Replik auf Peter Wanners Kommentar zu Medienförderung und SRG in der NZZ

Publiziert am 27. August 2018 von Matthias Zehnder

AZ-Verleger Peter Wanner kommentiert auf der Meinungsseite der heutigen NZZ ausführlich den Entwurf des Bundes zum neuen Bundesgesetz über elektronische Medien. Was heisst kommentiert – Wanner stampft den Entwurf in Grund und Boden. Er schreibt, als ginge es ihm um die Schweiz und das Mediensystem, dabei verteidigt Wanner schlicht eigene Interessen: die eines Verlegers von gedruckten Zeitungen und die eines Besitzers mehrerer Privatradio- und TV-Stationen. Im Folgenden finden Sie sechs Zitate aus Wanners Kommentar «Heimatschutz für die SRG» (NZZ vom 27. August 2018, Seite 8, online hier) und meine Replik darauf.

Die Sache mit dem Service Public

Peter Wanner schreibt: Sie [die SRG] wird im neuen Gesetzesentwurf als angeblich einziges Service-public-Unternehmen dieses Landes in hohem Masse privilegiert und ihre Monopolposition derart zementiert, dass alle privaten Anbieter auf die Verliererstrasse gedrängt werden.

Da wettert der Taxiunternehmer gegen die Postautolinie. Es ist nun einmal so: Die Schweiz hat einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Stimmbevölkerung hat sich in verschiedenen Abstimmungen, mal knapp, mal sehr deutlich, für die Beibehaltung dieses Systems ausgesprochen. Dass das privaten Fernsehanbietern nicht gefällt, ist logisch. Immer wieder darauf zurückzukommen, ist aber politisch schlechter Stil. Das wirkliche Problem im Schweizer Fernsehmarkt ist nämlich nicht die Konkurrenz zwischen den kleinen Privatsendern und einer angeblich übermächtigen SRG, sondern die Konkurrenz zwischen der kleinen Schweizer SRG und den übermächtigen ausländischen Sendern. Zur Erinnerung: Die TV-Sender der SRG haben in der Schweiz einen Marktanteil von etwa einem Drittel (siehe Marktanteile TV-Sender Deutschschweiz nach Mediapulse). Etwa 60 % des Marktes beherrschen ausländische Sender. Es ist politisch sehr wohl legitim, der Dominanz ausländischer TV-Anbietern eine starke, einheimische SRG entgegenzusetzen. Es wäre langsam Zeit, dass sich die Betreiber kleiner Privat-TV-Stationen damit abfinden.

Wanner geht es um den Print

Peter Wanner schreibt: Angesichts der prekären Situation, in der sich die Printmedien derzeit befinden, wäre es auch darum gegangen, auf die «Aufgabe und Stellung der Presse Rücksicht zu nehmen», wie es in der Bundesverfassung heisst. Was tut der Bund für die Printmedien? Und was unternimmt er, um ihnen die digitale Transformation zu erleichtern? Was tut er, um die noch bestehende Medienvielfalt zu retten? Nichts!

Das ist des Pudels Kern aus Sicht von Zeitungsverleger Peter Wanner: Was tut der Bund für die Printmedien? Was Wanner verschweigt: Der Bund darf gar nicht mehr für die Printmedien tun, als er schon macht. Das neue Bundesgesetz über elektronische Medien regelt nur die elektronischen Medien, weil in Artikel 93, Absatz 1 der Bundesverfassung steht: Die Gesetzgebung über Radio und Fernsehen sowie über andere Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen ist Sache des Bundes. Und das heisst eben auch: Nur die Gesetzgebung über Radio, Fernsehen und andere fernmeldetechnisch verbreitete Medien ist Sache des Bundes. Wenn das neue Mediengesetz alle Medien behandeln sollte, müsste zuerst die Verfassung geändert werden.

Geradezu herzig ist der Widerspruch, in den sich Wanner mit dieser Frage verstrickt: Einerseits plädiert er für ein liberales, marktorientiertes Mediengesetz, andererseits fordert er Beihilfen für die gedruckte Presse und damit ein Strukturerhaltungsprogramm für eine Verbreitungstechnik, von der sich der Markt nun einmal abwendet. Aus liberaler Sicht sind solche Strukturerhaltungsprogramme Gift für eine gesunde Entwicklung des Marktes.

Wer ist online wirklich übermächtig?

Peter Wanner schreibt: Sich gegen die Übermacht der SRG online behaupten zu können, wird für viele private Anbieter äusserst schwierig werden, vor allem dann, wenn der Regulator die Spielregeln zugunsten der SRG definiert.

