Der digitale Notizzettel

Publiziert am 14. Oktober 2021 von Matthias Zehnder

Die meisten Menschen glauben, Digitalisierung sei eine Frage von Tools, also von Programmen und Computern. Das stimmt nur zu einem kleinen Teil. Digitalisierung ist vor allem eine Frage der Kultur, also von der Arbeitsweise, von Arbeitsabläufen und Gewohnheiten. Ein Beispiel dafür, so banal es auf den ersten Blick aussieht, ist der Umgang mit Notizen. Das ist keine Frage von komplexen Systemen, von Programmen und Systemen. Trotzdem kann die Digitalisierung von Notizzetteln und Post-Its für Selbstständige und kleine Unternehmen einen grossen Produktivitätsfortschritt bringen. Denn die Digitalisierung beginnt im Kopf.

In jeder Küche gibt es diese Allerwelts-Schublade, wo Klebestreifen und Gummibänder, die Gebührenmarken für die Grünabfuhr und ein paar Stifte aufbewahrt werden. In unserer Küche hat es neben den Stiften einen kleinen Stapel mit Notizzetteln. Wir verwenden dafür zweimal halbierte A4-Blätter von Ausdrucken oder sonstigem Ausschuss-Papier. Auf diese A6-Zettel notieren wir alles, was wir im Haushalt nicht vergessen dürfen, vom kleinen Einkauf bis zum Erinnerungszettel, die Katze des Nachbarn zu füttern. Die kleinen Zettel neigen dazu, sich auf das ganze Haus auszubreiten und manchmal begegnet man unvermutet auf einer anderen Etage einem kleinen Zettel mit einem Stichwort drauf, das man zuerst nicht lesen und dann nicht verstehen kann.

Auch beim Arbeiten neigen die kleinen Zettel dazu, den Schreibtisch zu erobern. Auf den Zetteln steht alles mögliche, von der Telefonnotiz bis zur Buchidee. Im Moment ist es hilfreich, sich auf einfache Art und Weise etwas Notieren zu können. Und manchmal besteht der Nutzen der Zettelchen auch nur im Aufschreiben – ich brauche sie nicht mehr zu lesen, weil ich mich daran erinnere, was ich aufgeschrieben habe. Es passiert mir manchmal aber auch, dass ich nach ein paar Tagen eines dieser Zettelchen anschaue und beim besten Willen nicht mehr lesen kann, was ich mir da handschriftlich notiert habe. Oder ich weiss, dass ich mir eine Idee oder eine Formulierung notiert habe, aber ich finde den Zettel auf meinem Pult nicht mehr. Oder er liegt zu Hause, ich brauche die Information aber im Büro. Ich habe deshalb jahrelang nach einem sinnvollen Weg gesucht, diese kleinen Notizen digital anzufertigen. 

Natürlich gibt es hunderte von Apps und Möglichkeiten, sich eine digitale Notiz anzufertigen, von der simplen «Notizen»-App bis zum elektronischen Post-It und eigentlich spielt es keine Rolle, welches Werkzeug man nutzt, wenn man damit das Ziel erreicht. Wirklich produktiv sind digitale Notizenlösungen, wenn sie folgende Bedingungen erfüllen:

1) Es muss eine sehr einfaches Programm sein, das ohne Einstellungen und Firlefanz auskommt und schlicht und einfach Text erfasst.

2) Das Programm sollte auf dem Handy und dem Computer verfügbar sein und die Notizen überall synchronisieren, ohne dass ich dafür etwas tun muss.

3) Das Programm sollte die Notizen zwar einzeln verwalten, sie alle aber auf einfache Art greifbar und verfügbar machen, so dass ich die einzelnen Notizen auch auf dem Computer nicht suchen muss, aber auf einfache Art absuchen kann.

