Medientipp

Äpfel auf den Ohren

Publiziert am 11. Dezember 2018 von Matthias Zehnder

Es ist noch nicht lange her, da waren grosse Sendeanlagen und Studioeinrichtungen nötig, um Medien zu produzieren. Heute kann eigentlich jeder Radio machen – Leidenschaft, Fachwissen und Durchhaltevermögen vorausgesetzt. So, wie das beim «Apfelfunk» der Fall ist: Der Podcast über die Apple-Welt führt jede Woche grossen Verlagshäusern und Medienkonzernen vor, dass Journalisten heute auch ohne sie Medien machen können. Der Apfelfunk ist deshalb mein Medientipp der Woche.

Der Kapitalismus heisst so, weil man zuerst ganz viel Kapital braucht, damit man grosse Maschinen und noch grössere Häuser kaufen kann. Ohne grosse Maschinen ging lange nichts, wenn man etwas unternehmen wollte. Das war auch in der Medienbranche so: Bevor eine Zeitung erscheinen konnte, brauchte es viel Geld für Druckmaschinen und Papier oder für ein grosses Studio mit komplizierten Geräten, die von schwierig dreinblickenden Menschen betreut wurden. Wer Medien machen wollte, brauchte deshalb zuerst einmal viel Geld. Journalisten waren deshalb immer von Verlegern und Medienhäusern abhängig. Das hat sich massiv verändert. Heute braucht es in erster Linie gute Ideen, mediale Fertigkeiten und Durchhaltewillen. Die Technik, die dafür nötig ist, steckt in jedem Notebook.

Jean-Claude Frick (links) und Malte Kirchner bei der Live-Aufzeichnung ihres Podcasts im Juni in Frankfurt – da haben sie sich zum ersten Mal leibhaftig gesehen.

Kaum jemand führt das jede Woche so eloquent vor wie der «Apfelfunk», ein Podcast rund um Apple-Themen. Produziert wird der Apfelfunk von zwei Journalisten: Jean-Claude Frick und Malte Kirchner. Das Besondere dabei: Frick sitzt dabei in Bern und Kirchner in Wilhelmshaven an der Nordsee. Mittlerweile haben die beiden bald 150 Folgen ihres wöchentlichen Podcasts produziert und eine grosse Fangemeinde. Dabei sind sie sich immer nur per Internet begegnet. Erst diesen Sommer haben sich die beiden in Frankfurt zum ersten Mal leibhaftig gesehen. Technisch funktioniert das so, dass die beiden miteinander Skypen und dabei je lokal eine Tonspur aufzeichnen. Nach der Aufnahme legen sie die beiden Tonspuren zusammen – et voilà: ein Podcast.

Zwischen Apple-Groupie und Betty Bossi

Der Apfelfunk-Podcast handelt von Apple-Produkten und der Apple-Software-Welt. Die beiden testen Geräte und Programme, sprechen über neue Entwicklungen und Softwareupdates, sie mutmassen darüber, wann denn endlich Apple Pay in Deutschland eingeführt werden könnte (heute) und warum Apple keine Mäusekinos (kleine iPhones) mehr produziert. Die Rolle, die Frick und Kirchner dabei einnehmen, schwankt zwischen Apple-Groupie, Computer-Betty-Bossi und Waldorf&Statler. Einziger Vorwurf: Die beiden sind sich zu häufig einig. Richtig interessant wird es nämlich immer dann, wenn sie streiten, wenn sie also unterschiedliche Ansichten und Einsichten einbringen und sich gegenseitig mit Argumenten herausfordern. Also: Gerne etwas weniger wonnige Betti Bossy und etwas mehr bissige Waldorf&Statler.

Aus medialer Sicht ist der Apfelfunk bestes Beispiel dafür, was Journalisten heute ohne Verlag oder Medienhaus im Rücken (aber mit viel Einsatz und Herzblut) auf die Beine stellen können. Der Apfelfunk verfügt über eine professionelle Website und eine App (sie heisst «Funkgerät», weil Apple etwas engstirnig ist, wenn es um die Verwendung ihres Namens geht). Der Podcast ist auf allen erdenklichen Netzwerken verfügbar und die beiden haben rund um ihre wöchentliche Sendung auf mustergültige Art und Weise eine Community aufgebaut.

Professionelle Hobby-Podcaster

Irritierend ist bloss., dass die beiden immer wieder betonen, der Apfelfunk sei ihr Hobby. Warum betonen die beiden das, wo sie doch eine so professionelle Leistung abliefern? Jean-Claude Frick sagt dazu auf Anfrage: «Einerseits wollen wir uns damit selber nicht allzu sehr unter Druck setzen, wobei wir inzwischen schon einiges an Zeit in den Apfelfunk stecken, was uns aber so grossen Spass macht, dass wir uns selber jeweils etwas zügeln müssen. Der zweite Grund ist aber auch, dass wir klarmachen wollen, dass wir noch andere Jobs haben.» Frick und Kirchner arbeiten beide in der Medienbranche: Malte Kirchner ist Redakteur bei der «Wilhelmshavener Zeitung», Jean-Claude Frick arbeitet als Digital Experte beim Vergleichsdienst Comparis.

Einerseits ist der Apfelfunk also ein Liebhaberprojekt, das von den Machern betont als Hobby bezeichnet wird. Andererseits sind die beiden sehr professionell unterwegs. Sie haben eine ausführliche Webseite zum Podcast aufgebaut samt Forum, Experten-Chat, Archiv und zum Podcast gibt es eine App für iOS und Android. Ganz zu schweigen von der grossen Reichweite: Der Apfelfunk ist mit 120’000 Abrufen pro Monat einer der meistgehörten Tech-Podcasts in deutscher Sprache.

In den USA könnten die beiden längst von ihrem Podcast leben. Hierzulande ist das nicht so einfach: «Wir haben zwar Sponsoring und könnten noch viel mehr verkaufen, aber entweder mag das dann vor lauter Werbung niemand mehr hören, oder der persönliche Touch des Podcasts geht verloren und den schätzen unsere Hörerinnen und Hörer sehr», erklärt Frick. Immerhin bieten sie seit kurzem ihren Hörerinnen und Hörern die Möglichkeit an, den Podcast per Steady im Abo zu unterstützen und per Paypal oder per Banküberweisung zu spenden.

Kurz: Der «Apfelfunk» ist zwischen all den medialen Supermärkten ein journalistischer «Hofladen», wo Hörerinnen und Hörer direkt vom Bauern Journalisten bedient werden. Das ist sympathisch, sehr glaubwürdig – und eine Herausforderung für die grossen Medienkonglomerate, die weiter Schule machen könnte.

Den Apfelfunk gibt’s hier: https://apfelfunk.com/ und in jedem guten Podcatcher.

Basel, 11.Dezember 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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