Barfi.ch: Sendeschluss trotz Publikumserfolg

Publiziert am 18. August 2018 von Matthias Zehnder

Das Basler Newsportal barfi.ch macht dicht. Trotz beachtlichem Publikumserfolg ist es Besitzer Christian Heeb nicht gelungen, das Angebot finanziell auf gesunde Beine zu stellen. Der Erfolg im Nutzermarkt liess sich nicht auf den Werbemarkt übertragen. Daraus lassen sich einige Lehren ziehen. Eine kleine Analyse.

Etwas mehr als drei Jahre hat Barfi.ch in der Region Basel mit einer eigenwilligen Mischung von Nachrichten, Polizeimeldungen, nostalgischen Bildern und FCB-Berichterstattung im Internet «gesendet», wie Barfi.ch-Besitzer und Radiopionier Christian Heeb zu sagen pflegte. Jetzt ist Schluss: Heeb zieht der Website den Stecker. Die wirtschaftliche Situation lässt eine Fortführung nicht mehr zu, unsere Kasse ist endgültig leer, schreibt Heeb im letzten Beitrag auf der Website.

Ein Bild aus glücklicheren Zeiten: Prof. Klaus Neumann-Braun, Christian Heeb und Jörg Kachelmann, die Gründer von Barfi.ch,  am 10. April 2015 auf dem Barfi.

Das ist insofern überraschend, als Barfi.ch beim Publikum sehr beliebt war. Heeb schreibt in seinem Abschiedsartikel: Am 16. August um Mitternacht, wenige Stunden bevor ich am Freitagmorgen den Mitarbeitern das Aus eröffnen musste, erreichte barfi den bisherigen Rekord von unglaublichen 493‘845 Nutzern, die regelmässig Gast auf unserem Portal waren – knapp eine halbe Million engagierte Besucher. Überprüfen lässt sich das nicht. Es sind Zahlen von Google Analytics, das ist ein Dienst von Google zur Analyse der Traffic-Daten auf der eigenen Website. Gemessen an der Zahl der Onlinekommentare und der Beliebtheit von Barfi.ch auf Facebook ist die Zahl aber nicht unwahrscheinlich.

Wenn wir einmal annehmen, dass Barfi.ch tatsächlich eine halbe Million regelmässige Benutzer hatte, dann wäre Heebs Onlineportal hinter der «Basler Zeitung» das zweiterfolgreichste Basler Internet-Angebot. Laut der Nutzerstatistik von Net-Metrix vom Juli 2018 hatte Baslerzeitung.ch 682’000 so genannte Unique Clients, Telebasel.ch kam auf 228’000, die bzBasel/Basellandschaftliche Zeitung geschätzt auf etwa 200’000 (AZ-Medien geben nur die Gesamtzahl Zugriffe auf alle Kopfblätter an) und die Tageswoche kam auf 198’000 Nutzer. Heeb machte bei dieser offiziellen Nutzerstatistik nicht mit, entsprechend konnte er auch keine validierten Zahlen ausweisen.

Web-Traffic der Basler Newsangebote laut Net-Metrix und Barfi.ch Zahlen der bz sind geschätzt, weil AZ Medien nur die Gesamtzahlen kommuniziert.

Wie gut Barfi.ch beim Publikum ankam, zeigt ein Blick auf die Facebook-Seite: Mit 32’178 Abonnenten (Stand 18. August 2018) ist die Facebook-Seite von Barfi.ch das erfolgreichste Facebook-Angebot eines Basler Mediums, gefolgt vom Facebook-Angebot der «BaZ» (31’791 Abonnenten), von Telebasel (18’733 Abonnenten), der Tageswoche (13’380 Abonnenten), Radio Basilisk (12’144 Abonnenten) und den beiden bz, der bzBasel (9’032 Abonnenten) und der bzBasellandschaftlichen (2’287 Abonnenten).[1]

Facebook-Abonnenten der Angebote auf Facebook: Barfi.ch schwingt obenaus.

Man kann also getrost feststellen: Barfi.ch war im Nutzermarkt erfolgreich. Warum also macht das Portal dicht? Heeb schreibt: Doch selbst bei dieser Reichweite hielt sich die lokale Werbebranche in der für sie neuen digitalen Welt äusserst vorsichtig zurück. Barfi.ch war also nur im Nutzermarkt, also beim Publikum, erfolgreich, nicht aber im Werbemarkt. Ich sehe dafür drei mögliche Gründe.

