Angelika Hardegger: «Ich glaube, das Kurze kommt zu kurz.»

Publiziert am 15. März 2023 von Matthias Zehnder

Das 220. Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Angelika Hardegger, Reporterin bei der «Republik». Sie hält sich an ihre Devise der Kürze und beantwortet die Fragen so kurz wie prägnant. Jedenfalls die meisten. Ins Erzählen kommt sie bei der Frage, was früher in den Medien der Schweiz besser war. Ihre Antwort: die Anekdoten. Und erzählt gleich zwei. Von Facebook, Twitter und Instagram hält sie sich fern: «Es fühlt sich prähistorisch an.» Wie lange es noch gedruckte Tageszeitungen gibt, ist ihr nicht so wichtig. Angesprochen auf die medienabstinenten Jugendlichen, sagt sie: «Vielleicht sollte man Budget freimachen, 16-Jährige einstellen und sie fragen. Und sie dann machen lassen.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

«NZZ» und «Thurgauer Zeitung», im Zug die «Republik».

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich halte mich fern. Es fühlt sich prähistorisch an.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Home-Office!

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Da kommt mir eine Seite aus dem «NZZ»-Archiv in den Sinn, über die ich bei einer Recherche mal gestolpert bin. Der Artikel begann in normaler Schriftgrösse, aber der Journalist hatte derart viel Gescheites zu berichten, dass die Schrift gegen Ende des Artikels immer kleiner wurde, am Ende: unleserlich.

Was wohl besser war: die Anekdoten aus der Redaktion, die man zu erzählen hatte! Das liebe ich. Wie Comedy.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Eine rhetorische Frage.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Heute wie gestern und morgen: Plinio Martinis «Nicht Anfang und Nicht Ende».

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Weglegen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In Formaten unter 1000 Zeichen. Ich glaube, das Kurze kommt zu kurz.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Zehn Jahre, fünfzehn? Ist das so wichtig?

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Weder noch, ein Auftrag.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Fernsehen nie. Radio im Auto.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich höre dem «Tagi»-Inland gern beim Nerden zu. Ist kein «Politbüro» verfügbar, suche ich Talkformate nach Personen ab, die mich interessieren, auch die Archive.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Ich weiss es nicht, und ich fürchte: Niemand über 30 kann das wissen. Vielleicht sollte man Budget freimachen, 16-Jährige einstellen und sie fragen. Und sie dann machen lassen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Nicht der Gute.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Zur Befreiung. (Ich bin hoffnungslose Optimistin.)

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Ja, aber welche?

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Nicht einmal Gratulationskarten. Aber ich skizziere von Hand und glaube immer wieder ehrlich, der Text werde wirklich so funktionieren.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Hier hört auch mein guter Glaube auf: schlecht. Schlecht für die Demokratie, schlecht für die Medien. Das bedingt sich gegenseitig.

Wem glaubst Du?

Historischen Primärquellen.

Dein letztes Wort?

Soll unterhalten. Gerade verfügbar ist eine aktuelle Anekdote aus der NZZ, die mir kürzlich erzählt wurde. Sie ist so lustig, dass sie geteilt gehört: Ein junger Journalist, der drei Jahre bei einem anderen Medium war, trifft in der ersten Woche nach der Rückkehr einen eingesessenen NZZ-Redaktor im Gang. Der junge Journalist sagt zum Alten: «Hallo! Ich bin zurück!» Der Alte: «Oh, du warst weg?»


Angelika Hardegger
Angelika Hardegger hat in Genf internationale Beziehungen studiert und in Bern mit einem Master in Geschichte abgeschlossen. Fünf Jahre lang hat sie für das Inlandressort der «NZZ» geschrieben, da war sie auch Volontärin. 2022 hat der Zürcher Journalistenpreis sie für ihre Geschichte «Liebe Bauern, lasst uns reden» ausgezeichnet. Heute lebt Angelika Hardegger im Thurgau und ist Reporterin bei der «Republik».
https://www.republik.ch/~angelikahardegger


Basel, 15. März 2023, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Seit Ende 2018 sind über 200 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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