Schon im NoBillag-Abstimmungskampf wurde oft eine Übermacht der SRG im Internet kolportiert. Wiederholung macht eine Behauptung nicht wahrer: Die Angebote der SRG im Internet sind keineswegs dominant. Wenn jemand in der Schweiz das journalistische Angebot im Internet dominiert, dann ist das Tamedia. Das laut NET-Metrix-Audit im Juli 2018 mit grossem Abstand am meisten besuchte Angebot ist «20 Minuten online», gefolgt von Blick und SRF. Wenn wir andere Websites wie die der SBB ausser Acht lassen, folgen auf den weiteren Rängen die Web-Angebote der französischen Ausgabe von «20 Minuten», von RTS, NZZ, Tages-Anzeiger, Watson und Le Matin. Allein die Tamedia-Angebote unter den 15 meistbesuchten Medienwebsites haben im Juli 2018 mehr als doppelt so viele Besucher verzeichnet als die Angebote der SRG. Von einer Dominanz der SRG in der Onlinewelt kann also keine Rede sein.

Visits der Schweizer Medienwebsites im Juli 2018 nach Net Metrix: Rot die Webangebote der SRG, blau die Angebote von Tamedia, schwarz die Websites der übrigen Verlage. Grafik: mz

Peter Wanner schreibt weiter, dass es die Paywalls der Verleger schwer hätten, weil die SRG-Inhalte im Netz gratis seien und die Gratismentalität der Benutzer weiter förderten. Das ist schlicht falsch: Wenn jemand in der Schweiz die Gratismentalität des Publikums fördert, dann ist das «20 Minuten», und zwar nicht nur online, sondern auch im Print. Die Schweizer Verleger haben sich mit der Lancierung von Gratiszeitungen selbst ins Bein geschossen und sind nun mit einer bitteren Suppe konfrontiert, die sie auslöffeln müssen.

Geht es um Print oder um online?

Peter Wanner schreibt: Will man die Medien- und Angebotsvielfalt in der Schweiz erhalten und nicht einfach dem langsamen Dahinsiechen der Printtitel tatenlos zuschauen, tut eine Neuorientierung in der Medienpolitik not.

Für Verleger Wanner ist eine Medien- und Angebotsvielfalt in der Schweiz offenbar nur denkbar, wenn dem «langsamen Dahinsiechen der Printtitel» Einhalt geboten wird. Denn für einen Verleger sind Medien zuallererst Zeitungen. Dem muss man entgegenhalten, dass die Menschen noch nie so viele Medien genutzt haben wie heute – bloss nicht die Medien der Verleger. Denn Die Digitalisierung ist zuallererst eine Medialisierung: Im Internet wird jede Firma auch zum Publisher. Ob Amazon oder SBB – online sind das zuallererst Medien. Deshalb kann Amazon ja wie eine «Zeitung»  Werbung in ihrem elektronischen Laden verkaufen.

Für die Verlage hat das dramatische Konsequenzen: Wer den Menschen im Aargau etwas verkaufen will, muss nicht mehr in der AZ inserieren. Die Aargauer nutzen viele weitere Web-Angebote, vom kleinen Blog bis zum globalen Social Media-Netzwerk. Deshalb ist es um die Medien- und Angebotsvielfalt in der Schweiz auch gar nicht schlecht bestellt – nur haben die Verleger von diesem Kuchen nicht mehr viel. Wanners Ruf nach einer Neuorientierung ist deshalb auch ein bisschen der Hilferuf des Droschkenunternehmers angesichts der Erfindung der Eisenbahn.

Presseförderung ist reine Strukturerhaltung

Peter Wanner schreibt: Die indirekte Presseförderung als reine Vertriebsförderung über das Postgesetz ist bis jetzt die einzige Förderung, die der Presse zufliesst (30 Millionen Franken). Sie sollte vorderhand bestehen bleiben, allerdings nach anderen Kriterien (Qualität, Anzahl Journalisten pro Kopfblatt) verteilt werden. Will man die Printmedien retten, müsste sie allerdings massiv ausgebaut werden.