Die lokale Werbebranche, wie Heeb schreibt, hält sich wohl zum Teil tatsächlich zurück, jene Werbenden, die online aktiv sind, brauchen aber keine lokalen Angebote. Denn im Internet haben sich die lokalen Inhalte und die lokale Werbung getrennt. Wenn eine Bäckerei früher in einem bestimmten Gebiet Werbung machen wollte, musste sie die Lokalzeitung benutzen. Heute kann die lokale Bäckerei die Werbung auch in der «New York Times», auf einer deutschen Website oder in einem nationalen Angebot schalten. Werbenetzwerke wie der Google-Ad-Service sorgen dafür, dass die lokale Werbung den lokalen Benutzer findet. So ist es möglich, im Onlineangebot des deutschen «Spiegel» eine Anzeige für eine Bäckerei in Basel zu finden. Die Anzeige sehen nicht alle «Spiegel»-Leser, sondern nur die Leser in Basel.

Die Digitalisierung ist auch eine Medialisierung

Der zweite Grund: Die Digitalisierung ist auch eine Medialisierung. Im Internet werden alle Firmen zu Medien. Umgekehrt heisst das: Online haben Medienangebote keine Exklusivität, sie müssen zum Beispiel mit Onlineläden wie Amazon und natürlich mit Google um die Werbekunden kämpfen. Das führt auch gleich zum dritten Grund: Weil das Angebot an potenziellen Werbeträgern im Internet so gross ist, sind die Preise für Onlinewerbung im Sinkflug. Wer online ein Angebot wirklich nur mit Werbung finanzieren will, muss ein sehr grosses Publikum ansprechen – und finanziell einen sehr langen Atem haben. Ein Beispiel für diese Strategie ist Watson.ch.

Was lernen wir daraus? Lokale Angebote wie Barfi.ch haben nur dann eine Überlebenschance, wenn sie sich nicht (ausschliesslich) über den Werbemarkt finanzieren. Letztlich kommt es auf die Nutzer an: Die Nutzer müssen bereit sein, für ein Angebot zu bezahlen. Dafür muss ein Angebot einzigartig sein, es muss einen so grossen Nutzen anbieten, dass die Benutzer bereit sind, dafür in die Tasche zu greifen. In der Schweiz hat das bisher nur die «Republik» geschafft – und auch sie muss den Tatbeweis noch antreten, dass die Leserinnen und Leser nach dem ersten Jahr bereit sind, das Angebot weiter zu finanzieren. In Basel setzt (eigentlich) die «Tageswoche» auf dieses Modell – bisher offenbar mit mässigem Erfolg. Die «Tageswoche» hat erst kürzlich bekannt gegeben, dass sie die wöchentliche Printausgabe nicht mehr finanzieren kann. Die Zeitung erscheint künftig nur noch alle zwei Wochen. Barfi.ch hat sich erst an die Benutzer gewendet, als es schon zu spät war.

Basel, 18. August 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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[1] Die beiden Basler Lokalradio seien hier noch nachgeliefert: Radio Energy Basel hat auf Facebook 51’542 Abonnenten, Radio Basilisk bringt es auf 12’146 Abonnenten. Beide treten aber im Web nicht mit einem Newsportal an, deshalb sind sie in den Grafiken nicht aufgeführt.

Nachtrag: Gegenüber Radio SRF, Regionaljournal Basel, habe ich das Ende von Barfi.ch kommentiert:

https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/verlustgeschaeft-newsportal-barfi-ch-stellt-den-betrieb-ein

