Das Nötige möglich machen

Publiziert am 14. November 2015 von Matthias Zehnder

Über den 80-Millionen-Handel zwischen den beiden Basel zur Rettung von Universitätsvertrag undKulturpauschale

Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), der diese Woche 96-jährig verstorben ist, bezeichnete sich selbst als „Pragmatiker mit Grundwerten“. Nachdem Willy Brandt der Guillaume-Affäre wegen hatte zurücktreten müssen, wählte ihn der Deutsche Bundestag am 16. Mai 1974 zum fünften Kanzler der Bundesrepublik. In seiner Antrittsrede sagte Schmidt: „Keine Regierung kann Wunder vollbringen. Das Mögliche aber, das Mögliche muss sie mit aller Kraft verwirklichen.“

Die Basler Regierung, oder, genauer besehen: die beiden Basler Regierungen haben ihr Mögliches getan, um den Univertrag und die Kulturvertragspauschale zu retten. Man kann sogar sagen, dass sie das Menschenmögliche mit aller Kraft verwirklichen wollen, so ungewöhnlich ist die Idee der Zahlung von 80 Millionen Franken an den Kanton Baselland. Anders gesagt: Die beiden Regierungen versuchen, mit dem Deal das Nötige möglich zu machen. Dass die Sache unbedingt nötig ist, sah auch der Grosse Rat so. Er verzichtete deshalb darauf, den Handel mit weiteren Bedingungen zu beschweren, und stimmte, wiewohl laut murrend, dem Kredit mit 80 Ja- und 12 Nein-Stimmen zu.

Das ist keineswegs selbstverständlich. Bei Lichte betrachtet, bezahlen die Städter vier Jahre lang auch ein bisschen im Landkanton Steuern. Umgekehrt kommt der Landkanton darum herum, am Tabu Steuererhöhung zu rühren. Denn es ist keineswegs ein Naturgesetz, dass man eine Staatsrechnung nur durch Senken der Ausgaben ins Lot bringen kann. Noch allerdings ist der Deal nicht durch: Noch läuft die Referendumsfrist. Würde das Referendum ergriffen, müsste die Baselbieter Regierung die Verträge künden. Eva Herzog warnte denn auch im Grossen Rat: «Wer das Referendum ergreift, lädt viel Verantwortung auf seine Schultern, man könnte sagen, er entscheidet über den Deal.» Wer in dieser Mahnung einen Versuch sieht, dem Volk die Rechte abspenstig zu machen, der irrt allerdings. Es ist umgekehrt: Die Volksvertreter haben einem vernünftigen Deal zugestimmt. Wer das Referendum dagegen ergreift, masst sich ein Veto-Recht gegen die Vertreter des Volkes an, weil der Deal schon dadurch platzt. Ergo verletzt die Rechte des Volkes, wer das Referendum ergreift.

Die Kommentare im Grossen Rat und in der Öffentlichkeit waren wohl auch deshalb so grimmig, weil politisch niemand mit dem Geschäft einen Blumentopf gewinnen kann. Die Linke hat Schwierigkeiten, zu sparen und gleichzeitig Geld ins Land fliessen zu lassen, die Rechte hat Schwierigkeiten, Mehrausgaben zu bewilligen, wo sie die Regierung doch zur finanzpolitischen Raison zwingen will. Es ist dem Grossen Rat hoch anzurechnen, dass (ausser der SVP) alle über ihren Schatten gesprungen sind und geholfen haben, das Nötige möglich zu machen.

Genau darum sollte es in der Politik eigentlich gehen: Unabhängig vom eigenen Profit das ermöglichen, was das Gemein- wesen nötig hat. Nun leben wir aber in einer Zeit, die von den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie bestimmt ist. Das bedeutet: Es profitiert, wer sich Aufmerksamkeit sichert. Und Aufmerksamkeit holt man sich nicht mit klugen Lösungen, sondern mit Lautstärke. Also mit Tabubrüchen, deftigen Sprüchen, Hass und Hetze. Donald Trump macht der Welt in den USA gerade vor, wie sich quotengeile Medien für die eigenen Zwecke einspannen lassen. Donald Trump holt sich damit zwar Frontseiten und viel Fernsehzeit, er bringt die USA damit aber keinen Zentimeter weiter. In der Schweiz, zumal in Basel, ist es noch nicht ganz so schlimm. Auch in der Schweizer Medienlandschaft regiert immer weniger die Qualität und immer mehr die Quote – deshalb kommt nicht das Wichtige und das Notwendige zu Sendezeit, sondern immer häufiger das Aufsehenerregende, Absonderliche.

Mit dem 80-Millionen-Deal sind die Regierungen der beiden Basel auf einen pragmatischen Weg eingeschwenkt, der ihnen und der Universität die nötige Zeit verschafft, eine längerfristige Lösung zu erarbeiten. Es ist genau dieser Pragmatismus mit Grundwerten, der Helmut Schmidt auszeichnete und der in einer auf Aufmerksamkeit fokussierten Medienwelt selten geworden ist, weil er nicht den (medialen) Nutzen des einzelnen Politikers, sondern den Nutzen der Gemeinschaft ins Zentrum stellt. Wenn der Handel gelingt und niemand in letzter Minute noch das Referendum ergreift, dann hätten die beiden Basel in Abwandlung des Diktums von Helmut Schmidt nicht nur das Mögliche mit aller Kraft verwirklicht, sondern für einmal ein kleines Wunder vollbracht.

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