Um die Presse- und Meinungsvielfalt zu erhalten, subventioniert der Bund jährlich mit 50 Millionen Franken die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften (siehe hier). Das bedeutet: Verleger erhalten einen Beitrag an die Distributionskosten von gedruckten Zeitungen und Zeitschriften. Das ist die von Peter Wanner erwähnte einzige Förderung, die der Presse zufliesst. Diese Förderung ist absurd. Unabhängig vom Inhalt können nur Zeitungen und Zeitschriften davon profitieren, die durch die Post auf Papier ausgeliefert werden. Sinnvoller wäre es, nicht Papier und Porto zu stützen, sondern die Inhalte zu fördern. Dagegen wehren sich die Verleger aber seit Jahren vehement. Dass die Zeit von gedruckten Tageszeitungen sich dem Ende entgegenneigt, hat mit der SRG null und nichts zu tun. Schlimmer noch: Strukturerhaltende Fördergelder wie die indirekte Presseförderung haben eine innovationshemmende Wirkung. Aus liberaler Sicht ist davon Abstand zu nehmen, das sollte auch Peter Wanner einsehen.

Das Voucher-System als Lösung

Peter Wanner unterstützt in seinem Meinungsbeitrag die Idee eines Voucher-Systems, wie sie Roger Schawinski und Otfried Jarren ins Spiel gebracht haben. Nach dem Modell soll die SRG 60 % der Gebühren erhalten, die Gebührenzahler können die restlichen 40 % frei jenen Medien zusprechen, die sie für unterstützungswürdig halten.

Peter Wanner schreibt: Entscheidend dabei ist, welche Medien als unterstützungswürdig gelten. Hier ist ein Demokratie-relevantes Kriterium zu berücksichtigen: Trägt das Medium zur Meinungs- und Willensbildung bei oder nicht? Unterhält das Medium eine Redaktion, die einen Informationsauftrag erfüllt? Wenn ja, gehört es auf die Liste, unabhängig von seiner politischen Ausrichtung. Dabei sollte keine Mediengattung ausgeschlossen werden. Printtitel und deren Online-Portale verdienen genauso Unterstützung wie elektronische oder rein digitale Medien.

Da hat er recht: Entscheidend dabei ist, welche Medien als unterstützungswürdig gelten. Interessant ist, dass er Kriterien auflistet, die in etwa die Redaktion einer Tageszeitung umschreiben. Einmal von den nachvollziehbaren Eigeninteressen abgesehen – warum soll ein solcher Medienvoucher quasi auf Tageszeitungen beschränkt werden? Warum soll eine Kulturagenda wie die Programmzeitung in Basel, ein bankenkritischer Blog wie «Inside Paradeplatz» oder ein Technikpodcast wie der «Apfelfunk» nicht auch unterstützungswürdig sein? Und wenn wir schon dabei sind: Warum nicht auch mein eigenes Angebot hier? Medien sind im Zeitalter des Internets eben nicht mehr nur die klassischen Redaktionen, es gibt viele andere Ausformungen. Das Problem der klassischen Verlage ist, dass sie sehr träge und abwehrend auf die neuen Formen reagieren, weil sie im Kern vor allem an der Erhaltung ihrer Druckindustrie interessiert sind. Die Politik sollte sich deshalb bei der Entwicklung der neuen Mediengesetze auf keinen Fall von den Verlegern beraten lassen, sondern sich (in den Worten von Peter Wanner) für eine «mutige Medienpolitik» entscheiden.

Rauft Euch endlich zusammen

Vor allem aber: Verleger wie Peter Wanner sollten sich endlich vom Feindbild SRG lösen. Die gebührenfinanzierte SRG ist nicht die Ursache für die schlechten Geschäfte der Verlage. Die Ursache ist das Internet. Das Internet hat das lokale Informationsmonopol der Verlage gebrochen. Das Internet hat die Rubrikenmärkte, die einstigen Cashcows der Verlage, komplett zerstört: Nationale, elektronische Anbieter dominieren heute das Geschäft mit Anzeigen für Stellen, Immobilien, Autos und Partnerschaften. Das Internet hat dafür gesorgt, dass heute lokale Inhalte und (digitale) lokale Werbung voneinander völlig losgelöst sind – und der Werbemarkt von globalen Firmen dominiert wird.

Nein, es macht absolut keinen Sinn, dass die Verleger in der Schweiz weiterhin auf die SRG einprügeln. Viel sinnvoller wäre es, wenn sich Exponenten aller Schweizer Medien, also Verleger, SRG und Vertreter unabhängiger, kleiner Onlinemedien, zusammenraufen und gemeinsam nach politischen Lösungen suchen würden. Denn das grosse Problem im Internetzeitalter ist, dass zu viel Werbegeld aus der Schweiz abfliesst und hier nicht mehr für die Investition in Inhalte zur Verfügung steht. Also: Rauft Euch endlich zusammen!

Basel, 27. August 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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