3 Kommentare zu "Barfi.ch: Sendeschluss trotz Publikumserfolg"

  1. Sie zeigen auf, dass „Barfi.ch“ anscheinend sehr viele „Klicks“ hatte und doch eingehen muss. Ich möchte ein paar Gedanken zu „Barfi.ch“ und zu Chr. Heeb anbringen.
    Seit seiner Gründung von „Radio Basilisk“ (zusammen mit Roger Erfolg Schawinski) haben bei allen Projekten von Chr. Heeb die „Stecker“ gezogen werden müssen. Damals, in den 80er Jahren als die Privatradios aufkamen, war auch eine andere Zeit. Es war die Zeit des „Radios“. Aber es war auch die Zeit, als die Heebs, Mürners und so weiter die kleinen (oder grossen) Könige am Regler waren. SIE bestimmten, was wir hörten. Englisch war angesagt, auf allen Kanälen. Sie fanden es gut, die Hörer hatten es gut zu finden. Ein deutsch-gesungener Wunschkonzertwunsch wurde entweder abgelehnt oder mit grinsen und Verballhornung (wie doof doch z.B. deutsch-orientierte-melodieuse Musik sei) angesagt. Ein Chr. Schwegler zitiert jetzt noch mantraartig bei jedem Interview, wie schlimm es war, den Titel „Monja“ vom deutschen Interpreten „Roland W“ anzusagen. Es sei grässlich gewesen, diesen Titel zu hören…. Soviel zu Toleranz, Solidarität gegenüber denen, welche nicht den selben Geschmack haben, soviel zu den Herren von damals, welche den (Musik-)Hebel alleinig in den Händen hatten. Die eben Mürner, Schwegler oder auch Heeb hiessen. Die Zeiten änderten sich, und – hier einmal ein Lob an die neue Technik/Internet etc – die Zeit der Radioherrschaft über UKW mit einer Hand voll Sender ist vorbei. Dank DAB+, dank You-Tube etc, ist jeder sein eigener Musikredaktor. DAB+ bietet eine Vielzahl von Sendern an, für jeden Geschmack was dabei. Vom Hard-Rock-Funk über Kirchensender bis zu Radio Eviva, Radio Tell etc. Und in You-Tube gibt’s grenzenlose Auswahl bis zum Abwinken. Aber auch die 10´000 von Internetradiostationen sind nicht zu verachten. Von Radio Mazedonien, über ein Einschlafliederradio, über Radio Jodlersepp aus einen EFH in Aitern im Schwarzwald, von Australischem, Türkischem und 24/7Countryfunk ist alles dabei.
    Es zeigt, wie vielfältig Musik sein kann, von Nordnorwegischen Dialektgesang zu Hochafghanischen Hirtenukulelenkängen aus den 60er Jahren ist alles dabei.
    Und es zeigt, wie einseitig wir früher unter Heeb und Co beduselt worden waren. Englisch, Englisch und nochmals Englisch. Gleichgeschaltet, eingebildet, monoton.
    Beim zweiten Mal mit einer Radiogründung funktionierte es nicht mehr so gut.
    SEIN ERSTES PROJEKT NACH BASILISK, d.h. sein neues Privatradioprojekt (mit dem offiziell klingenden Namen) „Radio Basel“ sendete unter Heeb standesgemäss aus einem Luxusbürohaus an der Münchensteinerstrasse. Der meiner erachtens stets überHEEBlich wirkende Chr. Heeb musste bitter mitansehen, wie sich die Zeiten eben geändert hatten. Ich meinte es zu Beginn noch gut mit ihm und schrieb ihm lange Mails mit guten Ideen. Er wollte ja keine Hörermitwirkung, keine Hörertelefone, dies sei unter dem Niveau seines „Radio Basel – für Erwachsene“. Doch was spricht gegen Hörertelefone, wenn diese z.B. gefragt werden, was sie beim Lesen von z.B. Max Frisch Büchern empfinden? Ich empfahl ihm auch, ab und zu einen Hörermusikwunsch ins Programm einzuflechten, doch auch das wollte er nicht, es störe nur den Programmmusikfluss….
    Nur er wollte wie in den 80er Jahren sagen, was wo und wie gesendet werden durfte. Doch wie gesagt, die Zeiten änderten sich. Radio Basel musste nach wenigen Jahren den Stecker ziehen. Heeb ist ein guter Verkäufer und kündigt seine Projekte jeweils vollmundig an, bei „Radio Basel“ hiess es hochintelligent, für Gescheite, für Erwachsene. Demzufolge lockte er auch Sandra Schiess an den Start. Doch schon nach einem Jahr bemerkte und fragte sich die grandiose Radiofrau, wo denn die hochintelligenten Beiträge sind. Es lief nämlich bloss alter Dudelfunk der 80er Jahre rauf und runter, einseitig und nie im Dialog mit den Hörern. Darauf hin verliess sie Chr. Heeb und arbeitet seither erfolgreich bei Radio SRF1, wo sie sich wirklich wohlfühlt. Auch Corinna Zigerli lockte er mit an den Start. Sie hielt es länger aus, verliess „Radio 1“ dann auch Richtung Zürich, wo sie auf SRF3 die Verkehrsmeldungen durchsagen durfte, was ihr mehr und sehr Freude bereitete.
    SEIN ZWEITES PROJEKT NACH BASILSISK war eben das Internetportal „Bafi.ch“, welchem jetzt den Stecker gezogen werden musste.
    Auch da die selben Manier: Vollmundig und krösusmässige Ankündigung am Start: Das Barfi.ch-Kachelsystem zum klicken: Weltrevolutionär. Die „Barfi.ch“-Redaktion bekommt ständig Besuch von Webgestaltern aus aller Welt. Barfi.ch wird kopiert, gilt als neuer Massstab in der Web-Welt….
    Dies für mich unsympathisch…. Und auch wieder – die selbe Manier wie beim Radio – Grosse und starke Namen am Start. Neben dem Radiopionier und Pirat Christian Heeb der weltweit renommierte Prof. Klaus Neumann von der Universität Basel, Jörg Kachelmann, der europaweite Wetter-self-made-man, bekannt, beliebt und finanzkräftig, waren mit am Start. Schon in den ersten Wochen jagte eine Erfolgsklickmeldung die nächste…. Doch die Werbung blieb spärlich. Traute man den Klickzahlen allgemein nicht mehr, seit es ganze Dörfer im Balkan gibt, welche „Klicks“ generieren? (Quelle: „Der Spiegel“-Oma klickt mit. Auszug aus dem Text: …gegen Abend wird es ruhig in der ehemaligen Stahlstadt. Aus allen Zimmern flimmert bläuliches Computerlicht. Und das Klickgeschäft lohnt: Standen früher noch Handkarren vor den heruntergekommenen Häusern, erspäht man als wie mehr germanische Limousinen der Marken Mercedes und BMW geparkt).
    Klicks sind Schall und Rauch – Tagesgespräch und der angekündigte Hype in Basel (auch unter den Jungen) war „Barfi.ch“ nie.
    Und diesen Werten traue ich mehr wie allen Klickzahlen dieser Welt.
    Herr Heeb sollte lieber seinen Ruhestand geniessen anstatt wieder etwas anzureissen, was nachher in die Hosen geht und ausser Roten Zahlen und ein paar Arbeitslosen mehr nicht hergebracht hatte.
    Ein drittes mal muss er es sich und uns nicht mehr antun.
    ABSCHLEISSEND möchte ich noch dies erwähnen, was ich in einer baslerischen Zeitung las: „Es genügt nicht mehr, nur „beliebt“ zu sein.“
    Deshalb wünsche ich dem neuen Basler Online-Leseprojekt „Primenews.ch“ und seinem äusserst sympathischen Christan Keller viel und mehr Erfolg. Den er will nach eigenen Angaben „sympathisch unbequem“ sein. Mit seinen ersten Artikeln und heissen Storys welche unterhaltsam, eigenwillig und informativ sind, könnte es ihm gelingen. Weiter so.
    Nur etwas finde ich schade: Warum trägt sein „Ding“ den englischen Namen „Primenews.ch“. Eine Basler Webseite, eine deutschsprachige Webseite aus der Schweiz mit dem Titel „Primenews.ch“. Ich versteh´s nicht.
    Ansonsten – Christan (der Keller) = tipptop und gutes Gelingen; Christian (der Heeb) = Wir werden alle einmal älter.
    Tja – die Zeiten ändern sich….

