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Zeit für Versöhnung
Wir lesen täglich über die russischen Angriffe auf die Ukraine, das Klima zwischen China und den USA ist längst zu einem kalten Krieg abgekühlt – und der deutsche Benediktinerpater und Autor Anselm Grün schreibt ein Buch mit dem Titel «Zeit für Versöhnung»? Ja, auch wenn diese Zeit für die Versöhnung zwischen der Ukraine und Russland vielleicht noch nicht da ist – ohne Versöhnung wird es nicht gehen. Anselm Grün geht es in seinem Buch nicht nur um Kriege zwischen Nationen, sondern auch und gerade um die Versöhnung in unserer Gesellschaft, die immer stärker auseinanderdriftet. Die Gesellschaft spaltet sich in Arm und Reich, in Europaskeptiker und -befürworter, in Impfbefürworter und -gegner. Freundschaften zerbrechen und sogar Familien entzweien sich. Anselm Grün sieht in der Bereitschaft zur Versöhnung ein wichtiges Kriterium für ein gelingendes Zusammenleben. Das gilt umso mehr für unsere Zeit, die geprägt ist vom Wandel, etwa von technologischen Innovationen, von politischen Krisen und Umweltproblemen. Grün sagt, dass vor diesem Hintergrund die Bereitschaft zur Versöhnung noch wichtiger werde. Nur Versöhnung könne eine Lösung bieten, indem sie Brücken baut, Verständnis fördert und die Bereitschaft zur Vergebung stärkt. Grün zeigt dafür in seinem Buch praktische Wege zur Versöhnung auf und ermutigt seine Leserinnen und Leser, selbst Brücken zu bauen und Versöhnung bewusst zu gestalten.
Nötig ist das, weil die Feindseligkeit in unserer Gesellschaft zunimmt. Forscher der Universität Münster haben die Spaltung unserer Gesellschaft untersucht. Sie haben festgestellt, dass sich zwei Gruppen gegenüberstehen: die Verteidiger, die Veränderungen als Bedrohung sehen, und die Entdecker, die Offenheit und Vielfalt fordern. Migration, Finanzkrise, Klimakrise und Pandemie haben die Konflikte zwischen den beiden Lagern verstärkt: «Diese beiden Gruppen sind nicht mehr zum Dialog bereit», schreibt Anselm Grün. «Jede Meinung ist sofort mit der Machtfrage verbunden. Wer hat Macht über die Menschen? So weigern sie sich, ein wirkliches Gespräch zu führen.»
Beide Seiten hören nicht auf die Argumente des anderen und aggressive Meinungsmacher tragen zur Eskalation bei. Doch zu diesen radikalen Gruppen gehört nur eine Minderheit. Die Mehrheit der Menschen ist dialogbereit. Forscher betonen, dass die Gesellschaft nicht zwangsläufig gespalten ist. Aber sie ist angespannt. Für Anselm Grün bietet nur die Versöhnung zwischen den gespaltenen Gruppen ein Mittel zur Verbindung der Menschen und zur Überwindung der Spaltung. In seinem Buch denkt er über Versöhnung nach und zeigt Wege zur Versöhnung auf, mit sich selbst, mit anderen Menschen und, er ist ja Benediktinerpater, mit Gott.
Laut Grün fällt nun aber Versöhnung vielen Menschen schwer. Grün nennt drei Gründe dafür – es sind drei Ängste: die Angst vor Kontrollverlust, die Angst vor Ablehnung und die Angst vor dem Scheitern. Menschen haben das Bedürfnis, ihr Leben zu kontrollieren. Viele Menschen haben deshalb Schwierigkeiten, sich auf andere einzulassen, da sie die Kontrolle nicht abgeben möchten. Dieses Kontrollbedürfnis kann laut Grün das Resultat von mangelndem Selbstwertgefühl sein und daran hindern, sich zu zeigen, wie man wirklich ist.
Eine weitere Angst, die Versöhnung erschwert, ist die Angst vor Ablehnung. Viele Menschen trauen sich nicht, Konflikte anzusprechen, aus Angst, dass die anderen sie ablehnen oder beschuldigen könnten, den Frieden zu stören. Sie vermeiden es lieber, die Wahrheit auszusprechen und leben in oberflächlichen Beziehungen, obwohl unter der Oberfläche Spannungen und Spaltungen existieren.
Schliesslich habe viele Menschen Angst vor dem Scheitern. Wenn man sich auf Versöhnung einlässt, besteht die Möglichkeit, dass der andere nicht mitmacht oder die Versöhnung verweigert. Dies kann zu einem noch schwierigeren Verhältnis führen. Das Scheitern der Versöhnung kann Schuldgefühle hervorrufen. Ganz objektiv fällt es schwer, mit unversöhnten Menschen umzugehen.
Ein spannendes Buch, das nicht nur eloquent für die Versöhnung wirbt, sondern auch praktische Wege aufzeigt, wie sie zu erreichen ist – auch wenn das ganz gegen den Medienzeitgeist geht.
Anselm Grün: Zeit für Versöhnung. Spaltung überwinden, Begegnung wagen. Herder Verlag, 160 Seiten, 25.90 Franken; ISBN 978-3-451-39488-1
Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783451394881
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