Medientipp

Dritte Halbzeit

Publiziert am 17. Oktober 2019 von Matthias Zehnder

Plauderpodcasts gibt es viele. Plauderpodcasts mit interessanten Journalisten sind schon seltener. Und solche, die sich um Sport drehen, erst recht. Die Grundidee genügt also eigentlich, um «Dritte Halbzeit», den Podcast der Fussballjournalisten von Tamedia, für eine Empfehlung zu qualifizieren. Nach zwölf Folgen kann man mit Fug und Recht feststellen: Es lohnt sich, den Podcast zu hören, auch wenn die Sendung Luft nach oben hat. Aber der Reihe nach.

Das Konzept von «Dritte Halbzeit» ist einfach: Einmal die Woche treffen sich die Fussball-Journalisten der Tamedia-Zeitungen, der Basler Florian Raz und der Zürcher Thomas Schifferle (beide «Tages-Anzeiger»), der Berner Fabian Ruch («Berner Zeitung») und Ex-Fussballer Kay Voser (Praktikant beim «Tages-Anzeiger»), und reden über die Spiele der Superleague respektive den Qualifikationsverlauf der Nationalmannschaft. Das Gespräch wird mit Quizfragen aufgelockert, die mittlerweile (zum Glück) nicht mehr en bloc zu Beginn des Podcasts abgefragt werden, sondern über die ganze Sendung verteilt sind. Das Resultat ist eine spannende und unterhaltsame Mischung aus Fussballtalk und Stammtischgespräch. Die Analysen erreichen nicht gerade das Niveau von «Match of the Day» mit Gary Lineker auf BBC One, sind aber immer wieder ansprechend und interessant.

Spannend ist der Podcast nicht nur des inhaltlichen Austauschs wegen, sondern weil das Gespräch der vier Herren tiefer blicken lässt, als es ihnen wohl lieb sein dürfte. Es legt die zum Beispiel das Problem der Nähe offen, welche Regionalzeitungen zum jeweils regionalen Fussballclub pflegen. Natürlich kennt sich Schifferle am besten aus mit dem FCZ, Ruch mit YB und Raz mit dem FCB – regelmässig treten bei den jeweiligen Heimclubs aber auch Beisshemmungen auf. Ganz besonders der Berner Ruch pflegt offensichtlich eine recht innige Beziehung zu YB, die auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint.

Hörbar wird zudem eine Eigenart von (arrivierten) Print-Journalisten: Sie sind es sich nicht gewohnt, dass ihnen widersprochen wird. Hörbar unwillig reagiert etwa Schifferle darauf, wenn einer seiner Gesprächspartner sich eine andere Meinung erlaubt. Das ist schade: Die Sendung ist nämlich genau dann besonders interessant, wenn sich die Herren nicht einig sind.

Ebenso hörbar klar ist die Hackordnung am Tisch: Kay Voser ist Praktikant und sitzt entsprechend zuunterst am Tisch, obwohl er, ebenso hörbar, zuweilen deutlich mehr weiss über die Untiefen des Schweizer Fussballs als die arrivierten Journalisten – und es übrigens erfrischend direkt zugibt, wenn er etwas nicht weiss.

Wie ungelenk Schweizer Zeitungen mit dem Medium Podcast umgehen, zeigt sich an der Vernetzung des Podcasts mit den drei Zeitungen von Tamedia. Auf den Zeitungswebsites findet man den Podcast fast nicht. Ich habe ihn auf den Websites nur gefunden, als ich danach gesucht habe. Im Podcast selber verweist Moderator Raz am Ende jeweils trotzdem treuherzig darauf hin, dass man den Podcast auf den Websites der Tamedia-Zeitungen findet – was unnötig ist, weil man, wenn man das hört, die Sendung ja schon gefunden hat. Interessanter wäre es, auf (bereits erschienene oder künftige) Artikel in den Zeitungen hinzuweisen und ein, zwei Worte über deren Entstehung zu verlieren. Überhaupt dürften die Herren sich gerne mehr über die Schultern blicken lassen und über ihre Arbeit reden.

Davon abgesehen und überhaupt ist der Podcast aber zu empfehlen – das Modell sei anderen Verlagen ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen. Am einfachsten findet man «Dritte Halbzeit» direkt bei Apple Podcasts oder einem guten Podcatcher wie PocketCasts. Im Web finden sich die neuste Folge hier:

https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/sekundenschlafen-mit-kevin-mbabu-die-neue-podcastfolge/story/31033383

Basel, 17. Oktober 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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