Es gibt, je nach System und Kontext, sicher einige Programme, die diese Anforderungen erfüllen. Das Programm meiner Wahl heisst «iA Writer» und stammt von einer kleinen Firma, die in Zürich und Tokyo beheimatet ist. Für mich das wichtigste an dem Programm: Es besteht aus einem leeren Bildschirm. Kein Menübalken, kein grafisches Interface, einfach eine leere, weisse (oder schwarze) Fläche. Und ebenso wichtig: Es legt bei aller Einfachheit wert auf schönes Design mit einer ansprechenden Schrift. Verfügbar ist das Programm für den Mac und das iPhone (Mac-OS und iOS) sowie für Windows-PC und Android-Telefone. 

Screenshot iA Writer

Schnörkelloses Schreiben: Beim iA-Writer lenkt nichts vom Text ab.

Ich nutze das Programm auf dem iPhone, auf dem iPad und auf dem Mac und dem Macbook. Alle Änderungen werden dabei sofort über iCloud (das Onlinespeichersystem von Apple) synchronisiert. Auf der linken Seite des Programms (auf dem Mac) lässt sich ein Dateiverzeichnis mit den Texten einblenden. Entscheidend dabei ist aber weniger das Programm selbst, entscheidend ist die Arbeitsweise damit.

Ich habe stehende Notizendateien, in die ich zum jeweiligen Thema jeweils die aktuellen Notizen schreibe. So schreibe ich mir in der Datei «Howto» alle Tipps auf, die ich mir zu meinen Programmen merken möchte. Alle Projekte erhalten eine eigene Notizen-Datei. Da notiere ich mir während den Sitzungen, was mir wichtig ist und was ich nicht vergessen will. Und natürlich habe ich meine Ideen-Dateien, wo ich Ideen, Gedanken und erste Sätze zu Texten oder Vorträgen aufschreibe. Das geht auch auf dem Handy, wenn ich unterwegs bin. Mit der eingebauten Diktierfunktion kann man sich auf dem iPhone eine Notiz auch rasch diktieren, das funktioniert mittlerweile recht gut.

Das alles funktioniert nicht nur mit «iA Writer», sondern wohl auch mit anderen Apps und Programmen. Wer sich nur im Apple-Universum bewegt, kommt auch mit der kostenlosen «Notizen»-App von Apple aus. Diese App speichert die Texte auch auf iCloud und synchronisiert die Inhalte zwischen Mac und iPhone (oder iPad). Der allerwichtigste Punkt dabei betrifft nicht das Programm und den Speicherort, sondern die Arbeitsweise. Wichtig ist, dass die Notizzettel wirklich vom Pult verschwinden und man die Notizen tatsächlich digital erfasst. Das wichtigste passiert also nicht im Computer, sondern im Kopf. Entscheidend ist nicht das Tool, sondern die Bereitschaft, vom Kritzeln zum Tippen zu wechseln.

Hat man diesen Schritt einmal geschafft, spielt die konkrete App fast keine Rolle mehr. Die Notizen stehen plötzlich überall zur Verfügung, sie sind suchbar, die Textbrocken können in anderen Programmen weiterverarbeitet werden. Das ist so viel einfacher, als das Zusammensuchen von Notizzetteln, dass man sich recht bald fragt, warum man so lange Zettel vollgekritzelt hat. So ganz habe ich mich übrigens nicht von den Zetteln verabschiedet. Kritzeln tut manchmal einfach gut, vor allem im Frühstadium einer Idee. Aber die Zettel kommen nicht mehr zum Einsatz, wenn es um wichtige Notizen oder um Gedanken im Rahmen eines Projektes oder des Schreibens geht. Digitale Notizen sind einfach produktiver. Und wenn ich trotzdem, einmal eine Grafik auf einem Zettelchen entworfen habe, fotografiere ich sie schnell ab. Ich weiss zu gut, dass die kleinen Zettelchen Flügel kriegen.

iA Writer: https://ia.net/de/writer

Kosten: $29.99 (einmalig)

Basel, 14. Oktober 2021, mz@matthiaszehnder.ch

Matthias Zehnders «Leben digital» hilft Powerusern, Selbstständigen und KMUs, mit konkreten Tipps und Tricks das digitale Leben besser zu bewältigen, damit sie mehr Zeit und Energie für jene Dinge (und Menschen) aufwenden können, die ihnen lieb und wichtig sind.

Bild: ©nenetus – stock.adobe.com

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