Die schönsten KI-Experimente zum Ausprobieren
Künstliche Intelligenz soll ja alles richten: von der Krebserkennung bis zur risikofreien Anlagepolitik, vom Steuern eines Autos in der Grossstadt bis zum automatischen Generieren von Zeitungsmeldungen. Kritiker warnen: Wer die KI-Systeme nicht verstehe, produziere vor allem eins: Fehler. Trotzdem reizt die Vorstellung, dass der Computer langsam, aber sicher ein Eigenleben entwickelt und uns echt unterstützen kann. Ein Einblick in die Möglichkeiten von KI-Programmen geben Experimente, die online frei zugänglich sind. Die spannendsten Experimente habe ich für Sie zusammengetragen. Aber Achtung: Einiges davon kann fast süchtig machen. Lesen Sie also nur weiter, wenn Sie Zeit dafür haben…
Semantris
Mein derzeitiges Lieblings-KI-Experiment stammt von Google und heisst «Semantris». Es verbindet ein Assoziationsspiel mit Tetris. Sie erinnern sich? Tetris war ein kultiges Spiel aus der Frühzeit des Computers. Von oben fielen unterschiedlich geformte Blöcke herunter. Ziel war es, die Blöcke durch Drehen und Verschieben zu kompletten Zeilen zusammenzulegen. War eine Zeile voll, verschwand sie. Doch die Blöcke fallen immer schneller von oben herunter und das scheinbar einfache Spiel wird immer schwieriger, bis die Spielfläche voll ist. Eine schöne Umsetzung des Spiels finden Sie hier. Semantris greift diese Spielidee auf. Wieder fallen unterschiedlich gefärbte und geformte Blöcke von oben. Bei Sematris tragen sie allerdings Wörter. Ziel ist es, die Wörter mit Assoziationen «abzuschiessen». Die Assoziationen müssen dabei so formuliert sein, dass die KI versteht, welches Wort gemeint sein kann. Es steht etwa «toothbrush» auf einem Block, die KI versteht die Assoziation «dentist» und schiesst den Block ab. Dabei reisst er alle gleich gefärbten Blöcke mit, die er gerade berührt.
Wie Tetris macht Semantris im Nu süchtig. Anders als bei Tetris kommen dabei nicht nur die Finger auf den Cursor-Tasten ins Schwitzen: Man kann mit dem Spiel seinen englischen Wortschatz testen und erweitern. Das Spiel eignet sich also auch für Schulen im Englischunterricht. Anders als bei Scrabble sind dabei auch Eigennamen erlaubt. So versteht Semantris auf «pirate» die Assoziation «Captain Sparrow». Und manchmal ärgert man sich über die Maschine und man fragt sich, was der Computer sich wohl dabei denkt. Genau diese Momente sind heilsam: Sie zeigen, dass die Maschine eben nicht denkt, sondern nur Mustern folgt. Verblüffend, unterhaltsam, aber gerade nicht intelligent.
Semantris: https://research.google.com/semantris/
Quickdraw
Dieses Spiel kennen Sie sicher: Jemand muss einen Begriff zeichnen, die anderen müssen erraten, was es ist. Genau dieses Spiel kann man mit der KI von Google spielen. Das geht so: Auf dem Bildschirm erscheint ein Wort wie «Giraffe», «Kanu», «Wolke» oder «Hotdog». Jetzt hat man 20 Sekunden Zeit, den Begriff mit raschen Worten zu skizzieren. Für jeden Begriff, den Google innert der Zeit erkennt, gibt es einen Punkt. Mit der Maus am Computer ist das nicht ganz einfach, besser geht es mit einem Finger oder einem Stift auf dem iPad oder einem anderen Tablet. Es ist erstaunlich, wie rasch Google die Wörter erkennt – aber vermutlich erkennt die KI die Wörter nicht frei, sondern nur innerhalb eines bestimmten Wort-Korpus. Trotzdem: beeindruckend.
Quickdraw: https://quickdraw.withgoogle.com/
Autodraw
Wenn Sie an Ihrer Unfähigkeit verzweifeln, auch nur eine Sonne zeichnen zu können, hilft Ihnen vielleicht Autodraw. Das ist ebenfalls ein Experiment des Google Creative Lab. Auch hier muss der Computer erraten, was Sie zeichnen, allerdings hilft er Ihnen dabei, Ihre Zeichnung zu verbessern. Am oberen Bildschirmrand erscheinen, während Sie kritzeln, nämlich gezeichnete Figuren. Nach ein paar Strichen merkt Google, ob Sie eine Giraffe, ein Huhn oder ein Auto zeichnen wollen und bietet Ihnen entsprechende Zeichnungen zum Anklicken an.
Autodraw: https://www.autodraw.com/
Pacman mit dem Kopf steuern
Ein Spiel mit einem ernsten Hintergrund bietet diese Website: Sie ermöglicht es nach kurzer Eingewöhnung, den PacMan im gleichnamigen Spiel mit Kopfbewegungen zu steuern. Die einzelnen Gesten werden dazu vorher dem Computer beigebracht. Für Menschen mit Armen und Fingern, die sie bewegen können, ist das ein amüsantes Spiel – für körperlich beeinträchtigte Menschen können ähnliche Systeme es ermöglichen, einen Computer zu steuern.
Pacman steuern: https://storage.googleapis.com/tfjs-examples/webcam-transfer-learning/dist/index.html
Zahlenerkennung
Wenn Sie ein eher nüchternes, aber umso informativere KI-Experiment ausprobieren möchten, bietet das Fraunhofer-Institut einige Experimente an. Mein Liebling ist ein Tool, das handgeschriebene Zahlen erkennt. Das Programm übersetzt die hingekritzelte Zahl nicht nur in eine arabische Zahl auf dem Bildschirm, sondern zeigt anhand einer Heatmap auch, wie das Programm die Zahl entschlüsselt hat. Spannend und lehrreich.
Zahlen erkennen: https://lrpserver.hhi.fraunhofer.de/handwriting-classification
Basel, 11. August 2022, mz@matthiaszehnder.ch
Matthias Zehnders «Leben digital» hilft Powerusern, Selbstständigen und KMUs, mit konkreten Tipps und Tricks das digitale Leben besser zu bewältigen, damit sie mehr Zeit und Energie für jene Dinge (und Menschen) aufwenden können, die ihnen lieb und wichtig sind.
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