Barbara Colpi: «Teletext ist für mich nach wie vor die beste Erfindung»

Publiziert am 3. August 2022 von Matthias Zehnder

Das 188. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Barbara Colpi, seit Juli 2022 USA-Korrespondentin für Radio SRF und SRF News. Sie sagt, sie verwende Facebook «ganz nach der ursprünglichen Idee, um mit Menschen in Kontakt zu bleiben» und habe deshalb «nicht über 500 Freunde». Colpi findet, man müsse unbedingt mehr Bücher lesen: «Persönlich muss ich mir immer wieder Oasen zum Bücher-Lesen schaffen. Und es macht mich jedes Mal glücklich, wenn es mir gelingt.» Natürlich konsumiert sie viele Medien, das gehört zum Beruf. Auch Podcasts. Doch: «Bei Podcasts ist meine Geduld definitiv kleiner als bei einem schlechten Buch.» Geplapper schalte sie «sehr schnell ab.» 

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Aufgrund der Zeitverschiebung ist an ein gemütliches Frühstück nicht zu denken. Zu einem Kaffee aus meiner italienischen Moka versuche ich, mir einen Überblick zu verschaffen. Ich konsultiere «Washington Post», «New York Times», «Financial Times», «Politico» und «The Hill». Dazu läuft am TV «CNN» oder «Fox News» und am Radio «WAMU», der öffentlich-rechtliche Sender von Washington, D.C.. Und: Ich klicke mich durch den Teletext. Für mich nach wie vor die beste Erfindung, um in kurzer Zeit «up to date» zu sein. 

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram? 

Facebook verwende ich ganz nach der ursprünglichen Idee, um mit Menschen in Kontakt zu bleiben. Natürlich habe ich nicht über 500 Freunde, aber ich kann sagen, dass ich alle Kontakte nicht nur kenne, sondern mit ihnen auch gemeinsame Erlebnisse teile. Ich bin seit 2006 dabei. Die Anfragen kamen damals aus den USA, von Schulfreunden aus meiner Zeit als Austauschschülerin in Colorado oder von meiner Familie in Kanada. Twitter nutze ich beruflich und Instagram scheint mir in den USA unerträglich, weil offenbar andere Vorschriften gelten und ich das Gefühl habe, nur Werbung zu sehen. 

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Punktuell sehr stark. Für eine Korrespondentin gibt es eigentlich nichts Schlimmeres, als angewiesen zu werden, zu Hause zu bleiben, keine Menschen mehr zu treffen und Gespräche nur noch virtuell zu führen. Nachhaltig verändert hat sich der mediale Alltag jedoch kaum. Ich bin seit über zwanzig Jahren Radiojournalistin, habe im Sport und als Korrespondentin gearbeitet. Ein «hybrides» Arbeitsmodell, wie man es heute nennt, lebe ich schon lange, diese tolle Mischung aus «vor Ort» zu sein, an Veranstaltungen oder für Interviews und Reportagen, dann unterwegs oder zu Hause Beiträge zu schneiden und ins Studio zu gehen für Sendungen und den Austausch. Was sich verändert hat, sind die technischen Möglichkeiten.   

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter? 

Anders. 

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Auf jeden Fall. 

Was soll man heute unbedingt lesen?

Bücher. Persönlich muss ich mir immer wieder Oasen zum Bücher-Lesen schaffen. Und es macht mich jedes Mal glücklich, wenn es mir gelingt. 

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich kann Bücher, die meinen Geschmack nicht treffen, ohne schlechtes Gewissen weglegen. 

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In der Stammbeiz. (In Washington bin ich noch auf der Suche). Ganz grundsätzlich im Gespräch mit den unterschiedlichsten Menschen. 

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

«Totgesagte leben länger». Ich bin überzeugt, dass es gedruckte Tageszeitungen noch lange gibt. Überleben werden allerdings nur solche, die qualitativ hochwertigen Inhalt bieten. 

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Leider eine grosse Gefahr. Fake News verbreiten sich über die verschiedensten Informationskanäle. Setzen sie sich einmal in den Köpfen von leichtgläubigen Menschen fest, tragen Faktenchecks in den Medien nur bedingt etwas dazu bei, Fake News wieder aus der Welt zu räumen. 

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen? 

Hauptsächlich schaue ich bei Sportereignissen oder Breaking News live Fernsehen oder ich höre Radio. Ich mag es aber, wenn das Radio und/oder der Fernseher als Begleitmedium live eingeschaltet sind. 

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Mein Podcast-Konsum ist stark mit meiner Arbeit verbunden. Ich höre die SRF-Sendungspodcasts und «The daily» der New York Times. Für mehr fehlt mir momentan die Zeit. Kommt dazu: Bei Podcasts ist meine Geduld definitiv kleiner als bei einem schlechten Buch. Ich mag Kino im Kopf wie bei einem «SRF-International», Geplapper schalte ich jedoch sehr schnell ab. 

