Medientipp

Auditiver Alpen-Culture-Clash

Publiziert am 26. November 2018 von Matthias Zehnder

Plauderpodcasts gibt es viele. Dieser sticht heraus: Im Podcast «Servus. Grüezi. Hallo.» reden Journalisten von der Wochenzeitung «Die Zeit» in Deutschland, Österreich und der Schweiz über Themen, die alle drei Länder betreffen. Das ist immer interessant, weil die drei sich selten einig sind. Manchmal ist es geradezu rührend, wie sich die sonst so kritischen Journalisten plötzlich für ihre Heimatländer in die Bresche werfen. Der «transalpine» Podcast der «Zeit» ist deshalb mein Medientipp der Woche.

Die Alpen-Podcaster von der «Zeit»: Lenz Jacobsen (D), Matthias Daum (CH) und Florian Gasser (A). Bild: Die Zeit.

Die Versuchsanlage dieses Podcasts ist denkbar einfach: Ein Deutscher, ein Österreicher und ein Schweizer reden einmal in der Woche über Themen, die alle drei Länder betreffen. Vom Wolf, der wieder Geisslein reisst, über die deutschen Studenten, die in der Schweiz und Österreich die Unis verstopfen, bis zum Wein, der in den Alpen besser wird. Bei den drei Diskutanten handelt es sich um Lenz Jacobsen, Ressortleiter Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von «Zeit Online» in Berlin, Matthias Daum, Büroleiter von «Die Zeit» Schweiz und Florian Gasser, Redakteur der Österreich-Seiten der «Zeit», Das Resultat heisst «Servus. Grüezi. Hallo.» und es klingt auch so. Das ist überraschend spannend – und zwar aus drei Gründen.

Zum ersten ist es interessant, weil die drei Länder tatsächlich immer wieder mit ähnlichen Themen und Problemen zu tun haben, die Sache aber zum Teil völlig unterschiedlich angehen. Das Jahr 1918 zum Beispiel hat für Deutschland und Österreich eine ganz andere Bedeutung als für die Schweiz. Die Deutschen und die Österreicher bekunden Mühe mit Politikern, die aus der Wirtschaft zurück in die Politik wechseln, in der Schweiz ist das ganz normal und die Schweizer haben auch keine Mühe mit reichen Menschen, die auch Politik machen. Weitere Themen sind etwa die Dienst- und Wehrpflicht, wie die Chinesen Firmen aufkaufen, die Dominanz des deutschen Fernsehens oder die Dürre in den drei Ländern.

Es ist zum zweiten lustig, weil es immer wieder zu einem auditiven Culture Clash kommt, wenn die finale Gründlichkeit der Deutschen mit der liebenswerten Wurstigkeit der Österreicher und der buchhalterischen Liebe zum Berechenbaren der Schweizer zusammenprallen – und zwar sowohl auf der Ebene der Themen, wie auch auf der Ebene der die Themen besprechenden Journalisten. Das ist doppelt erhellend, weil die anderen Länder ganz andere Lösungen aufzeigen für jene Probleme, die man im eigenen Land als durchaus alternativlos politisch verarbeitet sieht – und die drei Herren die Nationalcharaktere ihrer Herkunftsländer aufs trefflichste impersonieren.

Zum dritten ist es spannend zu beobachten, wie unvermeidlich sich Patriotismus einklinkt – und zwar bei mir als Zuhörer und bei den drei Journalisten gleichermassen. Als Zuhörer ertappt man sich ab und zu bei einem «He, halt Mal!»-Gedanken, wenn der Österreicher oder der Deutsche die Schweiz angreifen. Interessant ist, dass dieser Nestverteidigungsinstinkt auch bei den drei ach so kritischen Journalisten spielt: Wenn zwei andere die Heimat des Dritten zu sehr angreifen, plustern der seine Federn auf und eilt dem Heimatland zu Hilfe. Das ist rührend anzuhören – und in der Sache immer wieder spannend und amüsant zugleich.

Kurz: abonnieren und anhören.

Und hier geht’s zum Podcast: https://www.zeit.de/serie/servus-gruezi-hallo

Basel, 26. November 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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