    1. Erlauben Sie mir drei kleine Anmerkungen, Herr Zweidler:
      1) Sie schreiben, das Projekt habe «ausser Roten Zahlen und ein paar Arbeitslosen mehr» nichts gebracht – also bevor er Leute in die Arbeitslosigkeit schickt, hat Heeb ganz schön viele Leute bei Barfi.ch beschäftigt. Das hat ihn auch eine Stange Geld gekostet und die hat er, meines Wissens, aus dem eigenen Tresor geholt und nicht irgendwelchen Investoren abgeluchst.
      2) Auch PrimeNews von Christian Keller ist bis jetzt lediglich ein nicht eingelöstes Versprechen. Die ganz wichtigen Recherchen habe ich da noch nicht gelesen und auch wenn sie mal zu lesen sind, ist die Frage, ob der lokale Markt in Basel ausreicht, um ein Portal mit Lokalinhalten zu finanzieren, auch wenn diese «sympathisch unbequem» sind.
      3) Sie schreiben, Barfi.ch sei nie Stadtgespräch gewesen. Nein, das nicht. Aber trotzdem erstaunlich erfolgreich. Das zeigen die Zahlen, die ich oben aufführe. Bei Lichte betrachtet und ohne Polemik rund um die Person von Christian Heeb ist Barfi.ch deshalb ein interessantes Beispiel dafür, dass publizistischer und ökonomischer Erfolg nicht mehr Hand in Hand gehen. Das ist (zumindest für mich als Medienbeobachter) das Interessante an dem Fall.

  2. Wie in der Politik so auch bei dem Medien: In der Masse liegt die Klasse. Und wer es glaubt, wird vielleicht selig, aber kaum reich: weder an Geld noch an Qualität. Ist das wirklich das, was die Welt im Innersten zusammenhält?

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