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Energie aufzuwenden, diese Altersgruppe zu erreichen. Denn: Für die Gesellschaft bedeutet es eine grosse Gefahr, wenn ein wichtiger Teil nicht mehr gut informiert ist. 

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Ein Roboter wird fähig sein, zum Beispiel standardisierte Matchberichte eines Eishockeyspiels zu verfassen. Er wird aber niemals Emotionen und den «Human touch» hinzufügen können. Er kann auch nicht auf Reportagen gehen, zuhören und versuchen, die Logik eines Menschen zu verstehen, warum der so denkt und handelt.   

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Weder noch. Die Digitalisierung bringt neue Möglichkeiten, die es mit bestem Wissen und Gewissen zu nützen gilt. 

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Ja. Die Schweiz ist einzigartig mit vier Sprachregionen in einem so kleinen Markt. Damit ein qualitativ hochstehendes Medienangebot für alle besteht, braucht es finanzielle Unterstützung, sowohl für die öffentlich-rechtlichen wie auch für die lokalen, privaten Medien. 

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Jeden Tag. Von meiner täglichen «To do-Liste» bis zu kleinen Botschaften für meinen Mann. Auch schreibe ich nach wie vor Postkarten. Weiter mag ich Fremdsprachen. Zurzeit verbessere ich mein Spanisch und ich schwöre auf handgeschriebene Karteikärtchen. 

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Wenn gut bedeutete, Klickzahlen zu generieren, könnte man Donald Trump allenfalls etwas Gutes für die Medien abgewinnen. Tatsache ist aber, dass er mit seinen verhöhnenden Reden gegen Journalisten die Glaubwürdigkeit der Medien untergräbt und ihnen in höchstem Grad schadet. 

Wem glaubst Du?

Dem Guten im Menschen. 

Dein letztes Wort?

Carpe diem. 


Barbara Colpi
Barbara Colpi ist seit Juli 2022 USA-Korrespondentin für Radio SRF und SRF News. Sie hat Sozialanthropologie, Medienwissenschaften und Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie studiert an den Universitäten Freiburg i. Ue. und Neuenburg. Nach fünf Jahren als Sportchefin bei Radio Freiburg wechselte sie 2005 zu Radio DRS in die Sportredaktion. 2016 erfolgte der Wechsel als Korrespondentin in die Romandie.
https://www.srf.ch/news


Basel, 3. August 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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4 Kommentare zu "Barbara Colpi: «Teletext ist für mich nach wie vor die beste Erfindung»"

  1. …….Podcasts sind Gespräche bei denen man sich nicht einbringen kann – nicht mitreden kann.
    Das macht einem zu Konsumenten. Konsumenten in der Konsumgesellschaft.
    Durch Podcasts konsumiert man nicht nur Ventilatoren, Badeschaum-Wirbler, Elektrische Knisterfeuer, Handy-Halterungen, Elektrische Kaffeemühlen, Hundegummi-Balls, Elektrische E-Trottis und Auto-Tiefkühlboxen mit Zigarettenanzünderstromanschluss, sondern auch noch Gerede.
    Passt doch. Jedoch ohne mich. Und wenn man es noch in schnellerer Drittel-, Halb- oder Zweidrittelgeschwindigkeit abspielt (technisch machbar – um ZEIT zu sparen) wird das Hirn längerfristig „Balla-Balla“. Dies stammt nicht vom kleinen Herr Zweidler (auch nicht von einem Podcast) sondern ist durch einen „Fachmann“ namens Nikos Logothetis abgesichert.
    Denn nur noch „Fachmännern“ schenkt man heute Glauben und Gehör, deshalb schauts auf unserer Welt ja auch so gut aus…..

    1. Ach was. Bei Podcasts ist es wie überall: Es gibt superinformative Angebote, zum Beispiel viele Radiosendungen als Podcast (und natürlich meinen «Wochenkommentar» ;), aber es gibt auch viel Schrott. «Podcast» heisst nur, dass Sie ein Audioangebot abonnieren können, so dass ein Programm (wie Pocketcast) die Sendungen automatisch herunterlädt und Sie sie überall und jederzeit anhören können. Selbstverständlich wird das Hirn nicht einfach Balla-Balla wegen Podcasts. Es ist, wie bei allem, eine Frage von Umgang und Mass. Ich persönlich höre sehr viele Podcasts und das in 2,6facher Geschwindigkeit (ist aber auch kein Problem, weil in den meisten Radiosendungen sehr langsam gesprochen wird).

      1. Habe mir soeben unseren Podcast zum Thema Tod angehört, an dessen Produktion ich selber beteiligt war. Würde schon allein deshalb natürlich Podcasts nicht generell schmähen. Finde aber ebenso generell, dass sich Menschen viel mehr miteinander leibhaftig präsent und direkt austauschen sollten.

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