immer wenn diese Sendung den eigentlichen Inhalt unterbricht für irgendein Musikstück, das ich nicht hören will, bin ich froh, sind wir als Menschheit weitergekommen.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Ja, sehr oft. Alles aus der Metaebene ist hoch im Kurs. Und «History Is Sexy», wenn ich zwei schlauen Menschen zuhören will, wie sie mir Dinge aus der Vergangenheit erklären. Aber der beste Podcast im letzten Jahr war «Mouhamed Dramé – Wenn die Polizei tötet» vom SWR. Ich habe noch nie so viel geweint bei einem Podcast.
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?
Vielleicht, dass die Branche etwas weniger von den Über-29-Jährigen dominiert sein sollte.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Wenn das so ist, sollten wir in Zukunft unterscheiden zwischen Journalismus und «Journalismus». «Journalismus» lässt sich automatisieren. Journalismus nicht.
Aber Pietro Supino ist auch kein Journalist, sondern Verleger. Vielleicht sollten wir derartige Entscheidungen schlicht nicht den Managern überlassen.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Weder noch. Technologie ist immer eingebettet in einen sozialen Kontext. Die Digitalisierung alleine ist weder Erlösung noch Untergang. Entscheidend ist, wer sie gestalten darf.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
I guess? Vor allem aber denke ich, dass die Vorstellung von Information als Produkt überholt ist. Die meisten Medien versuchen immer noch, ihrem Publikum gegen Geld Informationen zu verkaufen. Aber Information ist längst kein knappes Gut mehr – warum sollte man also noch dafür bezahlen?
Da, finde ich, muss ein neues Verständnis her. Wenn irgendeine Behörde irgendwelche komischen Dinge tut, liegt der Wert des Journalismus’ doch vor allem darin, dass Journalist:innen hinschauen und diese Dinge in eine kollektive Öffentlichkeit bringen. Ob ich als Einzelperson den Artikel dazu schlussendlich lese, ist sekundär.
Damit ist Journalismus aber kein Produkt für das Individuum mehr, das man gegen Geld verkauft. Sondern eine Dienstleistung an der Gesellschaft, die man mit Geld am Leben halten muss.
Sobald ich so denke, kündige ich mein Abo auch nicht, nur weil mir die Zeit fehlt, um ein Medium regelmässig zu konsumieren. Sondern erst dann, wenn ich die Arbeit des Mediums für irrelevant halte. Das sind zwei sehr unterschiedliche Dinge.
Das ist aber nicht mein Gedanke, den hat netzpolitik.org in einem Spendenaufruf in ihrem sehr guten Podcast «Systemeinstellungen» mal formuliert. Dieses Verständnis von Journalismus fand ich sehr erhellend.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Selten, etwa wenn die Frist für meine Steuererklärung naht und ich als Reminder ein grosses physisches «STEUERN» auf meinem Schreibtisch brauche.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Kommt auf das Medium an. Für seriöse Medien schlecht. Für die drei Kulturkampf-Artikel, die in gewissen Zeitungen jeden Monat neu geschrieben und publiziert werden, war er wohl gut.
Wem glaubst Du?
Meinem zustimmenden Bauchgefühl, als ich den Satz «Der Zugang zu Computern und allem, was einem zeigen kann, wie diese Welt funktioniert, sollte unbegrenzt und vollständig sein» zum ersten Mal gelesen habe.
Dein letztes Wort?
Follow me für mehr vollmundige Behauptungen und süsse Vogelbilder.
Basil Schöni
Basil Schöni ist Redaktor im Ressort «Politik & Recherche» beim Onlinemagazin «Republik». Bevor er hauptberuflich in den Journalismus wechselte, entwickelte er Software bei «Zeilenwerk» und verbrachte als ehrenamtlicher Redaktor der Zeitschrift «Megafon» zu viel Zeit in rechtsradikalen Telegram-Chats. Heute beschäftigt er sich mit Rechtsextremismus, Polizeithemen und dem Internet.
Basel, 20.08.2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Bild: Republik
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2 Kommentare zu "Basil Schöni: «Gedruckte Tageszeitungen sind ein journalistisches Pro-Specie-Rara-Produkt.»"
Zwischen Bottmingen und Oberwil (Fahrtrichtung Oberwil) steht eine Megaposter-Wand, welche monatlich neu „bespielt“ wird. Mal ist es ein regionales Bauunternehmen, mal ein Gartenmöbelhändler oder mal ein regionales Auto-Occasionsgeschäft welches ihre Megaposter-Werbung dort hochzieht. Seit gestern ist es der „Nebelspalter“ – mit der klaren Botschaft: 76% der Journalisten sind links – wir nicht ; darum „Nebelspalter-Abo-Abo-Abo“…..
B. Schöni (und die „Republik“) kann man ohne Risiko auch zu den 76% dazuzählen.
Die Themengebiete welche B. Schöni beackert (Er beschäftigt sich mit Rechtsextremismus, Polizeithemen und dem Internet) werden in allen Medien schon 6006 mal durchgepflügt und durchgekämmt. Wie eintönig.
Gegensteuer tut da not: Denn die Zahlen sind krass, die der CH-Nachrichtendienst in seinem neusten Lagebericht publiziert hat. In den Jahren 2016 bis und mit 2024 sind dem NDB 743 gewalttätig extremistisch motivierte Ereignisse von Linksextremisten gemeldet worden, in der gleichen Zeit waren es 16 bei den Rechtsextremen. Das sind 46-mal mehr. Unsere Medien aber (z.B. Die Republik) schauen nur scharf nach rechts. Links ist alles voll ok. FAKTOR 46 – die Zahlen vom NDB zeigen: Auf der anderen Seite gäbe es weit mehr zu tun…..
