Die Zeit der Anker-Medien ist vorbei — jetzt kommen Anker-Inhalte
Es gab eine Zeit, da schalteten die Schweizerinnen und Schweizer um 12’30 Uhr die Radioapparate ein, um das „Rendezvous am Mittag“ zu hören, die mittägliche Radiosendung des Schweizer Radios DRS. Dabei herrschte andächtige Stille — wer zu laut mit Messer und Gabel klapperte, wurde mit strafenden Blicken zur Ruhe gebracht. Ähnliches wiederholte sich am Abend, entweder um 18’00 Uhr zum „Echo der Zeit“, oder um 19’30 Uhr zur „Tagesschau“. Das ist heute nicht mehr so: Die Sendungen verlieren Hörer und Zuschauer, die Rituale sind erodiert.
Anders gesagt: Einzelne Medienkanäle, die früher bestimmt haben, was das Tagesgespräch ist, haben an Bedeutung verloren. Es gibt vielleicht noch Anchormen, die durch die Sendungen führen, es gibt aber keine Anchor-Sendungen mehr.
Heute sind nicht mehr die Sendungen die Anker, sondern einzelne Inhalte. Ob Menschen (von Barack Obama und Paris Hilton bis Simonetta Sommaruga und Mike Müller), Institutionen (von Uno bis FCB) oder Themen (Vogelgrippe, Islamismus, Fluglärm, Steuerdebatte) — es sind die Inhalte, an denen sich die Medienknsumenten orientieren, nicht mehr die Kanäle.
Das ist der Grund, warum Promis (auch in „seriösen“ Medien) so stark an Bedeutung gewonnen haben. Es ist der Grund, warum es eigentliche Promi-Themenstränge gibt. Warum der FCB so grosse Bedeutung erlangt hat, die Protagonisten im Polittheater, die wichtigen Wirtschaftsführer. Die Frage ist nur, wie die klassischen Medien dafür sorgen können, dass die Ankerthemen ihnen auch treu bleiben. Denn einige der „Themen“ haben damit begonnen, sich medial selbstständig zu machen. Der FCB hat eine eigene Medienabteilung, die Fernsehsendungen, Radioübertragungen und ein Magazin produziert. Promipolitiker wie Christoph Blocher haben eigene Internet-TV-Sendungen. Grosse Firmen richten medial mit der ganz grossen Kelle an.
Und die klassischen Medien? Sie müssen mitmachen — und sie müssen die Prominenz und Wichtigkeit der Ankerthemen validieren.