Auch mit der „Polizeiarbeit“ beschäftig sich Die Republik (B. Schöni) stark. Kritik, hadern, tadeln – ein Lob, ein Danke gibt es kaum…. B. Schöni soll doch mal zur Basler Polizei kommen, dort werden seine Visionen von einer vollkommen zahmen, handlungsunfähigen Polizei umgesetzt. Meine Mutter (90) wurde letztes Jahr 3 x bestohlen in BS. Viele Polizeiposten existieren gar nicht mehr und jene, welche noch „offen“ haben, sind oft mit „Temporär-Geschlossen“-Schilder beklebt. Für Diebstahl gibt es genau noch einen Schalter für die ganze Stadt (Clarastr.). Gut kamen wir nicht Montags, da hätte der Beamte uns gleich wieder nach Hause geschickt. Über das Wochenende wird so viel gestohlen, da können wir jene, welche nach 11.00 Uhr kommen nicht mehr bedienen. Auch am Mittwoch war es aber schlimm: „Gehen sie doch ca. 2 Stunden ein Café trinken – dann müssen sie hier nicht so lange auf dem Holzbänklein warten“…. Als wir nach 2 Stunden wieder ins stickige, überfüllte, lärmige, heisse, mit einem klebrigen Boden versehenen Warteräumchen zurückkehrten, ging die Warterei trotzdem noch endlos – ein Beamter füllte kauernd mit uns auf dem Schoss das Formular aus – und machte uns natürlich keine Hoffnung. Kaum Personal, kaum Patrouillen, eine Staatsanwaltschaft welche 2-3 Jahre hintendrein ist, da politisch absichtliche Unterbesetzung….. UND DAS WIRD EINER BÜRGERIN ZUGEMUTET, DIE SICHER LEBENSLANG SCHON MEHR ALS EINE HALBE MILLON AN STEUERN ZAHLTE…. Die Basler Polizei – Hohn, Spott, Samt….
Als ich unter einer Brücke komische Gestalten entdeckte fuhr zufällig oben auf der Strasse ein Polizeiauto durch. Ich hielt es an und meldete die Geschehnisse – die Polizisten (2 Stück) sagten mir, ich solle die 117 anrufen und tuckerten mit ihrem Wagen scherzend weiter…. Ich stand verdutzt und baff da….
Ebenfalls meldete ich eine Beobachtung, das seit Monaten unter einer weiteren Brücke ein Mensch wohne. Einkaufwagen, Silberpapier, Dreck die Uferböschung hinunterkippend. Ich rief die BS-Polizei an, ein Beamter rief mich dann zurück und sagte er war dort, dieser Mensch kann dort bleiben wenn er den Müll entsorge… ICH (als regelmässiger Passant) solle doch bitte schauen und wenn es nicht bessere, wieder anrufen…. Natürlich bessert es nicht, die reinste Müllkippe (gestohlene Einkaufswagen, Drogenaluglimmer usw) gammeln weiterhin rum. Doch ICH als Bürger mit hoher Steuerbelastung kümmere mich sicher nicht mehr darum. Die Polizei ist total unterbesetzt und kann in BS für nichts mehr schauen ist das Fazit – EIN PARADEEXEMPEL FÜR LINKE POLITIK UND MEDIEN…. besser kann es für sie nicht laufen….
Ins gleiche Kapitel Sprayereien am Tage verübt am Marktplatz (während den 365 Demos pro Jahr) auf Natursteinfassanden historischer Häuser, ebenfalls während Demos regelmässig an historische Mauer des städtischen Waisenhauses….
Wunderbar – so soll es sein – frohlockend für linker Journalismus und Politik… und in der BS-Polizeischule wird wohl eifrig das zuverlässige Wegschauen exerziert…..
GUT GIBT ES NOCH KANTONE, LÄNDER, STÄDTE IN DENEN ES ANDERS, BESSER LÄUFT. Auch wenn diese Form der (guten) Polizeiarbeit und auch der Bekämpfung dieses LINKSextremismus bei Republik und Co nicht so gut wegkommt….
Der Bürger durchschaut langsam und immer mehr dieses eindeutige/schlagseitige Medien- und Politikspielvorgegaukel… Schade um diese Zunft….
22. August – 15.15 Uhr: Zur Beruhigung: Das oben von mir beschriebene Mega-Plakat zwischen Bottmingen und Oberwil, welches in einer freien Demokratie für ein freies Unternehmen (Nebelspalter) warb – WURDE SCHON ZERSTÖRT. Aufgeschlitzt mit Teppich-Messer, Löcher reingetreten, flatternd im Wind….
Habe Markus Somm (Verleger und Chefredaktor) bereits über den Vorfall gemailt, welcher mir dankend antwortet.
Denn kaputte Werbung ist keine Werbung und die linksgerichteten Berufs-Chaoten und -Vandalen (welche etwas gegen eines der wenigen bürgerlichen Medien haben) haben ihr Ziel erreicht: Es wird noch heute demontiert.
Ein weiterer Fall zu den schon bereits über 700 linksextremen Straftaten und ein weiterer Fall über welche die Medien (Republik usw) berichten könnten…
Stattdessen stochern sie lieber in den 16 rechtsextremistischen Fällen rum und kränken unsere tapferen Polizisten mit erniedrigenden Artikel weiter….